Jens Meier lenkt eine der größten Warendrehscheiben Europas. Er ist Chef des Hamburger Hafens. Der 46-Jährige ist in seinem Traumjob angekommen

Der Treffpunkt für das Frühstück hätte kaum besser gewählt sein können. Hier in einem Café direkt an der Binnenalster, im Herzen Hamburgs. Der Blick des 46-Jährigen schweift über das Wasser, wenn er von seiner Geburtsstadt spricht, geradezu schwärmt. "Meine Heimat", wird er an diesem herbstlichen Morgen noch häufiger sagen.

Zum Wasser hat Jens Meier ohnehin eine enge Beziehung. Schließlich ist er der Chef des Hamburger Hafens, einer der größten Warendrehscheiben Europas mit fast 2000 Beschäftigten. Doch der Weg zu diesem "Traumjob", wie er heute sagt, war lang und alles andere als vorgezeichnet. Es war eine Mischung aus Talent, Ehrgeiz, Kontakten und Zufall, die den Macher Meier auf den Chefsessel der Hamburg Port Authority (HPA) brachten.

Im Süden der Stadt wuchs er auf, in Fischbek, unweit der Grenze zu Niedersachsen. Früh kam er mit Zahlen und Technik in Berührung. Meiers Vater war Ingenieur und fuhr zur See. In der Schule war Jens Meier immer einer der Besten - zumindest in den naturwissenschaftlichen Fächern, speziell in Mathematik. "Das ist mir einfach leichtgefallen", erzählt er. Während seine Mitschüler am Dreisatz scheiterten, rechnete Meier die kompliziertesten Gleichungen in der Stochastik aus - und zwar richtig. Zudem arbeitete er nachmittags in der Computer-AG seiner Schule mit, begeisterte sich für die noch wenig bekannte Technik.

Nach Abitur und Bundeswehr sollte und wollte der plietsche Junge studieren. Die Entscheidung fiel schnell auf die eng mit der Mathematik verwandte Informatik. Als zweites Fach wählte er Betriebswirtschaftslehre. Und in den Semesterferien jobbte er beim Hamburger Flugzeugbauer Airbus, programmierte Maschinen. Das Zahlengenie Meier hatte sich früh selbst programmiert - auf eine Karriere in einem Zukunftsfeld. Technik und Wirtschaft, diese Kombination war und ist in einem Industrieland wie Deutschland so etwas wie ein Freifahrtschein in eine beruflich vielversprechende Zukunft.

Mit Mitte 20 begann Meier bei der Softwareberatungsfirma sd&m. Er sollte Unternehmen zeigen, wie Computersysteme effizienter arbeiten können. Die Begabung des jungen Tüftlers wurde von seinem Arbeitgeber schnell erkannt. Meier stieg bei dem Tochterunternehmen des Global Players Ernst & Young in die Geschäftsleitung auf. Sein technisches Know-how stand außer Frage, doch sein Arbeitgeber wollte den aufstrebenden jungen Mann nun auch mit dem Rüstzeug ausstatten, das ein Top-Manager benötigt. Meier ging zum Management Zentrum nach St. Gallen, lernte bei dem international bekannten österreichischen Wirtschaftsprofessor Fredmund Malik. "Diese Zeit war sehr, sehr wichtig für mich", sagt Meier. Noch heute handle er nach Maliks Grundsätzen. So habe er sich zum Beispiel das Prinzip der "systematischen Müllabfuhr" angeeignet. Einmal im Jahr geht Meier in Klausur, überlegt, welchen Ballast in seinem Job er abwerfen möchte und delegiert diesen weiter oder schafft ihn ab. "Nur so kann man sich immer wieder für neue Aufgaben öffnen", sagt er.

Außer der Zusatzausbildung in St. Gallen ermöglichte ihm sein Arbeitgeber auch Aufenthalte in den USA, unter anderem an der renommierten Northwestern University in Chicago. "Für meine berufliche Karriere war es ganz entscheidend, dass das Unternehmen damals in mich investiert hat." In dieser Zeit bildete er sich nicht nur weiter, sondern lernte auch viele Menschen kennen, zu denen er noch heute Kontakt hat. "Mein berufliches Netzwerk wurde engmaschiger. Und davon habe ich im Job immer wieder profitiert."

Doch das Fahren auf der Überholspur im Beruf hatte auch seine negativen Seiten. Meier war viel von zu Hause weg, seine Frau und später seine Kinder bekamen ihn selten zu sehen. Das typische Managerleben aus dem Koffer, in Hotels, im Flugzeug hatte seinen Preis. Eine schwere Krankheit erdete den auf der Karriereleiter rasant nach oben Kletternden schließlich. "Ich habe in dieser Zeit viel über den Tod nachgedacht, über die Endlichkeit unseres Daseins auf der Erde", sagt er. Seitdem hat er beruflich den Fuß zumindest ein wenig vom Gas genommen und kann wirklich Wichtiges von Unwichtigem besser trennen. "Wenn es darauf ankommt, wenn meine Familie mich braucht, dann bin ich seitdem bei ihr. Auch wenn andere meinen, dass ich irgendwo am anderen Ende Europas eigentlich eine Rede halten müsste."

Beruflich ging es für Meier nach der Jahrtausendwende dennoch turbulent zu. Während der Goldgräberzeit am Neuen Markt, in der fast täglich Internetfirmen gegründet und an die Börse gebracht wurden, wechselte er mit Mitte 30 in den Bereichsvorstand des aufstrebenden Hamburger IT-Unternehmens Systematics - ein Kontakt, der über einen früheren Kunden zustande kam. Nachdem Systematics an einen amerikanischen Konzern verkauft worden war, hieß es auch für Meier: Abschied nehmen. Wiederum über Kontakte zu einem Geschäftskunden landete er 2002 beim Logistikunternehmen TTS, musste sich dort erstmals in seiner Karriere als Sanierer beweisen. Meier wurde Geschäftsführer bei einem Unternehmen mit hohen Verlusten; er strukturierte um, riss Altes ein, baute Neues auf. Sechs Jahre lang dauerte diese Station, dann rief ihn überraschend der damalige Hamburger Wirtschaftssenator Gunnar Uldall an.

"Es war wie eine glückliche Fügung", erzählt Meier. Er kannte Uldall bereits aus dem Kuratorium der Logistikinitiative. Der CDU-Politiker erinnerte sich an den charismatischen Manager Meier, als der Chefposten der Hafenverwaltung HPA zu vergeben war. Hafenchef in seiner Heimatstadt. "Meine Erfahrung in den Dienst der Stadt stellen - das war das Beste, was ich mir vorstellen konnte." Nicht nur, dass sein Opa bereits als Schiffer die Köhlbrandfähre durch den Hafen gesteuert hatte. "Auch beruflich reizte mich von Anfang an dieser riesige Logistikplatz Hafen. Was kann es Schöneres geben, als an einer der zentralen Stellen Hamburgs Zukunft mitzugestalten?"

Beruflich hat sich Meier viel vorgenommen. Die Modernisierung des Hafens ist nur der Oberbegriff über seinem Traumjob. Als Mannschaftsspieler will er die Beschäftigten mit in eine Welt "ohne Säulendenken" nehmen, wie er sagt. Man müsse den Hafen als Ganzes verstehen, nicht als ein geteiltes Gebilde, das aus Straßen, Wasserwegen und Schienen besteht. Bei allem Willen zur Veränderung ist ihm der Spaß an der Arbeit wichtig. "Und diesen Spaß will ich auch in die Belegschaft bringen." Nur dann könne man gemeinsam Erfolg haben. Erfolg, den sich ganz Hamburg wünscht.