Der Abteilungsleiter hat Defizite? Meckern hilft nicht. Besser, sein Team unterstützt ihn, denn das Image einer Abteilung hängt vom Chef ab.

Er hat keine Ahnung und keinen Überblick? Seine Entscheidungen sind falsch? Um sich über den Chef zu ärgern, findet fast jeder Mitarbeiter einen Grund. Doch statt sich aufzuregen, kann das Team den Spieß einfach umdrehen: Führen von unten oder "Cheffing" nennen Fachleute das.

"Jeder, der mit seinem Vorgesetzten unzufrieden ist, sollte versuchen, ein Stück weit Einfluss auf ihn zu nehmen", sagt Managementtrainer Heinz-Jürgen Herzlieb. Karrierecoach Martin Wehrle beschreibt das Cheffing als unterschwelliges Tauschgeschäft - bei dem der Chef aber nie den Eindruck haben dürfe zu verlieren. "Er muss das Gefühl haben, dass er frei entscheidet und sein Mitarbeiter ihn nur mit Informationen versorgt", sagt Wehrle.

Cheffing erleichtert dem Team die Arbeit und ist gut für den Ruf aller. Denn: "Das Image, das eine Abteilung und ihre Mitarbeiter haben, hängt immer auch davon ab, wie der Chef sie repräsentiert", sagt Herzlieb. Wenn der Chef eine gute Figur abgibt, tut das also auch seinen Mitarbeitern gut. Selbst wenn man wirklich einen unfähigen Chef hat, helfe es nicht weiter, nur über ihn zu meckern. Den Chef bei seiner Arbeit zu unterstützen nütze letztlich der ganzen Abteilung.

Zum Beispiel, wenn der Chef Aufträge verteilt, die in den Augen des Mitarbeiters keinen Sinn ergeben. Herzliebs Tipp: nachfragen, welcher Aufwand dafür gerechtfertigt sei und welches unternehmerische Ziel dahinter stehe. Durch die Rückfragen sehe mancher Chef erst den Arbeitsaufwand, den er damit verursacht. Mit etwas Glück ist die Folge, dass er sich beim nächsten Mal zweimal überlegt, unausgegorene Aufträge zu vergeben.

Einen chaotischen Chef, der Termine übersieht oder Aufgaben doppelt delegiert, könnten Angestellte beim Organisieren unterstützen, ihn etwa regelmäßig an Termine erinnern. "Das hat den Vorteil, dass man nicht mehr dem Chaos ausgesetzt ist und dass man als rechte Hand vom Chef unentbehrlich für ihn wird", sagt Martin Wehrle.

Ein oft unterschätztes Mittel beim Führen von unten sei es, den Chef zu loben, sagt Managementtrainer Ingo Krawiec. "Chefs springen genau wie alle anderen Menschen auf Lob und Anerkennung an." Einschleimen sei das nicht. "Aber wenn einem auffällt, dass der Chef einen guten Job für sein Team macht, dann kann man ihm das auch sagen." So könne ein Mitarbeiter den Chef etwa loben, wenn er Informationen frühzeitig kommuniziert hat. Die Chance steige dann, dass er das beim nächsten Mal wieder so macht.

Die meisten Chefs seien sogar offen dafür, sich von Mitarbeitern beeinflussen zu lassen. "In vielen Unternehmen gibt es ja inzwischen relativ flache Hierarchien. Da ist es gewollt, dass Mitarbeiter mitdenken, Ideen einbringen und auch selbst Verantwortung übernehmen", sagt Krawiec. Eines allerdings sollten Mitarbeiter besser lassen: hinterrücks zu agieren. "Einflussnahme sollte durch offenen Dialog erfolgen", sagt Karrieretrainer Herzlieb. "Wenn der Chef merkt, dass man ihn manipulieren will, kann das schiefgehen." Führen von unten funktioniere nur, wenn auch der Chef profitiere und sich deshalb auf die Einflussnahme seiner Mitarbeiter einlasse. "Unternehmen werden nicht basisdemokratisch geführt. Es gibt ein Oben und ein Unten. Und wenn oben Entscheidungen getroffenen werden, dann kann man unten zwar den Finger in die Wunde legen, aber letztlich ist man von den Entscheidungen oben abhängig", erklärt Herzlieb.

Deshalb dürfen Mitarbeiter den Chef auch nicht blamieren. "Selbst wenn er in einem Meeting Blödsinn erzählt, würde ich es mir etliche Male überlegen, ob ich ihm da widerspreche und ihn damit vor anderen Kollegen und womöglich den nächsthöheren Vorgesetzten in ein schlechtes Licht rücke", sagt Herzlieb.

Wenn etwas gut läuft, sollten Mitarbeiter übrigens nicht den Fehler machen und den Erfolg für sich reklamieren. "Das ist oft ein Deal, den man eingeht", sagt Karrierecoach Martin Wehrle. "Auch wenn man selbst die entscheidenden Weichenstellungen initiiert hat, lässt man seinen Chef den Erfolg präsentieren." Im Gegenzug könne der Mitarbeiter bei seinem Vorgesetzten einen anderen Wunsch äußern. Das sei eben das Tauschgeschäft, auf das man sich beim Cheffing einlassen müsse.