Je mehr Fachkräfte fehlen, desto rühriger werden Arbeitgeber. Sie werben für sich mit Altersvorsorge, Massagen, geschenkter Zeit.

An den Bewerberzahlen gemessen, gehört Google zu den attraktivsten Arbeitgebern weltweit: 3000 Bewerbungen gehen im Schnitt pro Tag bei dem amerikanischen Suchmaschinenriesen ein. Nach der Ankündigung der jüngsten Wachstumsoffensive waren es 75 000 in einer Woche. "Unsere Unternehmenspolitik ist darauf ausgerichtet, den besten Talenten ein optimales Umfeld zu bieten. Zu uns kommen Leute, die, auch wenn es ein wenig pathetisch klingt, die Welt verändern wollen", sagt Kay Oberbeck, der Sprecher von Google Deutschland.

Die Arbeits- und Lebensbedingungen gelten nicht nur am Stammsitz des Unternehmens in Kalifornien als exzellent. Alle Mitarbeiter erhalten Aktienoptionen und erwerben vom ersten Tag an einen Anspruch auf eine Betriebsrente. Kostenloses Essen gibt es weltweit. Man sagt, ein "Noogler" - ein Neueinsteiger im Unternehmensslang - erwirbt im ersten Jahr die sogenannten Google Seven: Das heißt, er legt sieben Kilo Gewicht zu. Natürlich bietet das Unternehmen auch Fitness-Studio und Massagen an.

Die Leistungen haben einen materiellen Wert - werden aber nicht ausgezahlt

Fringe (engl. für "Rand") Benefits heißen in der Fachsprache der Personaler solche freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers. Es sind Leistungen, die einen materiellen Wert haben, aber nicht in Form von Geld ausgezahlt werden. Sie sind unabhängig vom Firmenerfolg und werden anders als Prämien unabhängig von der individuellen Leistung gewährt.

Für Führungskräfte sind Dienstwagen, Handy, großzügige Reiseregelungen, Zeitschriftenabos oder spezielle Fortbildungen schon lange selbstverständlich. Doch der zunehmende Fachkräftemangel, dramatischer auch als "War for talents" bezeichnet, spornt die Kreativität der Personalabteilungen an.

"Das Thema wird in einem Arbeitsmarkt, den pro Jahr 150 000 Beschäftigte mehr verlassen als hinzukommen, an Bedeutung gewinnen", ist sich Florian Koenen, Geschäftsführer der Topos Personalberatung sicher. "Beim Recruiting ist es so, dass Kandidaten heute häufig schon mehr als ein Angebot vorliegen haben. Da entscheidet dann oft der Bauch." Der Austausch über soziale und Netzwerke und die zunehmende Bedeutung des Themas Work-Life-Balance verstärken diesen Trend.

Koenen empfiehlt, Zusatzleistungen individualisiert anzubieten. Der Mitarbeiter soll spüren, dass sich jemand Gedanken gemacht hat. Der Sportler, der mit dem Fahrrad ins Büro kommt, braucht keinen Parkplatz, der reife Topmanager selten einen Kindergartenplatz. Koenen empfiehlt, fünf bis sieben Maßnahmen zu definieren, aus denen dann individuelle Pakete geschnürt werden.

Der Firmenwagen steht nach wie vor an der Spitze der Beliebtheitsskala von Fach- und Führungskräften. Es folgen betriebliche Altersvorsorge und Versicherungen. In der Beliebtheit noch vor Fortbildungsangeboten und Fitness-Studio rangiert das Thema "Zeit". Die Möglichkeit, etwa im Rahmen eines Sabbaticals für bestimmte Zeit etwas ganz anderes zu machen, ist für viele Mitarbeiter attraktiv.

Freiwillige Zusatzleistungen sind auch ein Geschäftsfeld für Dienstleister. Eine Variante bietet das Portal mitarbeitervorteile.de des Hamburger Unternehmers Kay Westphalen. Die Mitarbeiter der angeschlossenen Unternehmen können darüber billiger einkaufen. Die Rabatte sind steuerfrei.

Arbeitgeber sind aber gut beraten, im Vorfeld genau zu überlegen, welche zusätzlichen freiwilligen Leistungen sie ihren Mitarbeitern anbieten. Denn ist der Komfort erst einmal genossen worden, wird es schwer, die Leistungen wieder zu kürzen. Für die Motivation ist eine Reduzierung von Privilegien um ein Vielfaches schlimmer, als wenn es diese von vornherein nicht gegeben hätte.

Ein Vergleich der verschiedenen Anreizkategorien auf die Eintritt-, Verbleibe- und Leistungsmotivation, wie sie eine Topos-Studie liefert, relativiert allerdings die Wirkung der Fringe Benefits. So ist der Anreiz, den die Tätigkeit an sich entfaltet, für Führungskräfte immer der größte Motivator. Für den Schritt ins Unternehmen spielen das direkte Entgelt und die Position in der Unternehmenshierarchie eine Rolle.

Die höchste Bindungskraft entfalten außer dem Tätigkeitsfeld die Anerkennung und Wertschätzung sowie die Führungsqualitäten des Vorgesetzten. Gleiches gilt für die Leistungsmotivation im Tagesgeschäft. Dort spielen Fringe Benefits eine untergeordnete Rolle.

Personalabteilungen überschätzen die Wirkung der "Fringe Benefits"

Dieser Befund deckt sich mit der Erfahrung von Alexander Rahl, Geschäftsführer der HR Management Consultants in Norderstedt: "Fringe Benefits werden erwartet, aber die Verpflichtung von Kandidaten wird darüber nicht entschieden. Zusätzliche materielle Anreize werden in ihrer Wirkung überschätzt. Zukunftssicherheit, die Werte eines Unternehmens, seine Philosophie, kurz all das, was wir unter Employer Branding zusammenfassen, ist wichtiger."

Das weiß man auch bei Google. Denn außer gutem Essen, den Sozialleistungen und einer optimalen Büroumgebung will das Unternehmen seine Werte hoch halten. Kooperativ und nicht kompetitiv gehe es im Hause zu, sagt Kay Oberbeck. Ellbogentypen hätten keine Chance. Alljährlich ermittelt eine "Google Geist" genannte Umfrage die Zufriedenheit der Mitarbeiter. Bei Microsoft heißt diese Befragung "Work-Health-Index" und erfüllt dort den gleichen Zweck.

Nicht zuletzt darf der kreative Freiraum, in einem Teil seiner Arbeitszeit selbstbestimmt eigenen Projekten und Ideen nachzugehen, als ein genialer Schachzug gelten. Ein großer Teil der Google-Innovationen stammt aus diesen Projekten. Offensichtlich wollen viele talentierte Fachkräfte genau so arbeiten. Es ist eben die Freiheit und nicht das Essen.