Interviews führen - am besten mit einem wohlüberlegten Fragebogen

"In kleineren Firmen werden Bewerbungsgespräche oft intuitiv geführt", sagt Anja Mahlstedt, Coach und Unternehmensberaterin in Wedel. Was nicht nur schlecht sei: "Gerade in solchen Betrieben muss ja die Chemie zwischen den Menschen stimmen." Dennoch rät sie auch den Geschäftsführern kleinerer Firmen und Selbstständigen, die jemanden einstellen wollen, sich systematisch auf ein Jobinterview vorzubereiten. Das Wichtigste: sich vorab die richtigen Fragen überlegen.

"Hat derjenige, der mir im Gespräch gegenübersitzt, wirklich die Kompetenzen, die er in seiner Bewerbung behauptet hat?" Das müsse der Interviewer herausfinden. "Und das zu erfragen ist eine Kunst", sagt Mahlstedt. "Gerade für ungeübte Interviewer."

Ihr Rat: "Fragen Sie situationsbezogen: Wie war die Situation, wie sind Sie vorgegangen, was war das Ergebnis?" Hypothetische Fragen - "Was würden Sie tun, wenn ...?" - könne jeder gut beantworten, die meisten Bewerber seien dank der zahlreichen Karrierebücher gut darauf vorbereitet. "Darum fragen Sie lieber konkrete Situationen ab", sagt Anja Mahlstedt.

Kritisch bleiben: Bewerber übertreiben mitunter in ihren Unterlagen

"Wenn es für die Position wichtig ist, dass der Mitarbeiter gut Englisch spricht, kann man auch mal für ein paar Fragen in die englische Sprache wechseln", rät Petra Stella Ebert, Diplom-Psychologin und Betriebswirtin aus Hamburg. "Papier ist schließlich geduldig", meint sie. "Und es gibt immer Bereiche, in denen Bewerber übertreiben - man möchte sich in seinen Unterlagen natürlich von der besten Seite zeigen." Der Interviewer habe das Recht, die Behauptungen des Bewerbers abzuprüfen.

"Stellen Sie offene Fragen", rät Personalentwicklerin Ebert. Fragen, die nur mit einem Ja oder Nein zu beantworten seien, brächten den Bewerber nicht wirklich zum Reden. Zur Unterstützung sollte man mindestens eine weitere Person hinzuziehen. "Jeder hat schließlich eine subjektive Wahrnehmung", erklärt die Psychologin. "100 Prozent Objektivität werden Sie dennoch nie erreichen, aber immerhin eine kontrollierte Subjektivität." Mehr als drei Interviewer seien dagegen auch nicht sinnvoll: "Das schüchtert den Bewerber unnötig ein."

Anja Mahlstedt findet es wichtig zu prüfen, welche Motivation den Kandidaten antreibt. Passt das zu seinen Aufgaben und zum Team? "Gerade in kleinen Firmen müssen Mitarbeiter eher intrinsisch, aus sich selbst heraus, motiviert sein", erklärt sie. "Denn dort ist meist keine so enge Führung wie in einem Konzern möglich." Geht es darum, viele Routineaufgaben zu machen, ist der kreative, Herausforderungen mögende Kandidat wohl eher der falsche.

"Gute Fragen sind die, die nicht gleich erkennen lassen, was man wissen will", sagt Personalexpertin Mahlstedt. "Fragen Sie nicht: Was motiviert Sie? Sondern eher: Was meinen Sie, was muss jemand mitbringen, der hier erfolgreich sein will?"

"Man kann auch ein kleines Rollenspiel ins Interview einbauen", sagt Petra Stella Ebert. "Dabei simuliert man eine Situation aus dem künftigen Aufgabenfeld." Wichtig sei dabei immer die Transparenz: "Sagen Sie dem Kandidaten vorher, was Sie mit ihm vorhaben."

Auch das Unternehmen bewirbt sich bei einem Kandidaten

Nachdem der Interviewer kurz sich selbst und die Firma vorgestellt hat, folgt meist die Bitte an den Kandidaten, seinen Lebenslauf zusammenzufassen. "Es ist interessant zu sehen, wo der Bewerber selbst die Schwerpunkte setzt", sagt Personalentwicklerin Ebert. Dann folgen die Fragen des Interviewers, und zum Abschluss erhält der Bewerber die Möglichkeit, seinerseits Fragen zu stellen. "Alles sollte in einer freundlichen, wertschätzenden Atmosphäre stattfinden", betont Ebert. "Das Interview ist schließlich ein beidseitiger Kennenlernprozess: Auch das Unternehmen bewirbt sich bei einem Kandidaten."

Um sicherzugehen, dass man alle eingeladenen Kandidaten gleich behandelt, sollte man ein strukturiertes Interview führen, sagt Anja Mahlstedt. Das heißt: Man notiert sich den Fragenkatalog vorab und stellt allen Bewerbern dieselben Fragen. "Der größte Fehler von ungeübten Interviewern: Sie reden zu viel", sagt Mahlstedt. "Dabei ist es doch so: Je geringer meine eigenen Redeanteile sind, desto mehr bekomme ich heraus."

Ein weiterer typischer Fehler sei es, Bewerber untereinander zu vergleichen und dabei das Anforderungsprofil aus den Augen zu verlieren. "Wenn ich vier mittelprächtige Bewerber habe, und der fünfte ist ein bisschen besser, dann denke ich leicht mal, er sei der Richtige", warnt Anja Mahlstedt. "Dass das passieren kann, muss ich im Hinterkopf haben - und immer wieder prüfen, was der Bewerber wirklich objektiv bietet."

Lesen Sie nächstes Wochenende: Teil 4 - Einstellen und absagen

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