In den Regenerativen Energien entstanden in drei Jahren 2000 neue Jobs für Akademiker und Gesellen. Der Trend hält weiter an.

Vor knapp einem Jahr, am 11. März 2011, nahm die Atomkatastrophe von Fukushima ihren Anfang. Drei Monate später rief die deutsche Bundesregierung die Energiewende aus. Vom Atomausstieg besonders profitiert hat die Erneuerbare-Energien-Branche. Zu ihr gehören Unternehmen, die aus Wasserkraft, Windenergie oder solarer Strahlung, aus Erdwärme (Geothermie) oder Biomasse nutzbare Energie erzeugen. Hamburg ist eine Hochburg dieser Branche, die interessante neue Jobs und gute Karriereperspektiven bietet.

Der Arbeitsplatz von Kerstin Claus ist in 50 Meter Höhe. Die 34-Jährige, die gerade im Elbcampus der Handwerkskammer Hamburg als eine der ersten Frauen die Weiterbildung zur Servicetechnikerin für Windenergieanlagen absolviert, wird im September ihren Abschluss machen. Schwindlig wird ihr nicht, wenn sie hoch oben die Rotorblätter eines Windkraftrades überprüft.

"Höhenangst ist mir ein Fremdwort", sagt die gelernte Zweiradmechanikerin. Außer der Begeisterung für die Hightech-Anlagen reizen Kerstin Claus die beruflichen Aussichten in der Windenergie-Branche. Die sind glänzend. Laut Deutschem Windenergieinstitut gibt es derzeit bundesweit knapp 900 Anlagen, für die Servicetechniker dringend benötigt werden.

Innerhalb von vier Jahren hat sich die Zahl der Jobs in der deutschen Erneuerbare-Energien-Branche vervierfacht. In Hamburg wächst die Branche laut Handelskammer doppelt so schnell wie im übrigen Deutschland. Mittlerweile gibt es hier rund 500 Unternehmen mit etwa 5000 Arbeitsplätzen.

"In Hamburg wird zwar nicht viel Wind- oder Solarenergie erzeugt, aber hier haben viele Unternehmen der Branche ihren Hauptsitz oder eine Dependance", betont Tobias Knahl, Leiter Energie, Umwelt in der Kammer. Platzhirschen sind Conergy und Lichtblick, Nordex (plant die Einstellung von 250 Ingenieuren in den nächsten drei Jahren) und Repower, zugezogen sind beispielsweise der weltweit größte Windturbinenhersteller Gamesa, der französische Konzern Areva und Siemens mit seiner Windenergiesparte, die von Dänemark nach Hamburg verlegt wurde und bereits mehr als 300 Mitarbeiter am Berliner Tor beschäftigt. Laut der Clusteragentur Erneuerbare Energien Hamburg sind in der Hansestadt seit 2009 rund 2000 neue "grüne" Arbeitsplätze entstanden. Und es werden weitere Mitarbeiter gesucht. Laut Tobias Knahl "in allen Bereichen der Branche".

Ganz oben auf der Wunschliste der Arbeitgeber stehen technische Fachkräfte wie Bauingenieure und Elektrotechniker. Sie planen, installieren und sorgen für die Wartung der oft komplizierten Anlagen. Viele Arbeitgeber schauen vor allem nach Bewerbern mit einem soliden Ingenieur- oder naturwissenschaftlichen Studium. Tipp: schon an der Uni den Schwerpunkt auf erneuerbare Energien setzen. An deutschen Hochschulen gibt es dafür mittlerweile rund 300 Studiengänge - an der TU Harburg zum Beispiel Wirtschaftsingenieurwesen (interdisziplinär BWL, VWL, Rechts- und Ingenieurwissenschaft). Die Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften lehrt in zehn Studiengängen Energietechnik. Unter den Naturwissenschaftlern sind Geografen, Biologen, Chemiker und Physiker besonders gefragt.

Eine Mischung aus Technik und Beratung bietet das Berufsbild des Solarteurs, der (noch) kein anerkannter Ausbildungsberuf, aber in Weiterbildungskursen erlernbar ist. Voraussetzung: Gesellen- oder Meisterbrief. Gesucht werden auch Vertriebsleute und Projektentwickler. Hier haben auch Quereinsteiger gute Karten.

Kandidaten ohne Studium sollten eine handwerkliche oder gewerbliche Ausbildung mitbringen, etwa als Elektriker oder Installateur. Spezielle Ausbildungsgänge gibt es noch nicht. Selbst für Arbeitslose kann die junge Branche eine neue Chance sein: Der TÜV Nord beispielsweise bildet Erwerbslose aus und vermittelt sie. Die Erfolgsquote kann sich sehen lassen: 70 Prozent.

Die Gehälter in der "grünen" Energiewirtschaft sind aufgrund der gestiegenen Nachfrage in den vergangenen fünf Jahren ebenfalls kräftig gestiegen. Laut des Staufenbiel-Instituts pendelt das Durchschnittsgehalt der Berufseinsteiger derzeit je nach Firmengröße zwischen 35 000 und knapp über 45 000 Euro brutto im Jahr. Erfahrene Projektleiter können mehr als 70 000 Euro verdienen.

Übrigens: Im Sog des Erneuerbare-Energien-Booms werden auch Karrieren in angrenzenden Wirtschaftssektoren, bei Rechtsanwälten, in Werbeagenturen, Banken und Finanzierungsfirmen, befeuert. Henning Sachs etwa ist Junior Investment Manager bei der Hamburger Gesellschaft CEE, die auf die Beteiligung an Infrastrukturprojekten und Technologieunternehmen in den Erneuerbaren Energien spezialisiert ist. "Saubere Energie ist ein wachsender Markt", sagt der 29-Jährige. "Und er wird in den nächsten Jahren noch größer werden."