Wird das Kind krank, muss der Chef Mutter oder Vater freigeben. Trotzdem sind Kollegen oft genervt, wenn jemand sein Recht auf Familie wahrnimmt

Berlin/Hamburg. Dass es nicht leicht sein wird, Karriere und Familie unter einen Hut zu bekommen, ahnen die meisten Eltern bereits, wenn sie ihr Neugeborenes für Krippe oder Kindergarten anmelden. Die Betreuungszeiten vieler Einrichtungen decken keinen normalen Bürotag ab, üppig kommen einem dagegen die Schließzeiten vor, mehrmals im Jahr für einige Wochen.

Und selbst wenn irgendwann alles perfekt organisiert und das Kind gut untergebracht ist, gleicht der Alltag berufstätiger Eltern oft genug einer Zitterpartie. Jede Windpockenwelle im Kindergarten kann den Abschluss eines Projektes gefährden, der Anruf aus der Schule, dass sich das Kind den Arm gebrochen hat, beendet jeden noch so wichtigen Arbeitstag.

Arbeitgeber sind verpflichtet, ihre Mitarbeiter freizustellen

Völlig zu Recht, denn solche Not- und Krankheitsfälle sind durch das Arbeitsrecht geregelt. "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung" heißt es im Grundgesetz. "Die Erziehung und Betreuung von Kindern wird vom Gesetzgeber als wichtige Aufgabe eingestuft. Daraus ergibt sich etwa die Regelung, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter freistellen müssen, damit diese im Krankheitsfall ihr Kind zu Hause betreuen können", sagt Martin Lützeler, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei CMS Hasche und Sigle in Köln.

Doch auch wenn die rechtliche Lage eigentlich völlig eindeutig ist, ecken berufstätige Mütter und Väter im Job immer wieder an, wenn sie klarstellen müssen, dass es für sie auch ein Leben jenseits der Büroräume gibt. "Das Verständnis für die Situation von berufstätigen Eltern bei Arbeitgebern und Kunden ist gewachsen - noch immer werden aber vor allem Frauen in die Verantwortung genommen, wenn es um Erziehung und Kinderbetreuung geht", sagt Henny Steiniger von der Berliner Strategieberatung Wirtschaftskraft, die häufig weibliche Führungskräfte berät.

Wer pünktlich Feierabend machen will, stößt bei Kollegen auf Unverständnis

Müttern, die Karriere machen wollen, wird Steinigers Einschätzung nach ein besonderes Organisationstalent und diplomatisches Geschick abverlangt. "Insbesondere in der Berater- oder Werbebranche, wo es üblich ist, auch mal bis 22 Uhr am Schreibtisch zu sitzen, stoßen Mütter, die pünktlich um 16 Uhr die Firma verlassen, nicht gerade auf Verständnis", sagt sie. "In solchen Fällen sollte man das Thema Familie ganz offen ansprechen und erklären, was es bedeutet, wenn man seine Kinder nicht pünktlich abholen würde."

Je besser Kollegen und Vorgesetzte über die Situation informiert sind, umso mehr darf man auf Verständnis hoffen. Es ist durchaus sinnvoll, darüber aufzuklären, dass beispielsweise auch Tagesmütter krank werden können und dass man in solch einem Fall am Arbeitsplatz ausfallen kann.

Kein Elternteil darf ständig daraufbauen, dass das Team Rücksicht nimmt

Überstrapazieren sollte man Verständnis und Kooperationsbereitschaft der Kollegen aber nicht. "Als Mutter genießt man in vielen Unternehmen Freiräume und steht unter einem besonderen Schutz", glaubt Henny Steiniger. "Das sollte man auf keinen Fall ausnutzen, indem man ständig erwartet, dass alle auf einen Rücksicht nehmen."

Auch Teenager, die sich im Alltag gern gegen zu viel Bemutterung wehren und sich über jede Überstunde der Eltern freuen, sind in deren Berufsleben oft präsent: als Dauer-Anrufer. "Es ist nötig, dass man mit den Kindern vorher abspricht, in welchen Situationen sie im Büro anrufen dürfen und in welchen nicht", sagt Astrid Fiedler, Imageberaterin aus Hamburg. "Die Angabe ,nur im Notfall' reicht nicht." Stundenlange Grundsatzdiskussionen am Dienst-Telefon sollten vermieden werden.

Ratsam ist es, nicht ständig vom Ärger mit renitenten Sprösslingen oder Schulproblemen zu erzählen. Auch umgekehrt ist es nicht hilfreich, mit dem Nachwuchs zu prahlen. Wer die vermeintlich hochintelligenten Äußerungen seiner Vorzeigekinder permanent rezitiert, wirkt schnell unsympathisch.

Außerdem darf man davon ausgehen, dass sich Kollegen nur begrenzt für Ballettauftritte oder Fußballturniere der Kinder interessieren. "Wenn man im Beruf ernst genommen werden möchte, ist es wichtig, dass man eine klare Grenze zwischen Beruflichem und Privatem zieht", sagt Fiedler.

Auch die Büroeinrichtung beeinflusst, wie man von Kollegen gesehen wird

Das gilt auch für die Gestaltung des Büros. An den Wänden stolzer Eltern hängen oft Fingerfarben-Gemälde, und der Bildschirmhintergrund zeigt eine glückliche Kleinfamilie beim Paddeln. Das wirkt nett und sympathisch - nur leider nicht besonders professionell.

"Auch die Büroeinrichtung hat einen Einfluss darauf, wie man von anderen Mitarbeitern, Kunden oder Auftraggebern wahrgenommen wird", sagt Imageberaterin Fiedler. "Ein einzelnes selbst gemaltes Bild ist eine Einladung zum Smalltalk. Ein buntes Potpourri aus Gebasteltem und Fotos wirkt am Arbeitsplatz dagegen eher irritierend."

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