“Der bringt's nicht“, heißt es schnell über einen Mitarbeiter. Aber mitunter macht ihn die Firma selbst erst zum sogenannten Lowperformer.

Abendblatt: Was halten Sie von der Bezeichnung Minderleister oder Lowperformer? Viele empfinden sie als herabwürdigend.

Gabriele Busch: Diese Begriffe sind die Personifizierung eines Problems. Eigentlich wäre es korrekt, von Minderleistung zu sprechen. Aber es gibt eben die Neigung, Menschen Etiketten anzuhängen. Andererseits gibt es tatsächlich Mitarbeiter, die nicht das leisten, wofür sie bezahlt werden. Und manchmal ist es auch das Unternehmen, das eine Minderleistung gegenüber den eigenen Mitarbeitern bringt.

Abendblatt: Das heißt, die Arbeitsbedingungen stimmen nicht?

Busch: Genau. Wenn wir zum Beispiel einen Vertriebler angucken, von dem es heißt, er bringe die Vertriebsleistung nicht, dann ist das eine sehr pauschale Aussage. Was genau bringt er nicht? Wofür ist er überhaupt eingekauft worden? Wie sieht seine Stellenbeschreibung aus? Da ist vielleicht schon ein Mangel von Seiten des Unternehmens spürbar. Nämlich: Sind denn die Anforderungen eindeutig definiert worden? Gibt es Tätigkeits- oder Anforderungsprofile? Vielleicht lag die schlechte Leistung schon in der Personalauswahl, wenn statt mit standardisierten Interviews nach Sympathie entschieden wurde - und darum einfach nicht die richtige Person auf dem Posten sitzt.

Abendblatt: Gibt es weitere Fehler auf Firmenseite, die jemanden zum Lowperformer machen?

Busch: Es hapert häufig an der Führung. Da werden Zielvereinbarungen unklar formuliert. Oder der Vorgesetzte beschreibt die Aufgaben nicht eindeutig. Wenn meine Führungskraft nicht klar kommuniziert, arbeite ich als Mitarbeiter irgendwohin - aber nicht in die Richtung, in die die Führungskraft will. Es ist erschreckend, wie wenig Führungskräfte direkt mit ihren Mitarbeitern über Anforderungen und Aufgaben diskutieren. Gerade in mittleren und kleineren Firmen sind Zielvereinbarungsgespräche, insbesondere verhaltensorientierte, zum Teil völlig unüblich. Da wird immer so weggearbeitet, wie es gerade kommt. Aber Mitarbeiter brauchen Klarheit über die Ziele, um eine faire Chance zu haben, sich leistungsorientiert aufzustellen.

Abendblatt: Was raten Sie denn jemandem, der merkt, dass er als Minderleister gilt?

Busch: Die Frage ist erst mal, ob derjenige überhaupt weiß, dass er als Minderleister gilt! In vielen Fällen nicht. Viele Führungskräfte haben nämlich Angst vor unangenehmen Gesprächen, in denen sie Kritik äußern müssten. Wenn der angebliche Minderleister aber merkt, dass mehr oder anderes von ihm erwartet wird, sollte er unbedingt das Gespräch mit dem Vorgesetzten suchen und fragen, was er verändern kann und wie die konkreten Anforderungen an ihn sind. Und er sollte einfordern, dass er vom Unternehmen alle nötigen Arbeitsmittel dafür bekommt - also Informationen, Programme, Personal, was er eben dafür braucht, seine Arbeit richtig zu machen.

Abendblatt: Aber es gibt doch wirklich Leute, die trotz guter Bedingungen ihre Leistung nicht bringen ...

Busch: Ja, es gibt tatsächlich Minderleister. Das ist Fakt. Leute, die ihren Job einfach nicht machen, weil sie uninteressiert sind, faul sind, die die Schwächen von Führungskräften ausnutzen und gelernt haben, dass es wunderbar ist, Kollegen für sich einzuspannen. Auch von Juristen ist Minderleistung übrigens definiert als "geringe Arbeitsmenge". Gemeint sind aber nicht die Langsamen! Wenn ein Buchhalter langsam, aber sehr sorgfältig ist, bringt er dennoch seine Leistung. Andere Definitionen sprechen von "Schlechtleistung" oder "Fehlleistung" und meinen, dass entweder die Menge, aber nicht die Qualität der Arbeit stimmt oder dass die falsche Leistung erbracht wird - und das immer wieder. Jeder darf natürlich mal Fehler machen.

Abendblatt: Und was würde der ideale Vorgesetzte mit einem Minderleister machen?

Busch: Fällt jemand durch dauerhaft mindere Leistung auf, sollte man erst mal gucken, ob man diesem Menschen nicht unrecht tut, bevor man mit der Härte des Arbeitsrechts zuschlägt. Viele Firmen sind heute doch in permanenter Umstrukturierung - und dabei werden Mitarbeiter oft auf Stellen versetzt, für deren Aufgaben sie nicht eingestellt wurden. Das Unternehmen muss diese Leute unterstützen, indem es sie einarbeitet und gegebenenfalls mit Weiterbildung unterstützt. Dann wird man einen guten Teil der Fehleinschätzungen "Minderleister" ausmerzen können.

Abendblatt: Und wenn es keine Entschuldigung dafür gibt, dass der Mitarbeiter nicht das bringt, was er sollte?

Busch: Dann wird es ernst, und der Vorgesetzte muss ihn zum Gespräch bitten. Und damit sollte er nicht zu lange warten. Manchmal höre ich von Führungskräften: "Ich sage ihm schon seit zwei Jahren immer wieder, dass er sich mehr Mühe geben soll." Aber spätestens nach dem dritten Gespräch nimmt der Mitarbeiter die Warnungen der Führungskraft doch gar nicht mehr ernst, wenn keine Konsequenzen folgen. Man muss deutlich sagen: "Ich erwarte, dass Sie sich so und so verhalten." Und man muss seine Kritik immer mit einem konkreten Beispiel belegen können.

Abendblatt: Und wenn sich nach dem ersten Gespräch nichts ändert?

Busch: Dann führt man ein zweites. Hilft das nicht, kann man abmahnen und dann kündigen.