Die Arbeitsmarktexpertin der afg worknet gibt Tipps für die Jobsuche. Wer über 50 ist, findet leichter eine Anstellung, wenn er sich initiativ bewirbt.

Abendblatt: Wenn jemand mit über 50 arbeitslos wird - wie sind seine Chancen, einen Job zu finden?

Elke Miersch: Wir machen die Erfahrung, dass die Arbeitsuche für Ältere langsam wieder leichter wird, dass Unternehmen angesichts des demografischen Wandels tatsächlich umdenken. Das ist natürlich kein Trost für jemanden, der arbeitslos wird. Und im Vergleich zu 20-Jährigen, ist es für ältere Arbeitssuchende immer noch schwieriger.

Abendblatt: Gibt es Bereiche, die aussichtsreicher sind?

Miersch: Fachkräfte habe es generell ein bisschen leichter. Vor allem im Pflegebereich werden gerade sehr viele examinierte Krankenschwestern und -pfleger sowie Alterpfleger gesucht. Im medizinischen Helferbereich werden auch Ältere eingestellt. Über die Weiterbildung "Freiraum" zum Beispiel kann man dort als Quereinsteiger Fuß fassen. Bewerbungen bei kleineren Firmen sind für Ältere übrigens meist Erfolg versprechender. Diese suchen Mitarbeiter eher mal nach Bauchgefühl aus.

Abendblatt: Firmen behaupten oft, sie nehmen auch ältere Bewerber. Tatsächlich werden dann aber doch nur Leute bis 45 eingestellt. Machen Sie diese Erfahrung nicht?

Miersch: Das ist sehr abhängig von der Branche. Und davon, wie man an die Bewerbung herangeht. Der öffentliche Stellenmarkt ist für Ältere schwierig zu erreichen. Sie sollten vor allem an den verdeckten Stellenmarkt herangehen und sich initiativ bewerben. Man sagt, etwa zwei Drittel der Stellen werden nicht ausgeschrieben, sondern über Netzwerke oder intern vergeben.

Abendblatt: Also muss man Kontakte knüpfen?

Miersch: Das gehört zur Strategie. Genauso wie man sich vorab mit seinen Stärken, Interessen und Fähigkeiten auseinandersetzt, um einen passenden Arbeitgeber zu finden. Aber zu den Netzwerken: Sie sind ganz wichtig! Viele scheuen davor zurück, ehemalige Arbeitgeber oder Kollegen anzusprechen. Aber die Erfahrung zeigt: Alte Kontakte aufzufrischen bringt viele wirklich weiter. Wenn man nicht gerade im Streit auseinandergegangen ist, helfen Arbeitgeber ehemaligen Angestellten meist gern. Man sollte auch im Bekannten- und Freundeskreis gezielt nach Unterstützern suchen. Dafür, dass man einen Job sucht, muss man sich nicht schämen.

Abendblatt: Was, wenn man den Mut verliert?

Miersch: Ich weiß, wie schwer es ist, Absagen nicht persönlich zu nehmen. Die Schwierigkeit ist, jede Bewerbung als Neuanfang zu sehen und in Anschreiben und Vorstellungsgespräch einen motivierten Eindruck zu erwecken. Kein Arbeitgeber stellt jemanden ein, der negativ rüberkommt. Es kann helfen, sich einer Gruppe anzuschließen, in der man gemeinsam Bewerbungsstrategien erarbeitet und sich Mut macht. Die findet man zum Beispiel über Beratungsstellen, wie das CeBB, das Centrum für Bildung und Beruf, eine Anlaufstelle für über 45-jährige Arbeitslose. Die Beratung ist kostenlos, weil sie über den Europäischen Sozialfonds finanziert wird. Wer Arbeitslosengeld II erhält, kann sich auch an das Projekt mitnmang, Initiative für Arbeit 50plus, wenden, wo Langzeitarbeitslose neun Monate lang Beratung, Coaching und Weiterbildung bekommen und vermittelt werden. Wir haben eine Erfolgsquote von etwa 30 Prozent.

Abendblatt: Und wenn man sich keiner Gruppe anschließen will?

Miersch: Dann sollte man sich seinen Lebenslauf wenigstens mal aus anderer Perspektive ansehen und sich vor Augen führen, was man schon alles geschafft hat. Konzentrieren Sie sich nicht immer wieder auf die negativen Seiten! Außerdem rate ich dazu, eine Bewerbung als Projekt zu sehen und sich einen Projektplan zu machen: Man schreibt auf, was man zu welchem Zeitpunkt geschafft haben will, zum Beispiel zehn Bewerbungen geschrieben, fünf Arbeitgeber angesprochen ... Damit teilt man den Prozess in kleine Schritte auf, die leichter zu erreichen sind als das große Ziel, einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben.

Abendblatt: Wenn man lange keine Bewerbung geschrieben hat - wie fängt man es an?

Miersch: Es gibt viele gute Bücher dazu. Die Gefahr aber ist, dass man anfängt, die dort vorgeschlagenen Satzbausteine zu kopieren. Das erkennen die Personaler, und das macht keinen guten Eindruck. Man muss darauf achten, dass die Bewerbung individuell bleibt. Beim Lebenslauf ist die Übersichtlichkeit wichtig. Man muss nicht alle beruflichen Stationen ausführlich darstellen, sondern vor allem die, die für die angestrebte Stelle relevant sind.

Abendblatt: Soll man sein Alter im Anschreiben thematisieren? À la "Ich bin zwar schon 53, aber dafür habe ich folgende Erfahrungen ..."

Miersch: Nein, das Alter nennt man nicht explizit im Anschreiben. Der potenzielle Arbeitgeber muss ja sehen, dass der Bewerber motiviert ist. Jemand, der sich durch Misserfolge hat runterziehen lassen - was durch so eine Formulierung ersichtlich wird - kommt nicht gut an.