Lehrer, Referenten oder Mitarbeiter im Callcenter strapazieren ihre Stimmbänder oft viel zu sehr.

Die Stimme jedes Menschen ist einmalig. Sie kann sympathisch klingen, kratzig oder sexy. In ihr kann der Brustton der Überzeugung mitschwingen oder große Unsicherheit. Lässt sie einen im Stich, dann kommt das im Berufsleben einer Katastrophe gleich: Telefonate, Vorträge und die Kommunikation mit Kollegen werden schwer bis unmöglich.

"Stimmprobleme treten weitaus häufiger bei Menschen auf, die älter als 40 sind", erklärt die Berliner Hals-Nasen-Ohren-Ärztin Ursula Hübenthal-Mathe. "Das liegt daran, dass die Stimm-Muskulatur im Lauf des Lebens erschlafft."

Eine gute Stimme braucht Übung: "Niemand würde freiwillig an einem 10 000-Meter-Lauf teilnehmen, ohne vorher trainiert zu haben. Ihrer Stimme tun viele Menschen etwas Vergleichbares an", sagt Stimmtrainerin Eva Loschky aus München. In den USA ist Stimmtraining ein verbindlicher Teil der pädagogischen Ausbildung. "Hier wird das Thema in der Lehrerausbildung nur angerissen", kritisiert der Hamburger Stimm- und Führungscoach Matthias Kirbs. Das sei nicht nur für die Pädagogen selbst ein Problem: "Kinder hören nicht zu, wenn man keine präsente Stimme mit Volumen und Klang hat", erklärt der Trainer. Und wie sollten sie dann etwas lernen.

Studien zufolge erkranken fast 60 Prozent der deutschen Lehrer wenigstens einmal im Leben an einer Stimmstörung, die sie arbeitsunfähig macht. Auch die Mitarbeiter von Callcentern, Schauspieler, Sänger, Aerobic-Trainer, Barkeeper, Erzieher und andere Berufsgruppen, die häufig laut sprechen müssen, sind überproportional häufig von Heiserkeit betroffen.

Oft beginnen Stimmprobleme mit einem harmlosen Infekt. Fieber und Schnupfen haben sich schon lange verflüchtigt, während die Stimme weiterhin krächzt und knarrt. "Bei Heiserkeit sollte man dringend eine Sprechpause einlegen", rät Eva Loschky, die jahrelang als Logopädin gearbeitet hat. "Räuspern hilft bei einem sogenannten Frosch im Hals überhaupt nicht. Im Gegenteil, das ist regelrechter Stimmmissbrauch." Flüstern sei aber auch keine Lösung: Dabei werde nur ein kleiner Teil der Stimmlippen beansprucht, der dann allerdings Schwerstarbeit leisten müsse. Darüber hinaus reagiert der Körper aufs Räuspern mit einem unerwünschten Effekt: Es wird noch mehr Schleim produziert. So kann ein Teufelskreis entstehen, der zu einer schwächlichen Stimme und wachsender Heiserkeit führt.

Will man als Vielredner seine Stimme trainieren, rät Matthias Kirbs zu entsprechenden Übungen, am besten täglich und zum Einstimmen auch noch einmal direkt vor dem anstehenden Vortrag oder der nächsten Schicht im Callcenter. Eine der einfachsten Übungen: Ein lang gezogenes "Hmmm" summen. "Das ist gut für den Stimmklang", erklärt Kirbs. "Stellen Sie sich dabei Ihr Lieblingsessen vor - und erlauben Sie sich, es zu genießen." Kirbs zweiter Tipp für einen flüssigen und ausdrucksstarken Vortrag: "Machen Sie Geläufigkeitsübungen." Zum Beispiel diese: "Pappplakate - Plakatkleber - Plakatkleber - Pappplakate". Und das klar in der Aussprache, mehrfach und schnell hintereinander.

Ein echter Stimm-Killer ist das Rauchen. Die Zigarette vor dem Vortrag - um "die Nerven zu beruhigen" - ist also das Falscheste, was man machen kann. Und dann? Wenn man vor Publikum steht und der Frosch einem im Hals steckt? "Nicht räuspern, sondern schlucken", sagt Stimmtrainer Kirbs. Allerdings rät er dringend dazu, sich vorzubereiten, um schon mit möglichst schleimfreien Stimmbändern in seine Rede zu starten. Das gelinge mit den genannten Übungen.

Neben aller technischen Vorbereitung ist eines aber auch wichtig: "Ich muss eine Sprechabsicht haben", sagt Trainer Matthias Kirbs. "Eine präsente Stimme zu haben ist auch eine Einstellungssache." Denn nicht immer stecken medizinische Gründe oder äußere Einflüsse dahinter, wenn man plötzlich vor versammelter Mannschaft keinen Ton mehr herausbringt. "Die Begriffe ,Stimme' und ,Stimmung' haben den gleichen Wortstamm, die Stimme gibt auch Auskunft über die aktuelle Gefühlslage", erklärt Hals-Nasen-Ohren-Ärztin Ursula Hübenthal-Mathe.

Auch Angst und Unsicherheit können sich also auf die Dauer negativ auf das Sprachvermögen auswirken. Bei Stress und Anspannung bemerken viele Menschen, dass sie einen trockenen Mund bekommen. Der gleiche Effekt tritt, meist unbemerkt, im Hals ein. Die Stimmlippen werden nicht ausreichend mit Flüssigkeit versorgt und können nicht mehr schwingen. Die Stimme klingt schlapp.

"Ein typischer Fehler, der durch emotionale Anspannung und Stress entsteht: Der gesamte Unterleib ist wie zugeschnürt, das Zwerchfell kann sich nicht mehr richtig bewegen, der Atem wird knapp und flach, der Hals schnürt sich zu", erklärt Stimmtrainerin Loschky. Aus diesem Grund klingt die Stimme, der wichtiger Resonanzraum fehlt, bei Unsicherheit, Aufregung oder Angst dünn und gepresst. In solchen Situationen wird der Stimmapparat über Gebühr beansprucht.

Häufen sich solche Strapazen womöglich jahrelang, so können sich Knötchen auf den Stimmlippen bilden. Ein ambulanter chirurgischer Eingriff muss dann Abhilfe schaffen. "In den meisten Fällen reicht allerdings eine Kurzzeit-Therapie bei einem Logopäden, um auch hartnäckige Stimmprobleme wieder in den Griff zu bekommen", sagt Hübenthal-Mathe. "Ohne professionelle Anleitung ist es dagegen für Laien sehr schwierig, Stimmprobleme in den Griff zu bekommen."