Pro Stunde macht jeder von uns zwei bis fünf Fehler. In deutschen Firmen wird leider oft nicht offen damit umgegangen.

Manchmal muss man sich eine Blöße geben, um zum Ziel zu kommen. Etwa, wenn ein koreanischer Gesprächspartner Angst hat, sich zu blamieren, wenn er Englisch spricht. "Ich versuche dann mit meinen drei Brocken Koreanisch das Eis zu brechen", sagt Agnes Jarosch, Leiterin des Deutschen Knigge-Rates. Mit dieser Taktik schafft es die Etikette-Trainerin, ihre Gesprächspartner aus der Reserve zu locken, und oft beginnt danach eine lebhafte Konversation. Das ist nicht immer einfach, schließlich sei in Asien die Angst, durch Fehler das Gesicht zu verlieren, besonders groß, sagt Jarosch, die in Stuttgart und Seoul, der südkoreanischen Hauptstadt, lebt und arbeitet. Über Fehler wird nicht geredet.

Doch auch in Deutschland ist es keinesfalls selbstverständlich, Fehler zuzugeben oder als Teil des Lebens zu begreifen. Ob im Privaten oder im Job: In Deutschland werden Fehler kaum toleriert - es darf einfach nichts schiefgehen. Das ist ehrgeizig und hat unter anderem dazu geführt, dass deutsche Produkte weltweit für ihre Qualität bekannt sind. Doch diese Haltung setzt auch einen Schlussstrich: Über Fehler wird nicht geredet. "Während in den USA Fehler ganz klar als Bestandteil eines Entwicklungsprozesses angesehen werden, sind sie in Deutschland immer noch vorwiegend negativ besetzt", sagt Peter Hochreither, Autor des Buches "Erfolgsfaktor Fehler".

Dabei waren viele der größten Entdeckungen der Menschheit ursprünglich Misserfolge. Etwa als Alexander Fleming 1928 die Petrischalen mit seinem Staphylokokken-Experiment während des Urlaubs auf einem Tisch im Labor stehen ließ. Er hatte vergessen, sie in den Kühlschrank zu stellen. Die Proben waren mit einer Schimmelkultur verdorben. Als Fleming den Pilz genauer unter die Lupe nahm, bemerkte er, dass um ihn herum keine Bakterien überlebten. Und entdeckte so das Penicillin.

Zwei bis fünf Fehler macht jeder Mensch. Pro Stunde. Dies ist das Ergebnis eines Forschungsprojekts der Justus-Liebig-Universität in Gießen unter der Leitung des Organisationspsychologen Michael Frese. Die meisten Fehler, etwa wenn man sich verschreibt oder sich verspricht, bleiben ohne Wirkung. Doch ein kleiner Prozentsatz hat große Konsequenzen.

Umso wichtiger ist es daher, sich zu überlegen, wie mit Fehlern im betrieblichen Alltag umgegangen werden sollte. Zuerst heißt es, Prioritäten zu setzen. "Wir müssen einschätzen, wo es wirklich darauf ankommt, dass wir eine perfekte Leistung bringen", sagt Agnes Jarosch. In den meisten Fällen könne man schon mit guten und befriedigenden Leistungen zufrieden sein.

Die eingesparte Zeit und Energie stehe dann für die wirklich bedeutenden und wichtigen Aufgaben und Aktivitäten im Betrieb zur Verfügung. Für überdurchschnittliche Leistungen bei wichtigen Präsentationen, Reden oder Bewerbungsgesprächen. Für bedeutsame Aufgaben und Entscheidungen, die schwerwiegende Konsequenzen haben könnten.

Wer aus Angst vor Fehlern nun möglichst überhaupt keine Entscheidungen mehr fällt, lähmt seine Kreativität und verhindert Innovation. Im Wirtschaftsleben drückt sich dies unmittelbar in Umsatz und Gewinnen aus. So wirtschaften Firmen mit einer positiven Fehlerkultur schlichtweg profitabler.

Seit Jahren etwa arbeitet die japanische Firma Toyota mit dem Konzept, dass nicht derjenige mit Sanktionen rechnen muss, der einen Fehler macht, sondern derjenige, der ihn vertuscht, anstatt ihn offenzulegen.

Je schneller man reagiert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fehler noch in einen Erfolg umgemünzt werden kann. Schweigt man hingegen und steckt den Kopf buchstäblich in den Sand, kann das Drama seinen Lauf nehmen.

Gerade Führungskräfte aber scheuen davor zurück, sich selbst angreifbar zu machen, indem sie Fehlentscheidungen zugeben. Dabei sind nach einer Studie der Wirtschaftsauskunftei Creditreform in über 70 Prozent aller Insolvenzen Managementfehler die Ursache.

"Fehlermanagement kann nur funktionieren, wenn sich die Führungsebene nicht davon ausschließt", sagt deshalb auch Unternehmensberater Peter Hochreither. Wie sonst könnten Mitarbeiter echtes Vertrauen in die Fehlerkultur des Unternehmens aufbauen?

Doch die Realität sieht häufig anders aus. Ein Beispiel aus der Praxis: Das falsche Produkt wird zum falschen Zeitpunkt mit dem falschen Marketing und zu hohen Kosten auf dem Markt eingeführt. Jeder im Unternehmen weiß es, doch trotzdem hüllen sich alle in Schweigen. Und je länger damit gewartet wird, das Ruder herumzureißen, desto weniger ist die Maschinerie innerhalb eines Unternehmens tatsächlich noch zu stoppen.

Deshalb gehört es zu einem guten Fehlermanagement, umgehend eine Antwort auf folgende Fragen zu finden: Was ist genau schiefgelaufen? Welche Bereiche sind von dem Fehler betroffen? Wer muss umgehend in Kenntnis gesetzt werden?

Zudem solle man sich am besten gar nicht erst mit Vorhaltungen und der Suche nach Schuldigen aufhalten, sagt Beraterin Agnes Jarosch. Schließlich sind nun, wo der Fehler einmal passiert ist, die Kreativität und das Engagement aller Beteiligten gefragt. Dabei sollte die Suche nach Lösungen im Vordergrund stehen. Denn mit Nachlässigkeit hat so eine Kultur im Unternehmen nichts zu tun. Wer allerdings immer wieder Fehler wiederholt, der muss sich fragen, ob er seinen Aufgaben noch gewachsen ist. Und dann im Zweifelsfall auch für seine falschen Entscheidungen geradestehen.