Kurzarbeit, aber keine Entlassungen - wie es gelang, den Heizungsbauer Dallmann zu retten.

Abendblatt: Sie waren letztes Jahr noch die Buchhalterin der Firma Dallmann - Heizungsbau- und Sanitärtechnik, jetzt sind Sie die Chefin. Wie kam das?

Brigitte Grafke: Ich hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt, mich selbstständig zu machen - habe aber trotz vieler Weiterbildungen eben als Basis "nur" eine Ausbildung zur Bürokauffrau. Darum begann ich, mich mit einer Ausbildung zur Betriebswirtin an der Handwerkskammer Hamburg auf die Selbstständigkeit vorzubereiten. Dallmann zu übernehmen kam für mich aber eigentlich nicht infrage - da wollte der Seniorchef seinen Sohn sehen. Die Firma musste allerdings im Frühjahr 2008 Insolvenz anmelden. Parallel absolvierte ich also meine Ausbildung zur Betriebswirtin - und bewarb mich bei der Insolvenzverwalterin um den Kauf der Firma.

Abendblatt: Und Sie haben den Zuschlag bekommen?

Grafke: Ja! Die Firma hatte gute Kunden, die uns auch treu blieben. Und als provisorische Geschäftsführerin konnte ich allen beweisen, dass die Firma Potenzial hat - wenn man sie richtig führt. Obwohl das natürlich ein hartes Programm war: die Firma wieder auf die Beine bringen und gleichzeitig studieren. Aber meine Familie - Mann und vier Töchter - stand total hinter mir. Und ich konnte das betriebswirtschaftliche Wissen aus der Ausbildung gleich praktisch anwenden. Das war super!

Abendblatt: Wie geht es Ihnen mit der Krise?

Grafke: Wir mussten fünf Monate Kurzarbeit machen. Aber entlassen musste ich von den sechs Mitarbeitern keinen. Jetzt haben wir seit drei Monaten wieder Vollbeschäftigung, und ich habe sogar noch einen Meister eingestellt. Für die nächsten Monate plane ich, den Ausbilderschein zu machen. Dann können wir ab nächstem Jahr auch einen kaufmännischen Azubi einstellen.

Abendblatt: Gab es bei der Übernahme Schwierigkeiten mit den Mitarbeitern?

Grafke: Natürlich lief nicht alles reibungslos. Aber ich wusste aus der Ausbildung schon, dass eine Gründung verschiedene Phasen durchläuft - und dazu gehört eben auch das Zusammenraufen mit den Mitarbeitern. Für mich war es wichtig zu wissen: O.k., wir stecken gerade in dieser Phase, und ich kann so und so gegensteuern. Wenn ich dieses Wissen nicht gehabt hätte, hätte ich einen Unternehmensberater engagieren müssen. Der hätte mich viel Geld gekostet. Und ich hätte mich auf sein Urteil verlassen müssen. Aber so konnte ich die Situation selbst beurteilen. Und das hat natürlich auch das Vertrauen der Mannschaft in die neue Chefin gestärkt. Das sind Männer, die sind 20, zum Teil 30 Jahre in dieser Firma.

Abendblatt: Die Generationen 40 und 50plus ...

Grafke: Ja, manche Außenstehende haben auch gesagt, "Meine Güte, welche Kündigungsfristen haben die, und du hast sie jetzt an der Backe ..." Das stimmt. Wenn man einen Betrieb kauft, kauft man auch die Mitarbeiter - mit allen Konsequenzen. Aber das darf man nicht negativ sehen. Diese Männer haben unheimlich viel Erfahrung, kennen die Baustellen, denen muss ich nicht hinterherlaufen, denen muss ich nichts erzählen. Und sie sind solidarisch: Wir mussten das Weihnachtsgeld streichen. Das war echt hart für sie, aber sie haben es mitgetragen.

Abendblatt: Wenn Sie vergleichen, wie früher das Personal geführt wurde und wie Sie es tun - wo sind da die Unterschiede?

Grafke:

Ich führe kooperativ. Dadurch ist auch das Verhältnis zwischen Mitarbeitern und Geschäftsführung besser geworden. Und ich kümmere mich stärker um die Belange der Mitarbeiter. Zum Beispiel habe ich regelmäßige Personalgespräche eingeführt und biete meinen Mitarbeitern an, Weiterbildungen zu besuchen.

Abendblatt: Was raten Sie jemandem, der auch darüber nachdenkt, eine Firma zu übernehmen?

Grafke: Betriebswirtschaftliche Kenntnisse sind unbedingt wichtig. Zum Beispiel, weil Firmen, die man von einem alten Handwerksmeister übernimmt, oft zu teuer sind. Denn die Altmeister sehen das als ihr Lebenswerk und bewerten ihr Unternehmen aufgrund der 30 oder 40 Lebensjahre, die sie in die Firma gesteckt haben, zu hoch. Außerdem wird man heutzutage bei Banken oft ganz schnell überfahren. Mal ist der Zinssatz für Kredite zu hoch, mal wird versucht, Gründungsinteressierten noch irgendwelche Versicherungen anzudrehen. Wer nicht betriebswirtschaftlich vorgebildet ist, der geht in eine Bank rein und glaubt, die haben recht! Ich dagegen rede mit dem Banker nicht über die Konditionen, die er mir anbietet, sondern ich sage ihm, wie ich mir das vorgestellt habe, und frage ihn, ob er diesen Weg begleitet. Das bringt mich in eine ganz andere Position. Und wenn man kein betriebswirtschaftliches Studium hat, dann sollte man zumindest ein Gründerseminar besucht haben. Sonst kann man ganz schnell auf die Nase fallen.