Deutschland sei keine Servicewüste, meint die Inhaberin der Wempe KG.

Abendblatt:

Frau Wempe, wie läuft das Geschäft mit Uhren und Schmuck?

Kim-Eva Wempe:

Wir schneiden besser ab als der Markt, und wir stehen besser da, als wir erwartet haben. Anlässe wie Hochzeit oder Abitur, zu denen man sich etwas gönnt und die mit schönen Emotionen zu tun haben, gibt es trotz der Wirtschaftskrise.

Abendblatt:

Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis als Geschäftsführerin?

Wempe:

Seit etwa sechs Jahren folgen wir dem als Leitsatz formulierten Anspruch "Wempe gestaltet die Kultur der Branche". Als Gefühl war das schon vorher da. Denn wir spüren eine Verantwortung für unser Geschäft. Das trägt sich von einer Generation in die nächste weiter. Wir haben wenig Fluktuation in unserem Unternehmen, Werte können sich langfristig aufbauen. Wir lieben diese Branche. Wir drehen an Schrauben, an denen andere nicht unbedingt drehen. Und wir streben nach qualitativer Marktführerschaft.

Abendblatt:

Was ist denn die wichtigste Stellschraube?

Wempe:

Dass man begreift, warum Menschen eigentlich zu uns kommen. Deshalb suche ich für meine Geschäfte Menschen, die unseren Leitsatz verstehen und leben. Menschen, die das nicht verstehen, sind bei mir falsch. Es ist bei uns wichtiger, darüber zu sprechen, was der Anlass ist. Erst dann kommt das Produkt. Kultur gestalten ist eben nicht nur Handel treiben, sondern auch Liebe zum Kunden, zum Produkt und Liebe zum Werterhalt. Das alles zusammen ist bedeutsam.

Abendblatt:

Sind Familienunternehmen anders geführt als Konzerne?

Wempe:

Bis vor zehn Jahren hätte ich mit Überzeugung ja gesagt. Mittlerweile hat mich die Erfahrung gelehrt, dass beileibe nicht jedes Familienunternehmen gut geführt ist. Ich glaube, Familienunternehmen haben riesige Chancen, die andere Unternehmen nicht haben. Wenn man es richtig macht, ist ein Familienunternehmen bestimmt anders als börsennotierte Konzerne. Aber dafür ist es wichtig, dass sich die Familie einig ist und die Werte der Firma nicht nur von Generation zu Generation weitergetragen, sondern auch den Marktbedingungen angepasst werden.

Abendblatt:

Wie entwickeln Sie Ihr Unternehmen weiter?

Wempe:

Unsere Formel dazu lautet: zum Vorteil des Kunden. Dafür bin ich viel in den Niederlassungen unterwegs. Auch wenn wir in der Zentrale etwas planen, sind immer Mitarbeiter aus den Niederlassungen dabei. Das Prinzip habe ich von meinem Vater übernommen. Ganz wichtig sind mir auch Gespräche mit Kunden. Wenn man so lange im Geschäft ist, ist es gut, die Kunden zu fragen, ob das, was wir denken, auch tatsächlich so bei ihnen ankommt.

Abendblatt:

Was halten Sie von dem Ausspruch "Deutschland ist eine Servicewüste"?

Wempe:

Ich habe eine ganz andere Meinung. Häufig darf Amerika als positives Beispiel herhalten. Das erlebe ich auch als höflich und nett. Aber beim leichtesten Problem ist oft Hilflosigkeit angesagt. In dem Moment, wo ein Problem auftritt, hören Sie: "I can't help you, I'm so sorry!" Deshalb empfinde ich nicht, dass in Amerika der Service so wahnsinnig toll ist und bei uns so schlecht. Ich habe viel lieber einen kompetenten Gesprächspartner. Der muss mir nicht um den Hals fallen. Der soll mir eigentlich nur kompetent einen Schritt weiterhelfen. Deshalb finde ich den Ausspruch von der Servicewüste Deutschland nicht stimmig.