Man muss authentisch sein und seinen Führungsstil der Situation anpassen.

Welche Führung braucht der 600-Kilogramm-Friesenwallach Michel? Michel ist imposant und wirklich Respekt einflößend. Neben ihm fühlt man sich klein und irgendwie unbedeutend. Außerdem ist er der Chef einer kleinen Pferdeherde. Das macht die Aufgabe nicht leichter. Wann aber folgt er? Und wem? Welche Eigenschaften und welche Führungsstärke muss ihm der Mensch vermitteln? Und welche Führung ist bei Nemo wirksam, der in der Rangfolge der Herde weit unten steht? Um diese Fragen geht es bei dem Tages-Seminar "Von der Führungskraft zur Führungspersönlichkeit", zu dem Die Pferdeakademie die zehn Gewinnerfirmen des Wettbewerbs "Hamburgs beste Arbeitgeber" eingeladen hat. Die Teilnehmer sind Personalmanager und Führungskräfte der Unternehmen, darunter Ernst & Young, MLP und Top in Time. Es geht auch um die Fragen: Wie führe ich selbst und welche Erkenntnisse kann ich aus dem Seminar in meinen Berufsalltag mitnehmen?

Beherzt greift Silvia (35) den Strick und führt Friesenstute Tiada um die aufgebauten Hindernisse herum. Matthias (51) hat mit zwei Pferden die Strecke fast geschafft, als Michel plötzlich stehen bleibt und keinen Schritt weitergeht. Was nun? Der 51-Jährige Firmenchef lässt den Wallach zurück und bringt zunächst Nemo ins Ziel. Erst danach holt er Michel ab. Der Herdenchef folgt bei dieser Extrabehandlung ohne zu zögern. Es geht bei der Arbeit mit den Pferden um Respekt, Achtsamkeit und Vertrauen.

Alles geschieht an dem Tag vom Boden aus. Die Pferde sind Trainingspartner, die menschliches Verhalten und Auftreten spiegeln. Dies geschieht ohne Worte, denn Pferde interessieren sich nur für das Nonverbale, nicht für Fakten, Inhalte oder gar für Statussymbole. "Mir kam es wie ein Schwertransporter vor", sagt Christian (28), nachdem er Tiada wie ein Gespann am langen Zügel von hinten um die Hindernisse geführt hat. Sein Fazit: "Ich kam mit den Zügeln nicht zurecht." Dass diese auch locker durchhängen können und das Pferd dennoch den Hindernisparcours fehlerlos bewältigt, stellt Marion mit Erstaunen auf dem Video fest, das den Teilnehmern gezeigt wird. "Ich übe dagegen mit meinen straffen Zügeln eine sehr starke Kontrolle aus, mache viel Druck und komme trotzdem zu keinem besseren Ergebnis." Ihre Erkenntnis: "Ich muss mehr loslassen, wenn ich die Richtung vorgegeben habe, und den anderen dann auch gehen lassen."

In welcher Führungssituation sie sich am wohlsten fühlen, möchte Seminarleiterin Verena Neuse von den Teilnehmern wissen. "Ich führe am liebsten aus dem Hintergrund, mache klare Ansagen und gebe die Richtung vor", sagt Andrea (33), "lasse dann meine Mitarbeiter aber auch machen." Sie ist Abteilungsleiterin mit sieben Mitarbeitern. Bald bekommt sie weitere fünf hinzu. Diese neue Situation, erfordert ein verändertes Führungsverhalten. "Ich muss dann aktiver von vorne führen."

In dem Seminar haben die Pferde den Teilnehmern ihre - oft unbewusste - Wirkung gezeigt. Führung wirkt, wenn Vertrauen und Respekt vorhanden sind. "Menschen sagen selten ehrlich, wie wir wirken. Das Pferd dagegen kennt keine Rollenspiele. Es agiert im Hier und Jetzt. Das macht seine Reaktion so unmittelbar", sagt Verena Neuse. "Unser Handeln muss immer authentisch sein, um andere zu überzeugen", sagt Matthias. Wie wirksam Führung sein kann, zeigt Herdenchef Michel. Der Wallach folgt Matthias von sich aus überallhin - ohne eine sichtbare Verbindung wie Zügel oder Strick.

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