Die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd soll im Zweifel selbst einen Konkurrenten übernehmen können.

Hamburg. Die Hamburger Linienreederei Hapag-Lloyd soll durch die geplante Kapitalerhöhung für mögliche Fusionsgespräche in den kommenden eineinhalb Jahren fit gemacht werden. Es sei ein zentrales Anliegen der Gesellschafter, bei der absehbaren weiteren Konsolidierung des Schiffsmarktes "selbst zu den übernehmenden Reedereien zu gehören und nicht zu jenen, die übernommen werden", sagte ein Insider dem Abendblatt.



Ziel sei es außerdem, den Sitz der Reederei trotz der extrem schwierigen Marktbedingungen langfristig in Hamburg zu halten. "In Krisenzeiten wie diesen muss man für alle Gespräche innerhalb der Branche offen sein. Ein Unternehmen wie Hapag-Lloyd kann mit einem Wettbewerber aber überhaupt nur dann sinnvolle Gespräche führen, wenn die Finanzen geordnet und stabil sind."

Gestern Abend informierte der Hamburger CDU/GAL-Senat das Parlament hinter verschlossenen Türen über die Lage bei Hapag-Lloyd. Die Stadt hält 23 Prozent an der Reederei. "Die Unternehmensberatungsgesellschaft Roland Berger, die mit der Analyse von Hapag-Lloyd beauftragt ist, hat in einem Zwischenbericht eine positive Einschätzung der Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft abgegeben. Das gibt uns die Chance, mit Rückenwind an einer guten Lösung zu arbeiten", sagte Finanzsenator Michael Freytag (CDU).Verhaltene Kritik kam von GAL-Fraktionschef Jens Kerstan. Er betonte, die Stadt stehe nur für eine gemeinsame Lösung mit den anderen Anteilseignern zur Verfügung. SPD-Finanzexperte Peter Tschentscher sagte, die SPD stehe zu Hapag-Lloyd. Das Engagement dürfe aber kein "Fass ohne Boden" werden.


Die Eigentümer von Hapag-Lloyd debattieren seit Wochen über die Finanzierung eines zusätzlichen Kapitalbedarfs von 1,75 Milliarden Euro. Mit diesem Geld soll der Betrieb des Unternehmens nach dem Plan des Vorstands wie auch der Unternehmensberatung Roland Berger bis Anfang 2011 gesichert sein. 300 Millionen Euro braucht die Reederei nach Abendblatt-Informationen bereits im August. Umstritten ist allerdings, ob sich die Gesellschafter jeweils analog zu ihren Anteilen an einer Kapitalerhöhung von rund 750 Millionen Euro beteiligen. Eine Milliarde Euro will die Reederei zudem in Form staatlich verbürgter Kredite aufnehmen.


Voraussetzung für Staatsbürgschaften ist aber, dass sich die Eigentümer zuvor auf die Kapitalerhöhung und deren Finanzierung einigen. 43 Prozent an Hapag-Lloyd gehören dem TUI-Konzern in Hannover, dem früheren Alleineigentümer. 15 Prozent hält der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne. Zum Konsortium Albert Ballin, das insgesamt 57 Prozent der Reederei-Anteile besitzt, gehören neben Kühne und der Stadt auch die Banken M.M. Warburg, die HSH Nordbank sowie die Versicherungen HanseMerkur und Signal Iduna.


Bislang gebe es keine "konkreten Fusionsgespräche", heißt es aus dem Umfeld von Hapag-Lloyd, der fünftgrößten Linienreederei weltweit. Als mögliche Gesprächspartner werden in der Branche die Reedereien NOL aus Singapur und CMA CGM aus Frankreich genannt. Dort äußerte man sich gestern nicht. NOL mit der sechstgrößten Containerlinie APL war 2008 mit einem Übernahmeversuch bei Hapag-Lloyd gescheitert.


"Als Partner von Hapag-Lloyd würde noch am ehesten NOL passen", sagte der Schifffahrts-Analyst Christian Obst von der Bank Unicredit dem Abendblatt. "Nach einer schon vollzogenen Kapitalerhöhung und mit dem Staat Singapur im Rücken hätte das Unternehmen nun die Möglichkeit, sich zu engagieren." CMA CGM, weltweit die viertgrößte Container-Linienreederei, hält Obst für weniger geeignet: "Bei den Franzosen spricht der hohe Orderbestand an Neubauten eher gegen einen Zukauf. Die Reederei betreibt derzeit 86 Schiffe und hat 42 mit gut derselben Kapazität zusätzlich geordert."


Praktisch alle großen Linienreedereien fahren derzeit hohe Verluste ein, bei Hapag-Lloyd waren es im ersten Quartal dieses Jahres 222 Millionen Euro. Der Grund dafür sind rückläufige Transportmengen und die niedrigen Transportpreise für die Container, die sogenannten Frachtraten. "Durch die bestellten Schiffsneubauten steigt die Transportkapazität noch einmal um 40 Prozent", sagte Analyst Christian Obst. "Die Reedereien haben so bestellt, als würde der Markt weiter jährlich um zehn Prozent wachsen. Daher dürfte die Phase niedriger Frachtraten länger andauern." Von weltweit rund 4700 Containerfrachtern liegen derzeit mehr als 500 ohne Ladung fest.


Aus dem Umfeld von Hapag-Lloyd heißt es, vordringlich gehe es darum, die Reederei eigenständig durch die Krise zu bringen. Ein massives Sparprogramm wurde bereits gestartet und könnte noch ausgebaut werden. Dazu zählen Einstellungsstopp, Gehaltsverzicht von Management und Abteilungsleitern, Kooperationen mit anderen Reedereien, Senkung der Reisekosten, Straffung der Liniendienste und Investitionsstopp. Bekannt ist bislang, dass Hapag-Lloyd damit die jährlichen Kosten um 400 Millionen Euro senken will. Auch deutliche Stellenstreichungen sowie ein Verzicht auf den Rückkauf der Konzernzentrale am Ballindamm, die derzeit TUI gehört, werden erwogen.


Offen ist aber, ob die Rationalisierungen Hapag-Lloyd ausreichend finanziellen Spielraum verschaffen.