Viele Banker nehmen offenbar die nächste Krise in Kauf: Die Spielregeln beim Zocken haben sich nicht wirklich geändert. Die Betrachtung einer Branche in Misskredit.

Hamburg. 4,3 Milliarden Dollar Gewinn in nur drei Monaten bei der Citigroup, 2,4 Milliarden Dollar verdiente die Bank of America im zurückliegenden Quartal: Angesichts der glänzenden Zahlen bei großen US-Geldhäusern reibt sich mancher verwundert die Augen und schaut ein zweites Mal hin, ob dies wirklich die aktuellen Zahlen sind und nicht etwa die des Jahres 2007, aus der Zeit vor der Finanzkrise. Denn es geht hier um Konzerne, die erst vor wenigen Monaten mit staatlichen Finanzspritzen im zweistelligen - und Bürgschaften im dreistelligen - Milliardenbereich gestützt werden mussten.

Doch zuletzt haben die US-Investmentbanken die verbesserten Geschäftsbedingungen durch historisch niedrige Leitzinsen und gelockerte Bilanzierungsvorschriften auch genutzt, um Staatshilfen wieder zurückzuzahlen. Jetzt wird klar, warum sie es damit so eilig hatten: Goldman Sachs wird 2009 voraussichtlich die höchsten Boni in der 140 Jahre langen Firmengeschichte zahlen. Im zweiten Quartal sind die Verdienste um 47 Prozent auf durchschnittlich gut 226 000 Dollar pro Mitarbeiter in die Höhe geschossen.

"Fatale Bonuszahlungen"

"Es ist aus meiner Sicht fatal, wenn Bankbeschäftigte wie bei Goldman Sachs ihr Gehalt durch Bonuszahlungen verdreifachen oder vervierfachen können", sagt Martin Faust, Bankenprofessor an der Frankfurt School of Finance and Management, dem Abendblatt. "Das schadet dem Image der Branche."

Manche Experten sehen es mit Sorge, dass die gleichen Mechanismen, die den Finanzsektor in die Krise geführt haben, nun schon wieder greifen. Zwar haben die US-Investmentbanken ihren aufsichtsrechtlichen Sonderstatus verloren, aber es wird hemmungslos weiterspekuliert - mit Währungen, Rohstoffen und sogar schon wieder mit den berüchtigten komplexen Kreditpapieren.

"Ein Umdenken hat es nicht gegeben", sagt Achim Tiffe, stellvertretender Direktor des Instituts für Finanzdienstleistungen in Hamburg. "Wir haben zwar viele schöne Worte von Bankern und von Politikern gehört, es ist aber fast nichts geschehen, um die Spielregeln zu ändern - und das bedeutet, dass man die nächste Krise in Kauf nimmt." Auch Martin Faust stellt fest: "Man fängt wieder an, Risiken aufzubauen." Doch schließlich gehöre das zum Geschäftsmodell: "Investmentbanken können nur hohe Renditen erzielen, wenn sie hohe Risiken eingehen."

Finanzkrise dezimiert Konkurrenz

Auf der anderen Seite klagen aber Unternehmen in Deutschland wie auch in den USA über zunehmende Schwierigkeiten, an Bankkredite zu kommen. Dabei hatten die Notenbanken rund um die Welt die Leitzinsen drastisch gesenkt, um genau dies zu verhindern. Offenbar nutzen Investmentbanken die niedrigen Zinsen auf ihre Weise: "Sie haben mit dem billigen Geld zum Beispiel Staatsanleihen bonitätsschwächerer Länder oder auch Kreditderivate gekauft und profitieren nun von dem großen Zinsabstand", sagt Faust. "Das kann man eine Fehlsteuerung nennen."

Zudem kommt den verbliebenen Investmentbanken zugute, dass die Konkurrenz stark abgenommen hat. Lehman Brothers ist untergegangen, Merrill Lynch wurde von der Bank of America übernommen, viele Großbanken haben sich nach äußerst schmerzlichen Erfahrungen in der Finanzkrise weitgehend aus diesem Geschäftsfeld verabschiedet. So sei unter den deutschen Instituten nur noch die Deutsche Bank ein bedeutender Mitspieler in dieser Liga und auch sie werde demnächst wohl sehr gute Zahlen vorlegen, erwartet Faust.

Doch der Experte mahnt auch, man solle die Chance nicht verstreichen lassen, Exzesse etwa bei den Boni durch verbindliche Regelwerke einzudämmen: "Regulierungen müssen jetzt schnell kommen, solange der Elan der Politiker und das Interesse der Bürger noch groß sind." Es erweise sich allerdings als schwierig, die für die international geprägte Branche nötigen weltweiten Regeln durchzusetzen. Deutschland und Frankreich bemühen sich darum, "aber Länder wie Großbritannien verfolgen schon wieder ihre eigenen Ziele", wie Faust sagt - schon weil sich London davon Wettbewerbsvorteile gegenüber den Finanzplätzen Frankfurt und Paris verspricht.

Ohne verschärfte Regeln gehe es aber nicht, so Faust: "Allein auf die Vernunft von Bankern wird man nicht setzen können."