An Hamburger Tankstellen sieht man momentan Preise von mehr als 1,70 Euro je Liter. Einige Maßnahmen können zumindest etwas Linderung bringen.

Hamburg. Der Benzinpreis hat bundesweit einen neuen Rekordstand erreicht. Am Wochenende kostete die Sorte Super E10 im bundesweiten Schnitt nach Angaben des ADAC 1,692 Euro je Liter und damit so viel wie noch nie. Die bisherige Höchstmarke von 1,674 Euro war am 18. April erreicht worden.

In Hamburg hatten gestern etliche Tankstellen die Marke von 1,70 Euro je Liter bereits überschritten - wobei die Sorte E5 in der Regel noch vier Cent je Liter mehr kostet.

+++ Neue Rekordpreise an den Tankstellen +++

+++ Neuer Rekord – Sprit so teuer wie nie +++

Angesichts der jüngsten Verteuerung und der Dürre in den USA, die die Getreidepreise hochtreibt, erreichte gestern auch die Diskussion über den Sinn des E10-Sprits, dem zehn Prozent Bioethanol beigemischt sind, einen neuen Höhepunkt.

Wie zuvor bereits Dirk Niebel (FDP), Bundesminister für Entwicklung, forderte der hessische Wirtschafts- und Verkehrsminister Florian Rentsch (FDP) einen Verkaufsstopp für diese Sorte. Die Politik habe bei der Produktion von Kraftstoff aus Getreide das Maß verloren, sagte Rentsch dem Hessischen Rundfunk (HR). "Das, was wir dort produzieren, ist eigentlich zum Leben von Menschen gedacht", betonte er. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zu hohen Benzinpreisen und E10.

+++ Benzinpreise wieder kurz vor Allzeithoch +++

Warum ist das Benzin so teuer?

Vor allem zwei Faktoren seien dafür verantwortlich, sagte Eugen Weinberg, Rohstoffexperte der Commerzbank: Die lockere Geldpolitik der Zentralbanken mit den niedrigen Zinsen ermuntere Anleger, in den Rohölmarkt zu investieren - die Nordsee-Sorte Brent kostet aktuell rund 114 Dollar je Barrel (159 Liter). Der wegen der Schuldenkrise schwache Euro verschärfe diesen Effekt für deutsche Autofahrer noch.

Wie geht es mit dem Benzinpreis weiter?

Nach Einschätzung von Weinberg spricht angesichts der beiden genannten Preistreiber derzeit wenig für eine deutliche Verbilligung an den Tanksäulen, auch wenn am Rohölmarkt reichlich Angebot vorhanden sei.

Was können Autofahrer tun?

Der ADAC empfiehlt den Autofahrern, sich vor dem Tanken nach günstigen Anbietern umzusehen und besonders teure Tankstationen links liegen zu lassen. Zudem könne eine sparsame Fahrweise den Verbrauch erheblich senken. So sollte man stets im höchst möglichen Gang fahren. Einsparungen von zehn bis 20 Prozent sind im Vergleich zum niedrigeren, höher drehenden Gang möglich. Und: Dachboxen erhöhen den Verbrauch um etwa 20 Prozent.

Warum ist E10 eingeführt worden?

Der Beschluss geht auf eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2005 zurück, wonach der durchschnittliche CO2-Ausstoß von Neuwagen sinken muss. Ursprünglich war angedacht, ihn auf 120 Gramm je Kilometer bis 2012 zu reduzieren. Auf Drängen der deutschen Hersteller, die mit vergleichsweise großen und PS-starken Modellen erfolgreich sind, setzte die Bundesregierung eine Grenze von 130 Gramm durch - mit der Maßgabe, dass die Differenz zu dem niedrigeren Wert durch weitere Maßnahmen wie die Einführung von Biokraftstoffen erreicht wird. Im Jahr 2010 legte der Europäische Rat außerdem fest, den Anteil von Biokraftstoffen bis 2020 auf zehn Prozent zu steigern. Die Bundesregierung sah darin auch die Chance, die Abhängigkeit von Ölförderstaaten zu verringern.

Ist E10 weniger klimaschädlich?

Kritiker argumentieren, unter dem Strich sei die CO2-Bilanz von Biokraftstoffen durch die für Anbau und Transport der Biomasse benötigte Energie nicht besser als die von herkömmlichem Benzin. Nach den Erkenntnissen von Martin Kaltschmitt, Leiter des Instituts für Umwelttechnik und Energiewirtschaft an der TU Hamburg-Harburg, trifft dies aber nicht zu. "Biokraftstoffe leisten zumindest einen Beitrag zum Klimaschutz", sagte er dem Abendblatt. Er verwies auf eine Verordnung der Bundesregierung, wonach solche Kraftstoffe nur dann als nachhaltig hergestellt gelten, wenn sie im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen mindestens 35 Prozent an Treibhausgasen einsparen. Nur unter dieser Bedingung können sie auf die zu erfüllende Biokraftstoffquote angerechnet werden.

Wie gut wird E10 angenommen?

Nach anfänglich erheblichen Akzeptanzschwierigkeiten liege der Anteil von E10 am Benzinabsatz nun bei gut 14 Prozent, sagte Rainer Wiek, Chefredakteur des Energie Informationsdienstes (EID) in Hamburg. Auch damit würden die internen Erwartungen der Mineralölkonzerne aber wohl verfehlt: "Man hat sich heillos verkalkuliert, was die Bereitschaft der Kunden angeht, E10 zu tanken." Dies sei angesichts der Erfahrungen bei der Einführung von bleifreiem Kraftstoff erstaunlich.


Ist eine Abschaffung von E10 realistisch?

"Will man die von der EU formulierten Ziele erreichen, wird es kaum anders als mit dem E10-Benzin gehen", sagte Wiek. Zudem wäre ein "ganz gehöriger Aufwand" damit verbunden, die Raffinerien und die Tankstellenlogistik wieder umzustellen, so der Experte. Auch er glaubt aber: "Die Zeiten für E10 werden schwerer."

Verschärft Biosprit das Hungerproblem?

In dieser Frage gehen die Auffassungen besonders weit auseinander. Professor Kaltschmitt glaubt nicht, dass die Produktion von in Deutschland verkauften Biotreibstoffen zu Hungersnöten in anderen Teilen der Welt führt: "In den 1990er-Jahren hat die EU die europäischen Bauern dafür bezahlt, in großem Umfang stillzulegen. Jetzt wird ein Teil dafür wieder genutzt, um die Biomasse für die neuen Kraftstoffe zu erzeugen." Auch Dietmar Schütz, Präsident des Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE), kritisiert den "aktuellen Generalangriff auf die Bioenergie" aus den Reihen der Politik: "Die wesentlichen Ursachen für Hunger sind Armut, Bürgerkriege und Klimawandel." Nur 0,1 Prozent der weltweiten Getreideernte würden für die deutsche Ethanolproduktion herangezogen, ein Einfluss auf die Preise sei damit kaum gegeben.

Dagegen begrüßt Werner Reh, Verkehrsexperte des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), den Vorstoß von Minister Niebel: "Bei allen Pflanzen, die für die Produktion von Biokraftstoffen angebaut werden, gibt es eine Konkurrenzsituation zur Nahrungsmittelerzeugung."