Der Hamburger Anbieter Tchibo konnte nach eigenen Angaben seine Kapselverkäufe zum Vorjahr um knapp 30 Prozent erhöhen.

Hamburg. Die Filterkaffeemaschine hat in immer mehr Haushalten ausgedient. Statt Bohnenkaffee von der Warmhalteplatte trinken vor allem junge Menschen auch zu Hause lieber einen Cappuccino, Espresso oder Latte macchiato. "Es soll schnell gehen und auf Knopfdruck", sagt Britta Zietemann vom Deutschen Kaffeeverband. Erstmals haben 2011 die Kaffeeautomaten die klassische Filtermaschine in Deutschland überholt - und ein Ende dieses Trends ist nicht in Sicht.

Die Hersteller von Kaffeeautomaten und Kapselkaffee jubeln über zweistellige Zuwachsraten und investieren Millionensummen in das Geschäft: Der Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé beginnt am 20. August mit dem Bau eines Werks für Kaffeekapseln in Schwerin. Jährlich sollen dort künftig zwei Milliarden Kapseln der Marke Nescafé Dolce Gusto hergestellt werden - für Nestlé mit einer Summe von 220 Millionen Euro die umfangreichste Investition in Deutschland seit der Wiedervereinigung.

Obwohl der Kaffee aus der Kapsel viel Müll produziert und im Vergleich zum Filter um ein Vielfaches teurer ist, gehen die Verkaufszahlen steil nach oben. Im vergangenen Jahr legte der Absatz von Kapselkaffee nach Angaben des Kaffeeverbandes in Deutschland um 30 Prozent zu, während der Filterkaffee um ein Prozent zurückging. An den hohen Preisen stören sich die Verbraucher nicht: Nespresso verlangt pro Kapsel fast 40 Cent und damit nach Berechnungen von Verbraucherschützern etwa zehnmal so viel wie für eine Tasse Filterkaffee.

Aber auch für die Hersteller der Maschinen sind goldene Zeiten angebrochen. "Es gibt erstaunlich viele Menschen, die 1000 Euro und mehr für eine Kaffeemaschine ausgeben, die früher 25 Mark gekostet hat. Das ist Lifestyle", staunte schon der Chef des größten europäischen Hausgeräteherstellers Bosch und Siemens Hausgeräte (BSH), Kurt-Ludwig Gutberlet, vor zwei Jahren, als die Entwicklung begann. Inzwischen hat der Konzern aufgerüstet: In seinem Werk im oberbayerischen Traunreut errichtete BSH für 2,4 Millionen Euro ein "Kaffeekompetenzzentrum", in dem die Kaffeemaschinen von morgen entwickelt werden.

Während die Kaffeevollautomaten mit Mahlwerk in der 1000-Euro-Preisklasse nicht jedermanns Sache sind, ziehen vor allem die deutlich günstigeren Portionsmaschinen in die Küchen ein. Sie brühen den Kaffee aus Kapseln oder Pads und sind teilweise schon zu Preisen um die 70 Euro zu haben. BSH produzierte in den vergangenen Jahren mehr als sieben Millionen seiner Tassimo-Automaten, die per Knopfdruck tassenweise Kaffee, Kakao oder Tee aus Kapseln brühen.

Selbst die Milch kommt aus der Kapsel: Um eine Tasse Cappuccino oder Kakao zu brühen, müssen nacheinander zwei verschiedene "T-Discs", wie sie bei Tassimo heißen, in die Maschine gelegt werden. Mit der italienischen Cafékultur hat diese sterile Zubereitung nichts mehr gemein, geht aber ruckzuck. "Zeit ist heute ein wertvolles Gut", sagt Mark Heier, der das Produktmanagement für die Tassimo-Automaten bei BSH leitet.

Neben Tassimo mischen vor allem Nespresso, Senseo, Cafissimo (Tchibo) und Dolce Gusto kräftig auf dem Markt für Portionskaffee mit. So konnte der Hamburger Anbieter Tchibo nach eigenen Angaben seine Kapselverkäufe zum Vorjahr ebenfalls um knapp 30 Prozent erhöhen. "Der Trend zu Kapseln ist ungebrochen, wir werden hier weiter investieren", sagt eine Sprecherin dem Abendblatt. Allerdings schläft die Konkurrenz nicht. "Der Markt ist schwer umkämpft", sagt BSH-Manager Heier. Bosch Siemens arbeitet bei den Tassimo-Maschinen mit dem Nahrungsmittelkonzern Kraft Foods zusammen, der die Kaffeeportionen herstellt. Der Filterkaffee wird nach Einschätzung der Fachleute aber trotz des Kapselbooms nicht so schnell aus den Supermärkten verschwinden: Für große Mengen Kaffee sind Filtermaschinen immer noch effizienter - und dabei wesentlich billiger und umweltschonender.