Die Überwachung von Mitarbeitern und niedrige Löhne sorgten für sinkende Kundenzahlen. Kinder des Firmengründers konnten die Entwicklung nicht mehr stoppen

Hamburg. Bespitzelungen von Mitarbeitern, Dumpinglöhne und lange Zeit zu geizig, um die Filialen mit Telefonen auszurüsten: Wenn man Gewerkschafter in den vergangenen Jahren auf die Drogeriemarktkette Schlecker ansprach, war ihr Redefluss kaum zu stoppen. Doch seit einigen Monaten wagen die Arbeitervertreter kaum noch Kritik - aus Angst, die Mitschuld für den Verlust von weiteren Arbeitsplätzen in dem Unternehmen zu tragen.

Der 1965 von dem heute 67-jährigen Anton Schlecker gegründete Selbstbedienungsladen, der 1975 zur Drogeriemarktkette wurde, geriet in den vergangenen Jahren gegenüber den Wettbewerbern immer mehr ins Hintertreffen. Schlecker war lange die Nummer eins, doch dann zog die Karlsruher Kette dm an der Firma aus dem schwäbischen Ehingen vorbei.

Seit dem Jahr 2008 soll die Drogeriemarktkette schon Verluste einfahren. Selbst Firmenpatriarch Anton Schlecker konnte den Niedergang nicht stoppen. So entschloss er sich im Jahr 2010, seinen Kindern Lars, 42, und Meike, 39, die Führung zu übergeben. Zwölf Monate später verkündeten sie, die Kette neu erfinden zu wollen - denn "niedrige Preise bei Drogerieartikeln findet der Kunde heute überall", so die wenig überraschende Erkenntnis. Nun wolle Schlecker dafür sorgen, "dass unsere Kunden sich bei uns wohlfühlen", neu gestaltete Filialen sollten her.

Doch das genügte nicht. Die Läden, oft in abseitigen Lagen, wirken schon zu lange zu klein und zu rumpelig. Zudem störten sich manche Kunden am schlechten Umgang der Firma mit den Beschäftigten. Das hat sich unter dem Geschwisterpaar zwar geändert. So gibt es mittlerweile einen Tarifvertrag und eine ordentliche Bezahlung.

Auch die Schließung von rund tausend Filialen in Deutschland im vergangenen Jahr konnte das Unternehmen nicht retten. Und für eine grundlegende Restrukturierung der Drogeriemarktkette waren nicht genügend finanzielle Mittel vorhanden. Eine beantragte Zwischenfinanzierung wurde von den Banken nicht gewährt. Diese Absage kam für das Unternehmen offenbar überraschend. Berichte über Lieferengpässe und Zahlungsschwierigkeiten hatte Schlecker trotzdem immer wieder dementiert. Die Unternehmenserben Meike und Lars Schlecker hatten auch daran festgehalten, nach jahrelang roten Zahlen dieses Jahr wieder Gewinn machen zu wollen.

"Schlecker hat erst gegengelenkt, als es längst zu spät war. Die Wettbewerber wurden mit jedem Tag stärker und Schlecker täglich schwächer", sagte der Discountexperte Matthias Queck vom Handelsinformationsdienst Planet Retail. "Anton Schleckers Konzept funktionierte nur da ganz ordentlich, wo er konkurrenzlos war. Doch die Konkurrenz ist inzwischen überall. Auch in jeder Kleinstadt", schildert Queck den harten Wettbewerb. Nirgendwo sonst gebe es so viele Drogeriemärkte pro Einwohner wie in Österreich und Deutschland. Außerdem mischten zunehmend große Lebensmittelhändler in Deutschland wie das Lidl-Schwesterunternehmen Kaufland beim Geschäft mit Babynahrung, Shampoo und Waschmitteln mit. Ein weiterer Grund ist laut Queck auch die zu geringe Filialgröße. "Die Umsätze müssen nur etwas nachgeben, und der Laden ist in die roten Zahlen gerutscht", so der Experte.

Die rund 30 000 Mitarbeiter des Drogeriekonzerns in Deutschland wurden am Freitag von der bevorstehenden Insolvenz informiert. Einem Schlecker-Sprecher zufolge gab es eine hausinterne Mitteilung. Wie ein Ver.di-Sprecher sagte, erfuhren viele Beschäftigte die schlechte Nachricht aber zunächst aus den Medien. Jetzt will das Unternehmen einen Antrag auf eine Planinsolvenz stellen. Dann wären die Gehälter der Mitarbeiter bis zu drei Monate lang durch die Arbeitsagentur abgesichert.

Was danach kommt, weiß keiner. Bei einer Planinsolvenz handelt es sich um einen Spezialfall des Insolvenzverfahrens. Ziel ist dabei der Erhalt des Unternehmens. Damit unterscheidet sich die Planinsolvenz von der "normalen" Pleite, bei der Firmen oft zerschlagen oder einfach nur noch abgewickelt werden und die Gläubiger das restliche Vermögen erhalten.

Bei der Planinsolvenz bleibt die alte Geschäftsführung im Amt, der bestellte Insolvenzverwalter tritt nur beratend auf. Das Verfahren wird in der Regel von einem Sanierer begleitet, der zusammen mit der Unternehmensführung vor der Antragstellung den Insolvenzplan ausarbeitet. Darüber entscheiden dann die Gläubiger. Dieses Verfahren soll ermöglichen, zumindest überlebensfähige Unternehmensteile zu erhalten, statt diese zu zerschlagen. "Wir glauben an die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens", sagte ein Schlecker-Sprecher.

Zuletzt hatte die Firma noch rund 7000 Läden in Deutschland und etwa 3000 weitere in Österreich, Spanien, Frankreich, Italien, Tschechien, Polen und Portugal.