Microsoft-Deutschland-Chef Ralph Haupter spricht im Abendblatt-Interview über den Angriff auf Apple, Familienförderung und Privatsphäre.

Hamburg. Ralph Haupter leitet als Chef von Microsoft Deutschland mit 2500 Beschäftigten die drittgrößte Ländergesellschaft des US-Konzerns. Das Abendblatt sprach mit dem 43-Jährigen über die Kameraautos von Microsoft, die nach Google jetzt ebenfalls deutsche Straßen filmen werden, und das Innenleben eines Konzerns, bei dem die Hälfte der Geschäftsführungsposten mit Frauen besetzt sind.

Hamburger Abendblatt:

Auch Sie wollen wie Google bei Street View Kameraautos auf die Straße schicken und Häuserfassaden abfotografieren. Damit droht doch erneut ein Proteststurm der Menschen aus Sorge um ihre Privatsphäre?

Ralph Haupter:

Inzwischen setzt sich die Erkenntnis durch, dass solche Dienste sehr nützlich sind. Darüber hinaus haben wir mit der Bundesregierung sowie Vertretern der Industrie, dazu zählten auch Google, die Deutsche Telekom und Nokia, einen Kodex zum Umgang mit den erhobenen Daten erarbeitet. Auf Grundlage des Kodexes werden Gesichter, Hausnummern und Autokennzeichen verpixelt und auf Wunsch auch Häuserfassaden. Bisher hat uns noch kein einziger Einwand von betroffenen Bürgern erreicht.

Wer soll dieses im Vergleich zu Google unbekannte Angebot auf Ihrer Suchmaschine Bing nutzen?

Haupter:

Es existiert ein großes Interesse an Diensten, die auf Geodaten beruhen. Ich kann damit navigieren oder erfahren, wo ich in meiner Nähe zum Beispiel die nächste Pizzeria finde. Mit Bing Streetside werden die Nutzer ab dem Sommer eine zweite Option haben, die zusätzliche Dienste bietet. Etliche kommerzielle Kunden fragen auch schon bei uns an, wie sie den Service nutzen können, etwa Paketzusteller oder Restaurantbetreiber.

Mit Smartphones gehen die Menschen heute ins Internet, sie lesen ihre Mails und versenden Fotos. Software von Microsoft spielt in diesem Boommarkt heute aber nur eine untergeordnete Rolle.

Haupter:

Wir liegen im deutschen Markt auf Platz zwei, aber vor allem im kommerziellen Bereich. Wir haben unterschätzt, dass Smartphones für Privatkunden so schnell derart attraktiv sein würden. Jetzt werden wir aufholen.

Wie wollen Sie das schaffen?

Haupter:

Nokia, der weltweite Marktführer für Smartphones, wird künftig das Windows-Phones-Betriebssystem nutzen, und vergangene Woche haben wir mit RIM vereinbart, dass auf neuen BlackBerry-Smartphones in der Grundeinstellung unsere Suchmaschine Bing verwendet wird.

Das gemeinsame Handy mit Nokia, das Windows Phone verwenden wird, soll erst 2012 auf den Markt kommen. In der Zwischenzeit wird Ihnen viel Geld in dem Boommarkt entgehen - und konkurrierende Betriebssysteme wie Android können sich weiter durchsetzen.

Haupter:

Warten wir es ab. Nokias Entwicklungsteams arbeiten mit Hochdruck daran. Die Industrieanalysten von IDC rechnen damit, dass Windows Phones im Jahr 2015 einen Marktanteil von 20,9 Prozent erreichen und damit Apple überholen wird.

Für die Verbraucher zählen besonders die Apps, also die Miniprogramme, die Spiele, Netzwerk- und Businessanwendungen auf dem Handy ermöglichen. Für Smartphones wie LG, Samsung oder Motorola und bei Apple gibt es derzeit jeweils gut 300 000 solcher Apps, beim Microsoft Marketplace können Nutzer nur aus 15 000 Apps wählen.

Haupter:

Die Zahl der Apps wächst rasant. Sie hat sich in den letzten zwei Monaten verdoppelt. Die reine Zahl besagt auch nicht viel. Von den 300 000 Apps auf iTunes konzentrieren sich schätzungsweise 90 Prozent der Downloads auf weniger als 1000 Apps. Ich glaube, Windows-Phones-Nutzer haben kein schlechteres Angebot.

Microsoft steht als Unternehmen für Chancengleichheit der Geschlechter. Sie haben sieben der 15 Geschäftsführungsposten mit Frauen besetzt, wobei fünf der Managerinnen auch Kinder haben. Wie ist das möglich?

Haupter:

Zunächst einmal: Die Hälfte der jungen Leute, die wir einstellen, sind Frauen. Und dann muss es selbstverständlich sein, dass der Termin, die Tochter vom Kindergarten abholen zu müssen, genauso wichtig ist wie ein Meeting. Oder dass man bei einem Telefongespräch mit der Personalchefin, die gerade zu Hause arbeitet und deren Söhne im Hintergrund die Akustik einer Fußballmannschaft verursachen, nur zwei Sekunden irritiert ist, aber nicht länger. Wir betreiben keine spezifische Frauen-, sondern Familienförderung. Berufs- und Familienleben besser vereinbar zu machen ist die beste Frauenförderung.

Welche sind die Vorteile von Frauen in Führungspositionen?

Haupter:

Frauen können die Fähigkeiten von Menschen extrem gut einschätzen und verstehen sich darauf, die Stimmung bei Mitarbeitern zu spüren. Bei einer Mixtur aus männlichen und weiblichen Geschäftsführern sind die Diskussionen zudem deutlich ausbalancierter. Es ergeben sich mehr Querfragen, die zwar Prozesse verlangsamen können, die aber letztlich für ein besseres Ergebnis sorgen.

Befürworten Sie eine Frauenquote?

Haupter:

Nein, eine Quote lehne ich strikt ab. Wenn ich nur eine bestimmte Zahl erreichen will und die Stelle dann aber falsch besetzt wird, stehe ich hinterher vor größeren Herausforderungen als vorher.