Der Windpark, der vor Nordwales entsteht, soll 400.000 Haushalte mit Strom versorgen. Das Projekt wird von Hamburg aus geleitet.

Hamburg. Die Ankündigung gestern dürfte ganz nach dem Geschmack von Fritz Vahrenholt gewesen sein. Der Chef von RWE Innogy , dem Bereich des Stromkonzerns, der sich mit erneuerbaren Energien beschäftigt, sprach von Superlativen. Zwei Milliarden Euro teuer, 124 Quadratkilometer Fläche und 576 Megawatt Leistung, die mehr als 400.000 Haushalte mit Strom versorgen - das sind die Kerndaten der weltweit bislang größten Windkraftanlage auf hoher See, für die bereits mit ersten Arbeiten begonnen wurde. Bisher war sie nur genehmigt, jetzt ist das Projekt in trockenen Tüchern. "RWE, die Stadtwerke München und Siemens haben den Vertrag für die Investition unterschrieben", sagte Vahrenholt vor dem Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten. Zwar gibt es bereits Genehmigungen für größere Anlagen, aber sie wurden noch nicht in Angriff genommen.

Das Projekt Gwynt y Mor, an dem der Stromkonzern 60 Prozent, die Stadtwerke 30 und Siemens als Produzent der Windräder zehn Prozent halten, wird rund 13 Kilometer vor der Küste von Nordwales errichtet. Schon vor der Vertragsunterzeichnung wurde an Land in Großbritannien mit dem Bau der Umspannstation begonnen, die die gewonnene Energie tauglich für das Stromnetz macht. "Mit der Anlage, deren walisischer Name 'Wind im Meer' bedeutet, werden wir jährlich rund 1,7 Millionen Tonnen CO2 einsparen", so Vahrenholt. Geleitet wird der Bau und der Betrieb des Offshoreparks von der Windsparte von RWE Innogy, die ihren Sitz in Hamburg hat. "Knapp 100 unserer rund 200 Mitarbeiter in Hamburg beschäftigen sich damit."

Laut Vahrenholt soll mit der Installation der rund 160 Windenergieanlagen von Siemens 2011 begonnen werden. Die Stromproduktion in der ersten Ausbaustufe startet 2013, und ein Jahr später soll der Megawindpark fertig sein. Siemens hat im vergangenen Jahr seine Europazentrale für Windkraft in die Stadt verlegt.

Vahrenholt will auch in der Deutschen Bucht zügig Windparks bauen, "aber in Deutschland ist das nicht so schnell möglich wie in Großbritannien", sagte er. Knackpunkte für eine 33 Kilometer vor Helgoland geplante Anlage seien das Unterwasserkabel und die Umspannstation. "In Deutschland werden beide vom Netzbetreiber errichtet, in England dürfen wir den Auftrag dazu selbst vergeben." Der niederländische Konzern Tennet, der das Höchstspannungsnetz von E.on in Deutschland übernahm, hat Innogy erst einmal vertröstet. Die Regulierungsbehörde prüfe das Projekt noch. "So geht das nicht", sagte Vahrenholt, der sich überlegt, die Politik einzuschalten. "Die Politik ist dazu da, zu führen, durchzusetzen und nicht zuzuschauen."

RWE Innogy steckt jährlich mit 1,4 Milliarden Euro ein Viertel der gesamten Energieinvestitionen in erneuerbare Bereiche. Insgesamt betreibt das Unternehmen bereits drei Offshoreparks, drei sind im Bau oder kurz davor und sechs in der Planung. Einen Auftrag über zwei Milliarden Euro gab das Unternehmen an den Hamburger Windradanbieter Repower, allerdings handelt es sich dabei um mehrere Windparks und nicht um ein so großes Projekt wie vor Wales. Um die Anlagen an ihren Einsatzort zu transportieren, bestellt RWE nun ein zweites, ungefähr 100 Meter langes Transportschiff. "Wir mussten den Auftrag nach Südkorea vergeben, weil die Werften an der deutschen Küste dies nicht können."

Eine herbe Absage erteilte der Innogy-Chef der Fotovoltaik. "Zu teuer, zu wenig Sonne in Deutschland." Allein die heute installierte Kapazität würde in den nächsten 20 Jahren 100 Milliarden Euro an Subventionen kosten. Geld, das die Kunden über den Strompreis bezahlen müssen. Aber auch bei der Windkraft sieht Vahrenholt derzeit Probleme. Die Schwankungen seien zu hoch. Der Bau etwa von Wasserspeichern für überschüssige Windenergie sei wegen Widerständen in der Bevölkerung vor Ort schwierig. Wenn zu viel Wind wehe, müsse Deutschland derzeit deshalb Nachbarländern Geld bezahlen, damit sie einen Stromüberschuss abnehmen. Verschärft werde das Problem durch den möglichen Verzicht auf Atomenergie. "Kernkraftwerke lassen sich am schnellsten herunterfahren, wenn es zu viel Windstrom gibt."

RWE-Vorstand Vahrenholt hat sich bewusst für Hamburg als Standort der Innogy-Windsparte entschieden. "Nicht, weil ich hier lebe, sondern weil Windkraft an die Küste muss." So denken auch andere Firmen: Die Stadt ist das deutsche Zentrum der Branche. Neben Repower und Siemens haben unter anderem auch Vestas, General Electric und Nordex Zentralen oder Unternehmensbereiche in Hamburg. Weitere Firmen könnten folgen. Nach Informationen des Abendblatts sucht derzeit ein weiterer US-Konzern Flächen für ein Forschungszentrum in der Stadt. Auch China signalisiert Interesse. Auf einer Veranstaltung der Hamburgischen Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (HWF) in Shanghai mit Vertretern der Wirtschaft war der Tenor, "wenn schon Nordeuropa, dann Hamburg", wie ein Teilnehmer zusammenfasste.