Umweltverbände rechnen nicht mit einem schnellen Ende im Verfahren zur Vertiefung des Flusses

Hamburg. Niemand, auch die klagenden Umweltverbände nicht, hat ursprünglich damit gerechnet, dass im Jahr 2015 um die Elbvertiefung noch immer vor Gericht gestritten wird. Doch das deutsche und das europäische Recht, das es hierbei auszulegen gilt, ist weit komplexer als gedacht. „Es gibt viele offene Aspekte, die den weiteren Verlauf des Verfahrens bestimmen werden: natürlich zuvorderst die Frage, wie sich der Europäische Gerichtshof äußern wird“, sagte Manfred Braasch , der Landesgeschäftsführer des BUND in Hamburg, dem Abendblatt. „Dann aber auch die Frage, ob die notwendigen Planänderungen der Planungsbehörden eine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit notwendig machen. Oder ob sich das Bundesverwaltungsgericht zunächst mit der Weservertiefung oder mit der Elbvertiefung befassen wird.“

Die Umweltverbände BUND und Nabu, unterstützt vom WWF, hatten in den vergangenen Jahren die geplanten Erweiterungen von Weser und Elbe am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig beklagt und die jeweilige Umsetzung damit gestoppt. Beide Planungsverfahren weisen große Unterschiede auf, sie führen aber in einem Punkt wieder zusammen: Der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts, der für beide Fälle zuständig ist, will für das weitere Vorgehen zunächst abwarten, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg das europäische Gewässerrecht präzisiert. Der Generalanwalt am EuGH hat dazu im Oktober ein Gutachten vorgelegt, auf dessen Grundlage die europäischen Richter voraussichtlich im April oder Mai entscheiden. „Wir glauben, dass der Generalanwalt am EuGH in seinem Gutachten auf einem Verbesserungsgebot für die europäischen Gewässer besteht, das im Zuge von Baumaßnahmen wie der Fahrrinnenanpassung greifen muss. Insofern wird die Auslegung der Wasserrichtlinie durch den Europäischen Gerichtshof nach unserer Einschätzung streng ausfallen“, sagte Braasch.

Auch der WWF erwartet, dass der EuGH das europäische Gewässerrecht im Sinne der klagenden Verbände auslegt: „Der Sauerstoffgehalt in der Elbe sinkt immer wieder bedrohlich, so wie auch im vergangenen Sommer, als es bei Hamburg wieder ein großes Fischsterben gab“, sagte Beatrice Claus vom WWF dem Abendblatt. „Wir glauben, dass sich die Sauerstoffsituation in der Elbe durch eine weitere Vertiefung des Flusses weiter verschlechtern wird.“ Hamburg verstoße bereits ohne eine weitere Vertiefung der Elbe gegen das Verbesserungsgebot der Wasserrahmenrichtlinie. Die Stadt habe in den vergangenen Jahren „nichts unternommen, um den Sauerstoffeintrag in den Fluss zu verbessern“.

Hamburgs Senat wiederum konzentriert sich darauf, die Planungsbehörden der Stadt und des Bundes bei der vom Gericht erbetenen Nachbearbeitung der Planungsunterlagen zu unterstützen. „Wir sind zuversichtlich, dass die benötigte Fahrrinnenanpassung zulässig ist und auch kommt. Außerdem werden wir uns an Spekulationen über mögliche Termine nicht beteiligen“, sagte Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) dem Abendblatt.

Zusätzlichen Zeitbedarf könnte die Frage aufwerfen, wie gut die Datenbasis für die Beurteilung bedrohter und geschützter Arten an der Unterelbe ist. „Nur der Schierlingswasserfenchel wurde bei den bedrohten Pflanzenarten bislang intensiver untersucht“, sagte Claus. „Es gibt aber noch mindestens 100 weitere Arten aus Fauna und Flora, die durch die Fahrrinnenanpassung nach unserer Einschätzung geschädigt werden und für die es keine umfassende Datenbasis gibt.“ Auch die Größe und Ausgestaltung von Ausgleichsflächen wird Thema sein, wenn das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren im Lauf des Jahres wieder aufnimmt.

Zunächst aber müssen die Richter am Europäischen Gerichtshof eine Grundlage für die rechtliche Bewertung der Großprojekte an Weser und Elbe schaffen. Hamburg sieht die Sorgfaltspflicht der beteiligten Planungsbehörden mit Blick auf das europäische Recht gewahrt. Bereits 2011 hatte der Senat eine Stellungnahme der Europäischen Kommission zur Fahrrinnenanpassung der Elbe erhalten. Auf dieser Grundlage ergänzten die Planungsbehörden 2013 den Planfeststellungsbeschluss um weitere Untersuchungen und Vorsorgemaßnahmen. Allerdings bewahrte das Hamburg nicht davor, dass die Leipziger Richter im Oktober 2014 auch das Elbeverfahren einstweilen aussetzten, um Präzisierungen des EuGH zum Wasserrecht abzuwarten. Dies hatte das Bundesverwaltungsgericht zuvor bereits mit dem Weserverfahren getan.

Die klagenden Umweltverbände hingegen beharren darauf, dass Hamburg grundsätzlich zu wenig dafür tue, den Zustand seiner Gewässer zu verbessern. „In Hamburg wurde von 32 betroffenen Gewässern kein einziges in seinem Zustand verbessert, wie es die Wasserrahmenrichtlinie der EU vom Jahr 2000 für eine Frist bis 2015 vorsieht“, sagte Braasch. „Die Planungsbehörden haben die Relevanz des europäischen Umwelt- und Wasserrechts permanent unterschätzt und immer nur auf Druck nachgearbeitet.“