Das Verfahren zur Elbvertiefung sollte zügig beendet werden. Aber juristisch einwandfrei

„Entscheidende“ Jahre für die geplante Elbvertiefung gab es schon oft, ein abschließendes aber nie. Nimmt man die frühen Überlegungen und Vorbereitungen als Ausgangspunkt, gehen Planung, Nachbesserung und juristischer Streit zu Hamburgs wichtigstem Verkehrsprojekt nun in das 14. Jahr. Wird es das letzte sein? Wer darauf wettet, ist ein Zocker.

Zwei höchste Gerichte werden sich in diesem Jahr mit der Verbreiterung und Vertiefung der Elbfahrrinne befassen. Das spricht dafür, dass das Klageverfahren zu einem Abschluss kommen kann, zeigt aber zugleich die enorme Komplexität dieser Materie. Völlig offen ist, wie streng der Europäische Gerichtshof (EuGH) das europäische Gewässerrecht auslegen wird, voraussichtlich mit einem Urteil im April oder Mai. Danach wird sich das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wieder mit den Fällen der Elb- und der Weservertiefung befassen.

Die Bundesrichter machten bei den Terminen zur Elbvertiefung im vergangenen Jahr mehrfach deutlich, dass sie den Prozess effizient und zügig abschließen wollen. Doch das liegt nicht allein in ihrer Hand. Der Spruch des EuGH wird den weiteren Verlauf ebenso bestimmen wie das spätere Verhalten der Streitparteien: auf der einen Seite die Planungsbehörden des Bundes und der Stadt Hamburg, auf der anderen Seite die klagenden Umweltverbände BUND und Nabu, unterstützt vom WWF.

Das europäische Gewässerrecht verändert sich im Zuge der geplanten Großprojekte allein schon dadurch, dass es angewendet wird. Es gibt keine Präzedenzfälle zur Weser- und zur Elbvertiefung. Nicht nur für die Streitparteien, auch für die Rechtshistorie sind diese Prozesse deshalb von großer Bedeutung. Denn die Konsequenzen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahr 2000 waren offenbar nie wirklich durchdacht worden: Legt man sie so streng aus, dass die Entwicklung von Wirtschaft und Infrastruktur an flussnahen Städten im Zweifel abgewürgt wird? Geht man über Buchstaben und Geist der europäischen Vorgabe großzügig hinweg, um das Wirtschaftswachstum nicht zu gefährden? Oder kommen Gerichte und Klageparteien am Ende zu einer Kultur der Von-Fall-zu-Fall-Entscheidungen? Schnell gerät dabei in Vergessenheit, dass der Europäische Gerichtshof und nachfolgend das Bundesverwaltungsgericht nicht allein für Weser und Elbe entscheiden werden, sondern für Europa und Deutschland.

Der wirtschaftliche Druck, zu einer Freigabe und Umsetzung der Fahrrinnenanpassung zu kommen, wächst ständig weiter. Der Erstanlauf des weltgrößten Containerschiffs „CSCL Globe“ in dieser Woche zeigte nicht nur die enge Verbindung der Reederei China Shipping zu Hamburg. Dieser und die steigende Zahl anderer Megafrachter belegen auch, dass die Reedereien relativ unbeeindruckt von den Nöten der Hafenstädte weiter auf Größe setzen. Große, sparsame Schiffe sind derzeit ein entscheidender Faktor im Konkurrenzkampf der Schifffahrtsunternehmen. Die Reedereien wissen, dass die Hafenstädte bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gehen werden, um als Anknüpfungspunkte des Welthandels im Spiel zu bleiben. Welthafen zu sein, ist gut – noch wichtiger aber ist, es auch zu bleiben.

Hafenwirtschaft, Reedereien, Logistiker haben einen Anspruch darauf, dass ihnen eine Rechts- und Planungsperspektive geschaffen wird. Ebenso können die klagenden Umweltverbände für sich und ihre Klientel in Anspruch nehmen, dass wirtschaftliche Zwänge den rechtlich verbrieften Schutz von Umwelt und Natur nicht außer Kraft setzen. Am wichtigsten aber ist: Die höchsten Gerichte müssen zu Schlüssen kommen, die rechtlich nachvollziehbar und in diesem Sinne gerecht sind. Justitias unabhängige Urteilskraft wiegt schwerer als jedes noch so gewichtige wirtschaftliche oder ökologische Partialinteresse.