Digitale Wirtschaft in Deutschland droht den Anschluss zu verlieren. Staatliche Förderung für Firmen in Hamburg im Ländervergleich sehr niedrig

Hamburg. „Als ich eben hier in die City gekommen bin, ist mir als Erstes der Shop von Tesla aufgefallen“, sagte Brigitte Zypries, „das passt ja bestens zu unserem Thema“, fügt die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) lachend hinzu. Tesla, der Hersteller von Elektrofahrzeugen mit Sitz in Kalifornien, hat sich vom belächelten Start-up zum ernst zu nehmenden Konkurrenten von BMW oder VW entwickelt. In Norwegen verdrängte die Marke den Golf an der Spitze der Neuzulassungen. Und in der Hansestadt zeigt Tesla seit wenigen Tagen in einem Showroom nahe der Binnenalster, auf welche neuen Modelle sich die Kunden freuen können. Etliche Passanten drücken sich am Schaufenster die Nase platt, denn der Tesla sieht nicht nur aus wie aus einem James-Bond-Streifen, sondern fährt auch noch völlig emissionsfrei durch die Straßen.

Brigitte Zypries (SPD) ist nach Hamburg gekommen, um auf dem Young IT-Day mit Unternehmensvertretern über das schwierige Verhältnis von Konzernen und Start-ups zu sprechen sowie über die Möglichkeit, junge Firmen in Deutschland besser zu fördern. „Wir haben eine substanzielle Gründerszene in Deutschland, aber sie ist insgesamt viel zu klein“, beklagte auf der Veranstaltung im Vorfeld des heutigen nationalen IT-Gipfels Tobias Kollmann, Professor für E-Entrepreneurship an der Uni Duisburg-Essen. So ist die Zahl der Gründungen im ersten Halbjahr 2014 um sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangen. Die Szene sei insbesondere im Vergleich zu den USA praktisch chancenlos und nicht in der Lage, digitale Weltmarktführer wie Apple, Google oder Facebook hervorzubringen. „Wir hatten mal eine Gründerkultur mit Persönlichkeiten wie den Mieles, den Boschs oder den Daimlers“, ergänzt Kollmann, der auch Vorsitzender des Beirats Junge Digitale Wirtschaft beim BMWi ist. In der heutigen digitalen Wirtschaft fehlten jedoch derartige Erfolgsstorys.

Hamburg nimmt für sich immer wieder gerne in Anspruch, neben Berlin zu den deutschen Lieblingsstädten der Start-up-Szene zu gehören. Aus der Hansestadt sind etwa das Businessnetzwerk Xing oder die Plattform für Ferienwohnungen, 9flats.com, hervorgegangen. Allerdings haben auch diese Geschäftsideen mit LinkedIn oder airbnb ihre Vorbilder in den USA. Für Kollmann liegen die Gründe für die Mittelmäßigkeit deutscher Start-ups auf der Hand: „Uns mangelt es nicht nur an der Ausbildung für Gründer an den Hochschulen“, sagt der Wirtschaftsprofessor. Den Unternehmen fehle in der Wachstumsphase auch schlicht das Geld. „Wir haben viel zu wenig Venture Capital“, sagt Kollmann mit Blick auf Investitionen von 30 bis 40 Millionen Euro für Expansionen, die ein Start-up auf eine sichere Basis stellen könnten. Auch in der Gesellschaft fordert Kollmann ein Umdenken: „In den USA werden Gründer nach einem erfolgreichen Börsengang als Helden gefeiert, bei uns kämpfen sie um Anerkennung.“ Wo die Unterstützung von privaten Geldgebern offenbar fehlt, kommt der Staat ins Spiel. Bundeskanzlerin Angela Merkel will heute auf dem IT-Gipfel in der Handelskammer unter anderem darüber sprechen, wie der Bund deutschen Start-ups das (Über-)leben erleichtern kann.

Die Politik schmückt sich auch in Hamburg gerne mit den „jungen Wilden“, und betont die Fortschrittlichkeit der Stadt. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz sagte, für die Stadt sei Digitalisierung seit Jahren ein zentrales Thema. „Hamburg ist innovationsfreudig, die hiesigen Unternehmen und ihre Beschäftigten gestalten die digitale Transformation“, betonte der SPD-Politiker. Nach einer aktuellen Studie schafft es Hamburg in Sachen Förderung junger Firmen im bundesweiten Vergleich allerdings nur auf mittlere Ränge. München, Jena, Berlin und Halle sind für Gründer nach dieser Untersuchung der Wirtschaftskanzlei Lutz/Abel hochattraktiv. Zwei Drittel des Beteiligungskapitals, mit denen die Bundesländer Start-ups unterstützen, flößen in diese vier Regionen. Hamburg liege dagegen nur im Mittelfeld. Im Detail: Bei den staatlichen Beteiligungsgesellschaften nehme Bayern mit einem Investitionsvolumen von jährlich gut 30 Millionen Euro mit Abstand den bundesweiten Spitzenplatz ein. Berlin biete immerhin noch knapp 14 Millionen Euro, Hamburg dagegen nur drei Millionen Euro pro Jahr (Schätzung).

Diese „isolierte Betrachtung der reinen Volumina“ bemängelt Martin Jung von der Hamburgischen Investitions- und Förderbank allerdings als wenig hilfreich. Insbesondere Berlin und ostdeutsche Bundesländer seien aufgrund ihrer schwachen Wirtschaftsstruktur mit mehr Fördermitteln ausgestattet. Berlin verfüge beispielsweise über zehnmal so hohe europäische Fördermittel wie Hamburg. Marc-Sven Kopka, Sprecher des Businessnetzwerks Xing, das mit 600 Mitarbeitern inzwischen zu einem der großen Player der Hamburger Internetszene gewachsen ist, blickt wiederum nach Kalifornien. Der Marktkenner fasst zusammen, was die Hansestadt von den Amerikanern lernen kann: „Es gilt, einen Dreiklang von Ideen, Kapital und Forschung zu erzeugen. Das Beispiel des Silicon Valleys zeigt, welche Kraft entsteht, wenn kreative Köpfe, Unis und Investoren eng zusammenarbeiten.“