Hamburg. Etwa 80 Prozent aller Deutschen nutzen das Internet – beruflich oder privat. Die Geschäfte der Hälfte aller Unternehmen in Deutschland sind laut Wirtschaftsministerium „mittel bis stark vom Internet abhängig“. Wenn sich heute 800 Vertreter aus Wirtschaft, Forschung und Politik mit der Bundeskanzlerin und sechs Bundesministern in Hamburg zum nationalen IT-Gipfel treffen, geht es vor allem darum, die „digitale Agenda“ der Bundesregierung von Union und SPD für Millionen private Internetnutzer und knapp 100.000 Internetunternehmen auszugestalten.

Eine zentrale Debatte ist der Ausbau eines schnelleren Internets. Bis 2018 sollen alle Haushalte einen Internetzugang mit Übertragungsgeschwindigkeiten von mindestens 50 Megabit pro Sekunde haben. „Es geht beim Ausbau der Netze darum, Deutschland im Standortwettbewerb ganz vorne zu positionieren“, sagte der zuständige Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) vor dem Treffen in der Handelskammer dem Abendblatt.

Anfang Oktober hatten die Unternehmen angekündigt, allein 2015 rund acht Milliarden Euro in den Ausbau der Netze zu investieren. Bisher ist die Koalition von Union und SPD weit von ihrem Versprechen entfernt: 2013 hatten im Schnitt 58 Prozent der Haushalte Zugang zu schnellerem Internet. Die Grünen im Bundestag kritisieren die Politik von Minister Dobrindt: „Schon mehrfach hat die Bundesregierung den vollständigen Netzausbau auch in ländlichen Regionen versprochen. Aber die vielen weißen Flecken bleiben“, sagte Grünen-Netzpolitiker Konstantin von Notz dem Abendblatt. Die bisherigen Milliarden an Investition in den Breitbandausbau würden nicht ausreichen.

Wirtschaft und Politik fassen die Digitalbranche als „Industrie 4.0“ zusammen. Unter diesem Schlagwort beraten Regierungsspitzen und Wirtschaftsvertreter in einer der neun Arbeitsgruppen des IT-Gipfels auch über die Berufsausbildung und die Förderungen junger Start-up-Unternehmen. Deutschland brauche gut ausgebildete IT-Fachkräfte „in Zukunft noch mehr denn je“, sagte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) dem Abendblatt. „Durch die Digitalisierung werden neue Qualifikationen erforderlich. Wir brauchen eine dauerhafte Integration von Industrie 4.0 relevanten Inhalten in die berufliche und akademische Ausbildung.“

Doch neben den Chancen sieht vor allem der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Gefahr der Ausbeutung von Arbeitnehmern durch Billiglöhne in der digitalen Arbeitswelt. „Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie hier eine Art moderne Sklaverei entsteht, mit einem Wettbewerb um Löhne nach unten“, sagte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann. Der DGB-Chef warnte: Die vermeintliche Freiheit, einfach Geld zu verdienen mit Jobs auf Internetplattformen oder digitale Putzhilfenvermittler könne sich „als Falle entpuppen“.