Nabu fordert von Reedereien Umstieg von Schweröl auf Diesel für den Antrieb von Containerfrachtern. Belastungen in der HafenCity

Hamburg. Der Umweltschutzverband Nabu erhöht den Kampagnendruck gegen Abgase aus Seeschiffen. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Organisation Kreuzfahrtreedereien ins Visier genommen, um auf den hohen Gehalt von Schwefeldioxid und Stickoxiden in Schiffsabgasen hinzuweisen. Nun rückt der Nabu die Containerschifffahrt in den Mittelpunkt. „Der Transport von Containern auf Großschiffen gilt als effizienteste Art des Gütertransports. Beim absoluten Ausstoß von Umweltgiften wie Schwefeldioxid oder Stickoxiden zählt die Seeschifffahrt dennoch zu den Hauptverursachern weltweit“, sagte Dietmar Oeliger, Leiter der Abteilung Verkehrspolitik beim Nabu, am Montag bei der Präsentation einer neuen Studie zu den Abgasbelastungen durch die Schifffahrt.

Das Schweröl, das die Reedereien auf ihren Schiffen üblicherweise auf offener See verbrennen, habe einen 3500-fach so hohen Schwefelgehalt wie moderne Dieselkraftstoffe für Autos oder Lastwagen. Selbst der Marinediesel mit 0,1 Prozent Schwefelgehalt, der in den europäischen Emissionsschutzgebieten von 2015 an vorgeschrieben ist, weise noch einen 100-fach höheren Schwefelgehalt auf als „sauberer“ Diesel für den Straßenverkehr. Weltweit sind rund 55.000 Handelsschiffe im grenzüberschreitenden Verkehr unterwegs, davon etwa 5000 Containerfrachter.

„Die internationale Schifffahrt stößt so viel Treibhausgas Kohlendioxid aus wie ganz Deutschland. Und an den Auswirkungen der Schwefeldioxid- und Stickoxid-Emissionen aus Schiffen sterben nach Erkenntnissen der EU allein in Europa jährlich rund 50.000 Menschen“, sagte Axel Friedrich, längjähriger Verkehrsexperte beim Umweltbundesamt (UBA) und heute als freier Berater tätig, der Autor der Nabu-Studie. Besonders Hamburg mit seinem innenstadtnahen Hafen sei von diesen Umweltgiften betroffen. „Die Verfeuerung von Schweröl auf Seeschiffen ist nichts anderes als die Entsorgung von Sondermüll, für die wir als Gesellschaft auch noch zahlen – als der Teil der Transportpreise und durch die gesundheitlichen Folgen. In der HafenCity würde ich mir keine Wohnung kaufen.“

Der Nabu fordert einen flächendeckenden Umstieg der Schifffahrt auf konventionellen Dieselkraftstoff – und hat die wirtschaftlichen Auswirkungen dessen auch gleich durchgerechnet. Jedes einzelne Produkt verteuere sich beim Einsatz von Diesel nur marginal. Ein Paar aus Asien importierte Sportschuhe würde demnach nur um drei Cent teurer, ein DIN-A-4-Drucker um 20 Cent, ein T-Shirt um 0,2 Cent. Um die gesamte Wirkungskette bis hin zum Endverbraucher deutlich zu machen, richtet der Nabu seine Forderungen nicht nur an Reedereien und Gesetzgeber, sondern vor allem auch an die Importeure von Kleidung und Konsumgütern, etwa Sportschuhhersteller wie Adidas, Puma oder Nike. „Vor allem börsennotierte Hersteller weisen in ihren Umweltberichten heutzutage meist bereits die Emissionen an Kohlendioxid aus, die für die Herstellung ihrer Produkte verursacht wurden“, sagte Oeliger. „Aber dort findet man nichts über die Atemgifte Schwefeldioxid, Stickoxide oder Dieselruß. Deren Vermeidung muss zum Faktor für den Wettbewerb zwischen Markenherstellern werden.“

Durch den Umstieg von Schweröl auf Diesel erhöhen sich die Kosten laut Friedrichs Kalkulation je Container um zwölf Prozent. Basis für die Berechnungen war eine Frachtrate von 1000 Dollar für den Transport eines 20-Fuß-Standardcontainers (TEU) auf einem 10.000-TEU-Schiff von Shanghai nach Hamburg. Der Dieselpreis wurde von Friedrich mit 45 Prozent über dem Preis für Schweröl kalkuliert. „Mit extrem schwefelarmem Diesel als Brennstoff sparen die Reedereien erhebliche Kosten, etwa für das Vorwärmen von Schweröl auf dem Schiff, aber auch für die Entschwefelung der Abgase“, sagte Friedrich. „Ein flächendeckender Umstieg auf Diesel wäre längst möglich. Die Reedereien tun es aber nicht, weil das Problem vor allem auf See weitab der öffentlichen Wahrnehmung entsteht.“ Laut Nabu allerdings bewegen sich rund 80 Prozent des Seeschiffverkehrs im Durchschnitt nur rund 400 Kilometer von den Küsten entfernt. Auch nach der Verschärfung von Grenzwerten etwa in der Nord- und Ostsee von 2015 an gibt es keinen globalen Standard, um den Schwefelgehalt von Brennstoffen auf Schiffen auf den dann strengsten Grenzwert von 0,1 Prozent zu senken.

Der Verband Deutscher Reeder (VDR) reagierte am Montag auf die Forderungen des Nabu. „Als erste internationale Branche hat die Schifffahrt verbindliche Effizienzstandards für Neubauten und die fahrende Flotte umgesetzt“, sagte Sprecher Christof Schwaner. Maßnahmen wie ein Umstieg von Schweröl auf Diesel müssten finanzierbar sein: „Die Linienreedereien versuchen seit Jahren vergeblich, höhere Frachtraten am Markt durchzusetzen.“

Die Schifffahrtsbranche lotet verschiedene Möglichkeiten aus, den strengeren Standards gerecht zu werden. Effizientere Motorentechnik, aber auch der Einsatz von Marinediesel oder von verflüssigtem, tiefgekühltem Erdgas (LNG) gelten als wichtigste Instrumente, um den künftigen Umweltgesetzen auf See gerecht zu werden. Für die Filterung von Schwefeldioxid sollen vor allem sogenannte Scrubber, Abgasreiniger, zum Einsatz kommen. Aber auch all diese Maßnahmen kosten viel Geld. Deshalb stellte die Schifffahrtsbranche bereits wiederholt das Szenario in den Raum, schärfere Grenzwerte würden letztlich dazu führen, dass man Güter im küstennahen Bereich verstärkt mit Lastwagen transportiere. Die Reedereien kritisieren obendrein, dass die strengeren Abgasgrenzwerte nicht international einheitlich gelten. Für das Mittelmeer etwa sind auch nach 2015 weit weniger strenge Werte in Kraft als zum Beispiel für Nord- und Ostsee.