Hamburger Verbraucherschützer kritisieren unzureichende Rechte der Bankkunden gegen Falschberatung.

Hamburg. So groß war der Protest der Lehman-Geschädigten in Hamburg noch nie. Auf den Tag genau ein Jahr nach der Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers demonstrierten rund 100 Bankkunden von Citibank, Dresdner Bank und Hamburger Sparkasse und zogen anschließend vor die Filialen der Kreditinstitute. "Wir wollen unser Geld zurück", forderte Thomas Walde von der Interessengemeinschaft der Lehman-Geschädigten.

Nach seinen Angaben sind in Hamburg mindestens 5000 Anleger betroffen, die ihr Erspartes durch die Pleite der US-Bank verloren haben. Die Banken hatten Zertifikate von Lehman Brothers verkauft, die durch die Insolvenz wertlos wurden. Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg kritisierte auf der Protestkundgebung, dass es der Gesetzgeber bisher nicht geschafft hat, die Rechte der Bankkunden bei Falschberatung grundlegend zu verbessern.

Unterdessen droht den Anlegern eine neue Gefahr, denn ein Jahr nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers läuft die Zertifikate-Industrie in Deutschland wieder auf Hochtouren. Allein im Juli wurden 53 000 dieser Anlagepapiere neu herausgebracht, eine Steigerung von 40 Prozent gegenüber dem Vormonat. Mit den Papieren, die auf bestimmte Entwicklungen an den Finanzmärkten wetten, hatten viele Anleger in der Finanzkrise hohe Verluste verbucht. Rund 40 000 Anleger, die Zertifikate von Lehman Brothers haben, verloren ihr gesamtes Geld, weil die Bank in die Insolvenz ging. Mehr als 100 Geschädigte demonstrierten gestern auf dem Rathausmarkt in Hamburg und forderten von den Banken ihr Geld zurück.

Vor einem Jahr stand die Branche in Deutschland vor einem Scherbenhaufen. "Der Markt hat sich schneller gefangen als gedacht und inzwischen wieder ein Volumen von knapp 90 Milliarden Euro erreicht", sagt Stefan Ambruster, Leiter des Zertifikategeschäfts der Deutschen Bank, dem Marktführer in Deutschland. Niedrige Zinsen für Spareinlagen von weniger als zwei Prozent und die positive Entwicklung an den Aktienmärkten machen Anleger wieder empfänglich für die Wettprodukte.

"Die Leute kaufen wieder Zertifikate, weil die Vertriebsmaschine der Banken sehr gut funktioniert", sagt Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Eine Ausnahme ist die Hamburger Sparkasse: "Wir verzichten im normalen Privatkundengeschäft jetzt auf den Verkauf von Zertifikaten", sagt ein Haspa-Sprecher. "Zertifikate dienen Anlegern als Zinsersatzprodukte mit attraktiveren Renditen als bei Tages- oder Festgeld", sagt Lars Brandau vom Deutschen Derivate Verband.

Gefragt seien vor allem einfach strukturierte Produkte. Die Zeitschrift "Finanztest" der Stiftung Warentest beklagt dagegen, dass die Banken ihren Kunden mit den Zertifikaten weiterhin so komplexe Produkte wie vor der Finanzkrise anbietet. "Die Produkte können weder von den Kunden noch von den Beratern überblickt werden", sagt "Finanztest"-Chefredakteur Hermann-Josef Tenhagen. "Die Verantwortung lastet jetzt auf den Kunden. Sie dürfen nicht kaufen, was sie nicht verstehen, und auch ihrem Berater nicht vertrauen", sagt Tenhagen.