Der Senat räumt erstmals eine Finanzierungslücke von 444 Millionen Euro bei Ausbau und Erneuerung der Infrastruktur ein. Dabei beginnen erste Wahrzeichen zu bröckeln.

Hamburg. Ein Hamburger Wahrzeichen bröckelt. Die Köhlbrandbrücke ist baufällig. Spätestens in 19 Jahren muss sie erneuert werden, vielleicht aber schon in zwölf Jahren. Genau wird man das erst 2015 wissen, wenn das Ergebnis einer umfassenden Untersuchung zur Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit des fast 40 Jahre alten Bauwerks vorliegt. Dann erst wird die Restlaufzeit der Brücke klar. Und auch erst dann wird deutlich, wie viel Geld die Stadt für Wartungsarbeiten in die Hand nehmen muss, damit die alte Brücke den errechneten Termin überhaupt noch erreicht. Vollkommen offen ist aber, wovon der geschätzt 1,1 Milliarden Euro teure Neubau der Köhlbrandbrücke bezahlt werden soll. Auch er wäre eine sogenannte Ersatzinvestition - und schon heute gibt es bei diesen Maßnahmen im Hafen einen massiven Stau.

Die vom Senat geplanten Hafenprojekte sind deutlich unterfinanziert, geht aus der Antwort des Senats auf eine Große Anfrage der Bürgerschaftsfraktion der Grünen hervor. Demnach klafft zwischen den Projekten, welche die Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) bis 2018 geplant hat, und den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln eine Differenz von 444 Millionen Euro. Zu den Projekten gehören zum Beispiel die Elbvertiefung, die Hafenerweiterung Altenwerder und die Ersatzbauten für zahlreiche marode Straßen und Brücken im Hafen.

In seiner Drucksache hat der Senat erstmals das Kostenvolumen dieser Projekte und seine Finanzmittel offen gegenübergestellt. Ergebnis: Die in diesem und im kommenden Jahr auflaufenden Projektkosten können noch bezahlt werden. Das Geld dazu nimmt der Senat aus dem Börsengang der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), die der Stadt 1,06 Milliarden Euro in die Kassen gespült hat. Von dem Erlös sind noch 334 Millionen Euro übrig. Spätestens 2015 tritt demnach aber das erste Defizit von 83 Millionen Euro auf. Dann ist die HHLA-Milliarde aufgebraucht, und das Geld, das der Senat in der mittelfristigen Finanzplanung für die Hafeninfrastruktur vorsieht, reicht bei Weitem nicht aus, um die Lücke zu schließen: 100 Millionen Euro will der Senat jährlich für den Hafen bereitstellen. Hinzu kommen 24 Millionen Euro vom Bund. Benötigt werden allein 2015 aber 207 Millionen Euro.

"Jetzt ist es offiziell: Bis 2018 fehlen der HPA 444 Millionen Euro", sagt der hafenpolitische Sprecher der Grünen Anjes Tjarks. Im Herbst 2011 habe der Senat noch eine mittelfristige Finanzplanung mit schwarzen Zahlen vorgelegt. "Unter Olaf Scholz hat sich das Plus innerhalb von nur zwei Jahren in ein immer größeres Minus gewandelt." Statt offen und ehrlich eine Debatte zu führen, was wir unbedingt im Hafen brauchen und was wir uns auch leisten können, setzt dieser Senat auf ein Weiterso - ohne Rücksicht auf Verluste. Die Hafenpolitik dieses Senats habe nichts mehr mit Planung zu tun, sondern sei nur noch Krisenmanagement.

Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) widerspricht dieser Darstellung: "Für den Unterhalt und den Ausbau des Hafen sind gegenwärtig erhebliche Mittel eingeplant, die für den Haushalt eine große Belastung darstellen. Aus Sicht des Senats wurde eine angemessene Balance zwischen dem wirtschaftspolitisch Notwendigen einerseits und den haushaltspolitischen Restriktionen andererseits gefunden", sagte der Senator. Auch die drohende Finanzierungslücke sieht er nicht so problematisch: Wegen der hohen rechtlichen, planerischen und technischen Komplexität vieler Infrastrukturprojekte komme es häufig zu nicht unerheblichen Verzögerungen, sagte Horch. "Aus diesem Grund ist die genannte Differenz zwischen HPA-Planung und Haushaltsplanung der Stadt eine theoretische Größe, von der keiner wirklich vorhersehen kann, ob sie tatsächlich so eintritt." Hier werde möglicherweise ein Problem dramatisiert, dass sich in diese Form gar nicht stellen wird.

Die Zahlen, die der Senat jetzt vorgelegt hat, sagen aber etwas anderes: Die 124 Millionen Euro, die Bund und Land jährlich für den Hafen bereitstellen, decken gerade einmal die Kosten für Baggerarbeiten in der Elbe und Ersatzinvestitionen für Bahn, Straße und Brücken. Für den Ausbau und die Weiterentwicklung des Hafens bleibt dann nichts mehr übrig. Insgesamt rechnet die HPA bis 2020 mit einem Projektvolumen im Wert von 1,8 Milliarden Euro.

Doch woher soll das Geld kommen? Vom Senat nicht, sagt Horch: "Die mittelfristige Finanzplanung des Senats gibt im Interesse der Haushaltskonsolidierung den verfügbaren Finanzierungskorridor vor, an den sich auch die Investitionsplanung für den Hafen anpassen muss." Um den verfügbaren Handlungsspielraum zu erweitern, müsse die HPA zusätzliche Finanzierungspotenziale erschließen, so Horch - etwa durch mehr Effizienz, durch Einnahmensteigerungen und durch die stärkere Einbeziehung privater Dritter in die Projektfinanzierung.

Das bedeutet, dass die Hafenwirtschaft Geld für den Hafenausbau bereitstellen soll. Doch die winkt ab: "Die Mieten und Pachten, die die Hafenunternehmen bezahlen, sind auskömmlich, um die hafenspezifische Infrastruktur zu erhalten", sagt der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Gunther Bonz. Das große Defizit der HPA liege aber in der Erhaltung der allgemeinen Infrastruktur wie Brücken und Straßen. "Und das ist Aufgabe der öffentlichen Hand", sagt Bonz.