Hamburgs Flughafenchef Eggenschwiler über die häufigen Streiks, die Verantwortung der Gewerkschaft und ein katastrophales Februar-Ergebnis.

Hamburg. Der Hamburger Flughafen hat in diesem Jahr bereits zum vierten Mal mit Streiks die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Sicherheitskräfte eines externen Dienstleisters legten den Betrieb lahm. Rund 100.000 Passagiere konnten nicht abheben. Das Abendblatt sprach mit dem Flughafen-Chef Michael Eggenschwiler über die Auswirkungen der Streiks und der damit verbundenen Flugausfälle.

Hamburger Abendblatt: Herr Eggenschwiler, waren Sie selbst schon von Streiks an einem Flughafen betroffen?

Michael Eggenschwiler: Zum Glück nicht. Aber ich habe viele Bekannte und Freunde, die stundenlang in der Schlange standen und den Flug verpassten.

Seit 2010 waren es Piloten, Stewardessen, Fluglotsen, Vorfeldlotsen und jetzt die Sicherheitskräfte, die abwechselnd die Arbeit niederlegten. Warum streiken so viele Berufsgruppen in der Luftfahrt?

Eggenschwiler: Die Luftfahrt ist ein Verkehrsmittel mit hoher Emotionalität und besteht aus einer Kette von Dienstleistungen. Wenn man ein Glied schwächt, kann das zu massiven Ausfällen führen. Bereits eine kleine Gruppe kann maximale Aufmerksamkeit erregen. Ein Streik am Flughafen ist viel spektakulärer als in einer Autofabrik oder Bäckerei.

Warum treffen Arbeitsniederlegungen so häufig den Hamburger Flughafen?

Eggenschwiler: Das ist statistisch gesehen richtig. Der Mittwoch war der vierte Streiktag in diesem Jahr. Das tut dem Standort Hamburg nicht gut, und das hat er auch nicht verdient. Für uns ergibt sich nur folgendes Problem: Wir haben auf die Tarifverhandlungen keinerlei Einfluss, die Arbeitskämpfe werden auf unserem Rücken ausgetragen. Momentan legen die Sicherheitskräfte den Flugbetrieb in Hamburg und Nordrhein-Westfalen lahm, weil in den beiden Ländern um neue Tarifverträge gerungen wird.

Ver.di fordert Vollzeitverträge für die 600 Sicherheitskräfte am Hamburger Airport und einen Stundenlohn von 14,50 Euro. Bisher bekommen sie 11,80 Euro, die Arbeitgeber bieten 12,75 Euro und ab dem nächsten Jahr 13,50 Euro an. Wie stufen Sie die Arbeitsbedingungen und Gehälter ein?

Eggenschwiler: Die sind absolut okay. Ich halte die Forderung von gut 20 Prozent mehr Lohn für zu hoch. Das ist in der Relation gegenüber unseren anderen Mitarbeitern nicht nachzuvollziehen. Das Geschäft an Flughäfen verläuft in Wellenform, wir müssen morgens und abends die Spitzen abfedern. Deshalb wird in allen Bereichen mit Teilzeitverträgen gearbeitet.

Was halten Sie von der Streiktaktik von Ver.di, teilweise ohne Ankündigung die Arbeit niederzulegen?

Eggenschwiler: Das einzige Ziel von Ver.di ist es, möglichst viel Schaden anzurichten. Der Streik war rücksichtslos, unverantwortlich und unfair. Wir hatten beide Terminals randvoll mit Leuten - und Glück, dass die Stimmung nicht gekippt ist. Das kann nicht das Ziel von Streiks sein. Ich hatte das Gefühl, dass bisher an einer Lösung kein Interesse besteht. Die Gewerkschaft nimmt ihre gesamtgesellschaftliche Aufgabe nicht wahr. Sie verursacht einen massiven Imageschaden für die Luftfahrt und das Exportland Deutschland, der auch internationale Dimensionen annimmt. Wir lächeln über andere Länder, wenn es dort Probleme gibt. Aber wir leiden auch häufig unter Streiks. Dabei müsste Deutschland die Lokomotive sein, die die Wirtschaft in der Euro-Zone zieht - und der entzieht man die Energie.

Leiden Ihre Mitarbeiter unter den Anfeindungen verärgerter Passagiere?

Eggenschwiler: Es gibt Situationen, in denen die Stimmung in den Terminals sehr aufgeheizt ist. Das brauchen wir nicht noch einmal. Ich bin stolz darauf, mit welcher Energie unsere Beschäftigten mitgeholfen haben, den Schaden für die Passagiere zu begrenzen. Viele haben sich sogar freiwillig dafür gemeldet, den Fluggästen zu helfen. Aber das geht auch an die Substanz. Auf der anderen Seite mussten wir Mitarbeiter nach Hause schicken, weil es für sie wegen der Flugstreichungen nichts zu tun gab - und das sind nicht die bestbezahlten Beschäftigen. Ich kann mir denken, dass die Luftsicherheitsassistenten nach Ende des Streiks nicht mit offenen Armen hier empfangen werden. Es gibt viel Unverständnis bei den Mitarbeitern anderer Firmen am Flughafen.

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen haben die Streiks auf den Flughafen?

Eggenschwiler: Dadurch fehlen uns bis jetzt gut 100.000 Passagiere. Das ist keine Kleinigkeit, und das in einem ohnehin nicht einfachen Jahr. Denn durch die Streichung von Air-Berlin-Verbindungen müssen wir den Verlust von etwa 500.000 Fluggästen ausgleichen. Jetzt wird es noch schwieriger, das Plus von 200.000 Passagieren, das wir für 2013 im Vergleich zum Vorjahr geplant hatten, zu erreichen. Beim Umsatz haben uns die Streiks bisher mehr als eine Million Euro gekostet. Das Ergebnis im Februar wird katastrophal sein.

Warum kann der Flughafen bei Streiks an den Sicherheitskontrollen nicht mit eigenem Personal dort aushelfen?

Eggenschwiler: Die Kontrollen liegen in der Verantwortung der Bundespolizei. Uns sind die Hände gebunden.

Fluggesellschaften wollen den Bund auf Schadenersatz verklagen, weil er nichts getan hat, um die Sicherheitskontrollen trotz des Streiks aufrechtzuerhalten. Wird sich der Flughafen Hamburg einer solchen Klage anschließen?

Eggenschwiler: Wir prüfen das. Es ist die Pflicht einer Geschäftsführung, im Interesse des Unternehmens zu handeln. Mir wäre es aber viel lieber, es ließen sich Lösungen finden, die derartige Folgen einer Tarifauseinandersetzung an den Flughäfen künftig verhindern.

Wie könnten solche Lösungen aussehen?

Eggenschwiler: Die Sicherheitskontrolle an den Flughäfen ist laut Gesetz eine hoheitliche Aufgabe, und dafür gibt es gute Gründe. Wenn die Bundesregierung die Möglichkeit schafft, diese Tätigkeit auf private Dienstleister zu übertragen, muss sie aus meiner Sicht in den Verträgen dafür sorgen, dass man nicht ohne Weiteres den Flugverkehr lahmlegen kann. Ich bin für das Grundrecht auf Streiks. Aber ich halte es für geboten, die Hürden für Streiks in Bereichen, die für die Infrastruktur entscheidend sind, höherzulegen.

Was raten Sie Urlaubern, die in gut einer Woche ab Hamburg in die Frühjahrsferien fliegen wollen?

Eggenschwiler: Ich erwarte, dass man den Urlaub ganz normal und ohne Probleme antreten kann. Es kann weder das Ziel von Ver.di noch von den Arbeitgebern sein, den Tarifstreit noch weiter hinauszuzögern. Ich gehe zudem davon aus, dass zumindest am Wochenende nicht gestreikt würde, weil die Arbeitnehmer dann auch keine Zuschläge erhalten würden.

Was planen Sie in den Ferien?

Eggenschwiler: Ich werde auch kurz wegfliegen - ab Hamburg.