Die Stadt spielt eine bedeutende Rolle für den Handel mit dem Reich der Mitte. Wirtschaftskongress gestern Abend eröffnet.

Hamburg. Jacobsmuscheln, Scampispieße, Rindersteaks und Lammkoteletts, frische Shiitakepilze. Es brutzelt und zischt auf der großen Grillplatte. Ein paar Gewürze, etwas Sichuan- oder Erdnusssoße und fertig ist das Gericht. Im Copper House in der Davidstraße suchen sich die Gäste frischen Fisch, Fleisch und Gemüse selbst am Buffet aus und lassen es von den Köchen nach Wunsch zubereiten. Die Idee für ein "Live Cooking"-Restaurant, wie es der Chinese Qiuyi Chen nennt, entstand beim Shoppen. "In einer klassischen Speiseecke eines Einkaufszentrums setzen sich die Gäste in der Mitte zusammen, egal in welchem Imbiss oder in welchem Restaurant rund um den Essensplatz sie ihr Menü geholt haben", so Chen. Genau dieses Konzept wollte er in seinem Restaurant in Hamburg umsetzen, nur eben an die europäischen Gewohnheiten angepasst. Qiuyi Chen betreibt das Restaurant gemeinsam mit seinen vier Geschwistern. Ihnen gehört auch das Restaurant Ni Hao in Wandsbek, das auf moderne chinesische Küche setzt. "Das Ni Hao betreiben wir seit 1994. Das Copper House haben wir 2007 eröffnet", so Chen. Er stammt aus einer Gastronomenfamilie.

Seine Eltern emigrierten aus China nach Europa, als er zwei Jahre alt war. Sie eröffneten in den Niederlanden ein kleines chinesisches Restaurant. Mit zehn Jahren folgte ihr Sohn Qiuyi Chen ihnen nach Europa. Zuerst sah es auch nicht danach aus, dass der heute 38-Jährige in ihre Fußstapfen treten würde. Qiuyi Chen studierte in den Niederlanden Physik und begann nach dem Studium für Philips in Hamburg zu arbeiten. Sein Bruder betrieb da schon das Ni Hao in Wandsbek. "Wir haben sehr viel Erfahrung in diesen Jahren gesammelt", so der chinesische Gastronom. Damals hätte chinesische Küche ein "Imageproblem" gehabt, sagt Chen. "Die klassische Küche muss schon auf den deutschen Geschmack abgestimmt werden, damit sie gut ankommt", so der Gastronom. "Außerdem ist deutschen Gästen eine gut sortierte Getränkekarte, auf der auch mehrere Weine zur Wahl stehen, mindestens genauso wichtig wie die Menükarte", sagt Chen heute. In der "Live Cooking"-Idee sah er Potenzial und wurde dann doch Restaurantbesitzer.

So wie Qiuyi Chen haben viele Chinesen in Hamburg ihr eigenes Unternehmen gegründet. Mindestens 440 sind es nach Angaben der Hamburger Wirtschaftsförderung (HWF). Derzeit führt die HWF eine größere Erhebung zu diesem Thema durch. "Um weiterhin eine hohe Anzahl von Ansiedlungen chinesischer Unternehmen zu erzielen, muss sich Hamburg neue Märkte in China erschließen" heißt es von dort. Besonders Nordchina sei dabei attraktiv. "Auf Grundlage der in den letzten knapp 30 Jahren gesammelten profunden Marktkenntnis in China wird Hamburg seine Spitzenstellung als Handelspartner und Standort für chinesische Investitionen in Europa weiter ausbauen", sagt Jutta Ludwig, Vorsitzende der Geschäftsführung der HWF, die lange Zeit Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Peking war. "Dabei werden die innovativen Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen in Hamburg eine wichtige Rolle spielen", so Ludwig, wie die Cluster in der Luftfahrt, Logistik oder erneuerbare Energien.

Um die Beziehungen zwischen Europa und China geht es auch auf dem Hamburg Summit, der gestern Abend mit einem Essen im Commerzsaal der Handelskammer eröffnet wurde. Der Vizepräsident des 11. Nationalen Komitees CPPCC in China, Wan Gang, sowie Georgios Papastamkos, Vizepräsident des Europäischen Parlaments, begrüßten dabei die Gäste des "Hamburg Summits: China meets Europe" in der Hansestadt. "Hamburg spielt für Deutschlands Handel mit China eine überragend wichtige Rolle: Über unseren Hafen und unsere Außenhändler wird der Großteil der chinesischen Waren eingeführt, die für den deutschen und europäischen Markt bestimmt sind", so der Präses der Handelskammer, Fritz-Horst Melsheimer.

Umgekehrt sei Hamburg auch das Exportkontor für Produkte aus ganz Europa, die nach China geliefert werden. "Unsere Stadt ist die zentrale Drehscheibe, über die Waren zwischen China und ganz Europa bewegt werden", so Melsheimer. Damit sei Hamburg der ideale Standort für eine hochrangig besetzte Wirtschaftskonferenz, bei der die wichtigsten Themen der europäisch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen diskutiert werden.

"Der Hamburg Summit ist ein wichtiges Forum für den Dialog zwischen Europa und China. Denn nur der Dialog kann zwischenmenschliche Missverständnisse beseitigen, die sehr oft durch sprachliche Barrieren oder unterschiedliche kulturelle Hintergründe entstehen", sagt auch Mang Chen, wohl einer der bekanntesten chinesischen Unternehmer in Hamburg. Ihm gehört das Hamburger Reiseunternehmen Caissa Touristic. Chen bringt jährlich rund 100 000 chinesische Touristen nach Europa. Im kommenden Jahr feiert er das 20. Jubiläum seines Unternehmens. Heute gilt Caissa als der größte Reiseanbieter für chinesische Reisende in Europa. Aber angefangen hat Chen ursprünglich ganz klein.

Der Chinese, der in Chengdu in der Provinz Sichuan geboren wurde, arbeitete als Lehrling in einer Druckerei in China, als er begann, deutsche Wörterbücher auswendig zu lernen. Mit seinen Deutschkenntnissen führte er dann erst deutsche Reisegruppen durch China. Mit 28 gab er schließlich alles auf und ging nach Deutschland. In Gießen studierte er BWL und hatte schon da die Idee, Europareisen für Chinesen zu organisieren. Er gründete 1993 Caissa mit damals zwei Mitarbeitern. Heute zählt seine Firma über 2000 Angestellte weltweit. Nebenbei engagiert sich Chen auch für den kulturellen Austausch zwischen China und Europa. Im Sommer holte er junge chinesische Musiker nach Hamburg, um ihnen Einblicke in die deutsche Musiklandschaft zu geben. Er selbst ist ein großer Fan der klassischen Musik, besonders von Beethoven, den er aber während der Kulturrevolution in China nicht hören durfte.

Für Chen ist der wichtigste Brückenschlag zwischen zwei verschiedenen Kulturen "der direkte Dialog", das offene "Aufeinanderzugehen", wie er sagt. Das gilt auch für die deutschen Touristen, die er nach China bringt. Er arrangiert auf den Reisen Treffen mit chinesischen Einheimischen. "Unsere Chinareisenden sollen ein tiefes Verständnis von der chinesischen Kultur und Kunst entwickeln und sich nicht nur oberflächlich mit dem Reich der Mitte beschäftigen", so Chen.