Fiat-Chef Sergio Marchionne hat Charisma und ist erfolgreich. Dennoch sprechen einige Argumente gegen die Ehe der beiden Autohersteller. Eine Pro und Contra-Liste.

Hamburg. Fiat-Chef Sergio Marchionne ist ein Mann, der immer für eine Überraschung gut ist. Nicht nur, dass Fiat noch Mitte April jegliches Interesse an Opel abgestritten hat. Gestern, zwei Wochen nach diesem Dementi, reiste der Automanager bereits in seinem Maserati in Berlin an, um mit Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) über Einzelheiten einer Übernahme der deutschen GM-Tochter zu sprechen.

Marchionne überrascht aber auch in seinem eigenen Konzern: So stattete der Topmanager einst einer wenig erfolgreichen Fiat-Niederlassung einen Besuch ab, gab sich als Flotteneinkäufer aus, wurde erwartungsgemäß schlecht behandelt und zog harte Konsequenzen. Am abenteuerlichsten, am allerwenigsten zu erwarten war aber wohl die Tatsache, dass Marchionne nach seinem Antritt 2004 bei dem damals vor dem Aus stehenden Fiat-Konzern das Ruder wieder herumreißen konnte. Selbst in der Krise kann der Italiener noch punkten. So erzielte Fiat im ersten Quartal ein Absatzplus von 14,7 Prozent, während der Pkw-Verkauf in Europa zuletzt um neun Prozent einbrach. In Deutschland legte der Konzern gar um 200 Prozent zu.

Trotz der Erfolge, die der stets - auch gestern in Berlin - Pullover tragende Automann vorzuweisen hat, sind die kritischen Stimmen gegenüber der Fiat-Opel-Allianz in Deutschland in der Überzahl. Politiker, Gewerkschaften und Brancheninsider liebäugeln eher mit dem kapitalstarken Autozulieferer Magna als Opel-Partner. Es gibt aber auch Pluspunkte für Fiat. Eine Übersicht:

Pro:

  • Fiat-Chef Sergio Marchionne ist schnell. Er hat als Branchenneuling innerhalb weniger Monate etliche Schwächen bei Fiat schonungslos aufgedeckt. Die Erfolge, die er mit Kleinwagen wie dem neu aufgelegten Kultauto Fiat 500 und mit besserer Kundenorientierung bei Fiat erzielte, können auch Opel zu neuem Schwung verhelfen.
  • Marchionne hat gute Beziehungen, die er auch für Opel einsetzen könnte. Der Manager kommt bei Politikern, Gewerkschaftern und in den Medien gleichermaßen an. Selbst US-Präsident Barack Obama lobt Fiat überschwänglich. Die deutschen Opel-Manager haben sich bisher dagegen nicht gerade als Charismatiker erwiesen. Marchionne ist außerdem Kosmopolit und daher für eine transatlantische Ménage à trois zwischen Fiat, Opel und Chrysler wie geschaffen. "Er ist ein Manager, der in der Lage ist, mit der gleichen Mentalität der Amerikaner zu sprechen und zu verhandeln", lobte der Enkel der Fiat-Gründerfamilie Agnelli, John Elkann, jüngst seinen Manager Marchionne, der als Kind mit den Eltern von Turin nach Kanada emigrierte.
  • Die Autosparte von Fiat ist mit einer Jahresproduktion von 2,2 Millionen Autos zu klein, um langfristig zu überleben. Das gleiche gilt aber auch für Chrysler und Opel. Gemeinsamer Einkauf, Entwicklung und Plattformstrategien können Kosten senken.
  • Fiat will drei Opel-Werke erhalten. Derzeit werden die Hälfte der Fiats, Alfa Romeos und Lancias in Italien gefertigt, wo die Löhne mit 1200 Euro netto einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Hochlohnstandorten darstellen. Aber Marchionne beklagt schon länger, dass die Produktivität der Italiener wegen rigider Gewerkschaften geringer ist als in deutschen Autofabriken.
  • Fiat setzt auf langfristiges Wachstum: John Elkann hat schon vor zwei Jahren Interesse an deutschen Firmen bekundet, "dort kommen zwei gute Dinge zusammen", erklärte er damals, "sehr gute Ingenieure und eine Regierung, die den Umweltschutz fördert". Es ist Ziel der Agnellis, zu einer der mächtigsten Industriellenfamilien der Welt zu werden.

Contra:

  • Opel und Fiat sind direkte Konkurrenten mit vergleichbaren Fahrzeugen auf den gleichen Märkten. Bei den Überkapazitäten auf dem Automarkt bedeutet dies, dass nicht alle Produktionsstätten ausgelastet werden können, zumal der angeschlagene Chrysler-Konzern im desaströsen US-Markt ebenfalls zu viel herstellt. Tausende Arbeitsplätze sind damit bedroht. Dies ist das Hauptargument der Befürworter einer Opel-Ehe mit dem Autozulieferer Magna. In diesem Fall gäbe es weniger Überschneidungen bei den Werken.
  • Fiat sitzt anders als Opel-Interessent Magna auf einem Schuldenberg. "Ich frage mich, woher soll dieses hoch verschuldete Unternehmen die Mittel nehmen, um gleichzeitig bei Chrysler einzusteigen und nach Opel zu greifen?", sagte EU-Industriekommissar Günter Verheugen kürzlich. Fiat bezifferte seine Nettoverschuldung im März auf 6,6 Milliarden Euro und erlitt auch im ersten Quartal einen Verlust. Aber: Fiat versicherte, schuldenfrei in die Dreierallianz zu gehen.
  • Fiat strebt keine strategische Partnerschaft an, glaubt Opel-Betriebsratschef Klaus Franz. Das Unternehmen wolle lediglich kurzfristig an die deutschen Staatshilfen kommen. "Fiat hat 14,2 Milliarden Euro Schulden und richtig dicke Liquiditätsprobleme. Die kommen derzeit nicht an Geld", sagte Franz.