Der Umsatz in der Branche soll auf fast 2,6 Milliarden Euro steigen. Die Produktion wird immer mehr von China nach Osteuropa verlagert.

Hamburg/München. "Handpuppen, Eisenbahnen, Bauklötze und Bilderbücher - eigentlich kaufen die Leute alles bei mir, wenn die Qualität stimmt", sagt Karen Hartmann, Inhaberin des Spielwarengeschäfts Majoli. Die 58-Jährige strahlt, wenn sie zwischen den Spielzeugregalen des bunten Geschäfts auf der Uhlenhorst steht - und besonders jetzt in der Vorweihnachtszeit hat die Hamburgerin gut zu tun. "Mit meinem Konzept liege ich richtig, denn auch die Kunden wünschen sich hochwertige Geschenke. Lego-Spielzeug wird beispielsweise schon seit Jahren regelrecht als Geldanlage genutzt." Für Geschenke wie Puppenhäuser, Werkzeugkoffer für Kinder und Holzspielzeug würden die Hamburger auch in diesem Jahr wieder gern Geld ausgeben, besonders wenn die Beratung stimme. Hartmanns Stammkunden leben meist in der Nähe des Geschäfts.

Für kaum eine andere Branche ist das Weihnachtsgeschäft so wichtig wie für Spielwarenhändler. 40 Prozent ihrer Jahresumsätze machen Lego, Playmobil und Co. kurz vor der Bescherung, doppelt so viel wie im Schnitt des Einzelhandels. Diese Abhängigkeit könnte für Unsicherheit sorgen, aber die Branche strotzt 2011 derart vor Zuversicht, dass nur über die Höhe des Zuwachses noch debattiert wird. "Wir werden am Ende des Jahres bei drei Prozent Plus liegen", schätzt der Geschäftsführer des Bundesverbands Spielwareneinzelhandel, Willy Fischel. Fünf bis sechs Prozent mehr erwarten sogar auf die Branche spezialisierte Konsumforscher.

+++449 Euro für Weihnachtsgeschenke+++

Damit dürfte das dritte Wachstumsjahr der Spielwarenbranche in Folge dafür sorgen, dass sie hierzulande erstmals fast 2,6 Milliarden Euro umsetzt. Das ist nicht schlecht für eine Branche, die wie sonst kaum eine unter rückläufigen Geburtenraten und der Überalterung der Bevölkerung leidet. Laut einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung wollen die Deutschen in diesem Jahr im Schnitt 241 Euro für Weihnachtsgeschenke ausgeben. Woher der plötzliche Erfolg nach zuvor einem Jahrzehnt Talfahrt kommt, wissen Händler und Hersteller selbst nicht so genau. Begonnen hat die Branchenkonjunktur ausgerechnet im "Krisenwunderjahr" 2009, schwärmt Ulrich Brobeil, Vizechef des Spielwarenindustrieverbands DVSI. Das brachte vier Prozent Wachstum. Danach folgten fünf Prozent Plus und jetzt sorgt 2011 für anhaltende Euphorie.

Die Kunden kaufen zunehmend Marken und qualitätsbewusst, sagen Experten. Lernspielzeug sei mit den für Deutschland schlechten PISA-Tests in Mode gekommen. Schließlich sei Elektronik ein Wachstumstreiber. Neuheiten, die maximal zwei Jahre am Markt sind, sorgen für die Hälfte aller Umsätze. Und 14 Prozent aller Spielwaren kaufen Erwachsene für sich selbst.

Auch bei Toys'R'Us, dem weltweiten Marktführer in Sachen Spielwaren, ist das Weihnachtsgeschäft bereits gut angelaufen. Dort verspricht man sich von Produkten wie Spielekonsolen, Brettspielen und den beliebten Lego-Bausteinen gute Geschäfte. "Dauerbrenner sind zudem elektrisch betriebene Autos und elektrische Stofftiere als kostengünstige Alternative zum echten Haustier", sagt eine Sprecherin. "Und natürlich das Bobby Car erfreut sich nach wie vor größter Beliebtheit."

Bislang galt China als die Spielwarenfabrik der Welt. Doch das wird nach Meinung der Experten nicht mehr lange so sein, sollten die jüngsten Trends anhalten. Drei Viertel aller Spielzeuge wurden noch vor drei Jahren in China produziert. Heute sind es 60 Prozent, schätzt Brobeil. Allein 2010 sei der Importwert chinesischer Spielwaren um gut ein Fünftel gesunken und dieses Jahr bröckelt er weiter. "Deutsche Hersteller kehren nach Europa zurück und dieser Trend wird sich fortsetzen", heißt es vom DVSI. Begonnen hat die Entwicklung mit dem Puppenhersteller Steiff, der die Produktion von China nach Portugal verlagerte. Die fränkische Simba Dickie Group lässt Bauklötze jetzt sogar wieder im Bayerischen Wald oder Holzeisenbahnen in Tschechien fertigen. Vor allem nach Osteuropa werde Produktion aus China verlagert, sagen Fachleute. Grund dafür ist zum einen, dass Chinas Spielwarenfabriken das Personal ausgeht. Andere Branchen wie die Elektro- oder Autoindustrie zahlen höhere Löhne. Zum anderen haben in den letzten Jahren Skandale um schadstoffbelastete Spielwaren speziell aus China die Trendwende in der Produktion erzwungen. China hat vielen Spielwarenfabriken als Reaktion die Exportlizenz entzogen, um Imageschäden zu begrenzen.

In der EU gilt seit Juli eine verschärfte Spielzeugrichtlinie. Die durch steigende Qualitätsanforderungen wachsenden Produktionskosten seien ein weiterer Grund, warum sich Hersteller in China umorientieren, sagen Experten. Die veränderte Beschaffung und auch steigende Rohstoffkosten könnten dafür sorgen, dass Spielwaren nächstes Jahr knapp ein Zehntel teurer werden, warnen Handel und Industrie. Aber schon im Vorjahr wurden Preissteigerungen angekündigt, ließen sich dann aber nicht durchsetzen. Auch die Regale sollen 2011 anders als im Vorjahr, wo begehrte Produkte rasch ausverkauft waren, bis zum 24. Dezember gut gefüllt sein, verspricht der Handel.

Karen Hartmann wird ihre Kunden ebenfalls bis Heiligabend mit Geschenken versorgen - besonders für die kurzfristigen Weihnachtseinkäufe möchte sie die letzte Anlaufstelle sein. "Auf lange Sicht wird für uns Einzelhändler die Konkurrenz durch das Internet immer größer", sagt die Hamburgerin. "In den Innenstädten wird das wahrscheinlich weniger problematisch, aber ob es die kleinen Geschäfte in den Randbezirken in zehn Jahren noch gibt - da bin ich mir nicht sicher."