Am Unikai verlädt die HHLA Autos, Großfahrzeuge und Projektladung jeder Art. Ein hoch spezialisiertes Geschäft auf Hamburgs vielfältigstem Terminal.

Hamburg. Der Fahrer lässt den Motor des Panther-Panzers an und versucht, den Koloss rückwärts in Bewegung zu setzen. Doch das Kettenfahrzeug kommt nicht über die Rollböcke hinüber auf die Stahlplattformen. Der Motor röhrt ein ums andere Mal auf. Dann nehmen die Männer an der Rampe die Böcke weg. Zwei Schwerlastlader setzen die Stahlpaletten ein Stück zurück an das hintere Ende des Lastwagens. Der Panzer fährt auf gleicher Höhe darauf und wird dann abgesenkt.

Aus der Fahrerluke des Panthers steigt ein Arbeiter der HHLA. "Kann nicht schaden, wenn man Leute hier hat, die bei der Bundeswehr den Panzerführerschein gemacht haben", sagt Michael Harth, 38, Leiter des Schwergutumschlags von Unikai auf dem HHLA-Terminal O'Swaldkai. "Unsere Leute hier können fast alles fahren, was man an Land so bewegt." Zum Beispiel diesen 20 Tonnen schweren Nachbau des Panthers, eine Panzerattrappe, die aus Ungarn kommt und nach New York verschifft werden soll. Was die Amerikaner damit wollen, weiß Harth allerdings auch nicht.

Der Unikai betreibt Hafenumschlag in vielfältigster und zugleich extremer Form. Rund 150 000 Autos jährlich, neue und gebrauchte, gehen von hier aus außer Landes, zudem Lastwagen, schwerste Baumaschinen, Lokomotiven, Teile für Industrieanlagen und eben auch mal ein seltsames Panzerplagiat. Die Kunst der Unkai-Mitarbeiter besteht darin, Im- und Exportladung jeder Art von und an Bord sogenannter ConRo- oder RoRo-Schiffe zu bringen: "Wir machen die Ladung hier rollbar, vor allem auf Trailern, sofern sie noch nicht rollt", sagt Harth bei der Fahrt über das Terminal.

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Der Container hat den Gütertransport in den vergangenen Jahrzehnten komplett revolutioniert. Fast jedes Stückgut, das transportierbar ist, geht heutzutage in den genormten Stahlkisten auf die Reise um die Welt. Aber eben nur fast jedes: Der Massentransport von Automobilen würde im Container keinen Sinn machen. Hunderte tonnenschwere Rollen an importiertem Druckpapier, die in einer der Hallen gestapelt sind, werden ebenfalls einzeln vom Schiff auf das Terminal gebracht. Und eine Lokomotive wie die vor Harths Wagen würde beim besten Willen nicht einen Container passen.

Der blaue Koloss für die kanadische Bahngesellschaft AMT ist sogar zu schwer für das deutsche Schienennetz. "Die Lokomotive und ihre Drehgestelle wurden mit Schwertransportern auf der Straße hergebracht", sagt Harth. "Den 150-Tonnen-Trailer, auf dem sie jetzt steht, haben wir gemeinsam mit dem Hersteller der Lok, Bombardier, entwickelt. Wir haben Schienen montiert, die Drehgestelle draufgestellt und die Lok dann aufgesetzt." In Kanada soll die mächtige Zugmaschine direkt vom Trailer auf ihre Gleise fahren.

Am Unikai läuft eine Leistungsschau der deutschen Industrie, wie sie eine Hannover Messe nicht zeigen könnte. Auf dem Weg zu ihren Zielorten wirken die riesigen Werkstücke anders als auf einem Messestand, so wie der Teleskopkran, der gerade mit donnerndem Motor auf die Rampe des Schiffes fährt. Auf dem Schwergutterminal macht die Ladung etwas her, während im Containerumschlag einförmige Stahlwände dominieren. Weder Terminals noch Reedereien wissen, was in den Kisten transportiert wird, mit Ausnahme von Gefahrgütern.

Der Containertransport ist hochgradig standardisiert. Im Schwergutgeschäft hingegen braucht nahezu jedes einzelne Werkstück eine eigene Lösung für die Stauung und Sicherung auf dem Trailer und auf dem Schiff.

Stefan Schomaker, 35, ein Lascher des Gesamthafenbetriebs (GHB), steht in einer Halle vor einer großen Holzkiste. Darin verpackt ist ein 60 Tonnen schweres Bauteil für ein Kraftwerk. Mit orangefarbenen Stahlketten wird das Aggregat am Trailer fixiert. "Der Hersteller hatte vergessen, Anbringungspunkte für das Laschgeschirr an das Bauteil zu setzen", sagt Schomaker. "Wir mussten mithilfe der Konstruktionspläne Eisenträger anschweißen lassen und Löcher für die Laschketten in die Kiste sägen." Solche Improvisation fasziniert den Hafenarbeiter an seinem Job auf dem Schwergutterminal. "Das hier ist Teamwork und sehr vielfältig. Der Container wäre nichts für mich."

Experten wie Schomaker sind knapp. Der Container hat das klassische Stückgutgeschäft im Hafen verdrängt, irgendwann blieb auch der Nachwuchs für die Versorgung der übergroßen Projektladung aus. "Wir bilden gemeinsam mit dem GHB Mitarbeiter für das Laschen von Schwergut und dessen Handling aus", sagt Harth. "Das ist eine hoch spezialisierte Tätigkeit."

Weniger kompliziert, aber dennoch arbeitsaufwendig ist das Verladen der Autos auf die Schiffe. Einen Wagen nach dem anderen fahren die Unikai-Mitarbeiter an Deck der "Grande Amburgo", ein klobiges, 215 Meter langes Spezialschiff der Reederei Grimaldi für den kombinierten Transport von rollendem Gut und Containern. Fahrer der Stauerei Tiedemann holen die Männer wieder ab, nachdem sie die Wagen im Schiff geparkt haben, und bringen sie im Auto zum nächsten Durchgang zurück an den Parkplatz für die Neuwagen.

Hunderte Altautos stehen auf einer anderen Fläche des Unikais, teils in abenteuerlichem Zustand, etliche von ihnen voll gepackt mit Gebrauchsgütern, Kleidung und was sonst hineinpasst. Die meisten der Autos gehen nach Westafrika. "Das sind rollende Container", sagt Harth, "der Inhalt ist oft wertvoller als das Auto. Viele sind überladen. Die müssen ihre Besitzer nach dem Wiegen wieder auspacken." Wie legal oder illegal die Fracht in den Rostlauben sein mag, weiß niemand außer der Zoll nach seinen Stichproben.

In seinem Büro steht Michael Sieck, Geschäftsführer des Unikais und der benachbarten Frucht- und Kühlanlagen der HHLA, vor einer riesigen Luftaufnahme des O'Swaldkai. "Die ist noch ziemlich aktuell", sagt er mit Blick auf die vielen Baustellen in der HafenCity. In der Endphase des schwarz-grünen Senats wurde intensiv über die Verlagerung der Universität an den Hafen debattiert. Auch das Terminal O'Swaldkai hatten die Projektplaner im Visier. Das Wort "Industriebrache" machte damals die Runde und sorgte im Hafen für Verdruss. Sieck und seine Mitarbeiter ärgern sich darüber bis heute.

"Hier sehen sie die vielleicht lebendigste Industriebrache Deutschlands", sagt Sieck ironisch. Rund eine Million Tonnen schlägt allein der Unikai mit Fahrzeugen und Schwergut im Jahr um. 60 eigene und je nach Bedarf mehrere Hundert Mitarbeiter von Fremdfirmen halten den Betrieb in Schwung. Von 2005 bis 2008 wurde die Anlage komplett modernisiert. Gut geordnet arbeiten der Fruchtumschlag der HHLA und das Reifezentrum von Edeka, der Export von Neu- und Gebrauchtwagen, der Import und Export von Schwergut auf dem Terminal nebeneinander.

"Vor dem Umbau des Terminals hatten wir hier rund 600 Lastwagen am Tag, und sie standen teils bis auf den Veddeler Damm. Heute fertigen wir bis zu 800 Lkw ab, und dank der neuen Vorstauflächen läuft das problemlos. Außer Flüssig- und Massengut machen wir hier alles, was im Hafenumschlag möglich ist", sagt Sieck stolz. Der O'Swaldkai ist ein Hafen im Hafen. Der einzige seiner Art in Hamburg.

Morgen: Mit Maike Brunk auf Hafenrundfahrt

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