Der Bundesgerichtshof (BGH) hebt die Schadenersatz-Urteile gegen die Commerzbank auf. Alle Fälle werden nun noch einmal neu verhandelt.

Hamburg/Karlsruhe. Die Käufer von Zertifikaten der pleitegegangenen Lehman-Bank haben wenig Chancen auf Schadenersatz. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in vier Fällen die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und sie an die Oberlandesgerichte Frankfurt/Main und Köln zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. In den bisherigen Verfahren gegen die Commerzbank war den Anlegern Schadenersatz von bis zu 300.000 Euro zugesprochen worden, weil die Bank nicht darüber aufgeklärt hatte, dass sie Rückvergütungen in Höhe von 3,5 Prozent des Anlagebetrags von Lehman bekam. "Mit dieser Begründung gibt es keinen Anspruch auf Schadenersatz", stellte BGH-Richter Hans Ulrich Joeres gestern nach der Verhandlung fest.

Betroffen von der Entscheidung ist auch ein Ehepaar aus Halstenbek, das im Jahr 2007 bei der Dresdner Bank ein sogenanntes Global Champion Zertifikat von Lehman für 25 000 Euro erworben hatte. Mit der Insolvenz der US-Investmentbank im September 2008 wurden die Papiere wertlos. Die Commerzbank ist inzwischen der Rechtsnachfolger der Dresdner Bank.

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"Mit der Verweisung an die Vorinstanz werden die Karten neu gemischt", sagt der Hamburger Anwalt Ulrich Husack, der die Urteile in der ersten und zweiten Instanz für das Halstenbeker Ehepaar erstritten hatte. Aus der BGH-Entscheidung lasse sich aber nicht ableiten, dass Lehman-Geschädigte keinerlei Anspruch auf Schadenersatz hätten. "Pflichtverletzungen der Bank können sich auch aus anderen Aspekten wie etwa der Aufklärung der Kunden über die Struktur und die Risiken des Zertifikats ergeben", sagt Husack. Diese bereits erhobenen Beweise müssten jetzt vom Gericht neu bewertet werden. Ob sich daraus aber ein Anspruch auf Schadenersatz ergibt, ist völlig offen. Bei den Papieren handelt es sich nicht um Garantiezertifikate, sondern der Anlageerfolg hängt von der Entwicklung dreier großer Aktienindizes ab. Daraus ergeben sich besondere Anforderungen an die Risikoaufklärung.

Die Vorinstanzen hatten sich lediglich auf die Vergütungsproblematik konzentriert. "Es hat sich gezeigt, dass dieser Ansatz beim BGH nicht ausreicht, um den Anlegern zu ihrem Recht zu verhelfen", sagt Husack. Bereits im September 2011 hatte der BGH die Schadenersatzklagen zweier Hamburger Anleger gegen die Hamburger Sparkasse zurückgewiesen. Auch in diesen Fällen kam der BGH zu dem Schluss, dass über eine Gewinnmarge der Bank nicht aufgeklärt werden muss.

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Dabei hatte der BGH diese Grundsätze einst selbst aufgestellt. Der Kunde soll damit erkennen, ob die Bank besondere eigene Interessen am Verkauf der Produkte hat. Darauf stützten sich auch die Urteile der Vorinstanzen. Die BGH-Entscheidungen, die sich auf den Verkauf von Investmentfonds mit einem Ausgabeaufschlag bezogen, will der BGH aber offenbar nicht auf die Zertifikate ausgeweitet sehen. Vielmehr hat er für diese Finanzprodukte eigene Grundsätze entwickelt.

Bei einem Festpreisgeschäft besteht grundsätzlich keine Aufklärungspflicht. Die Bank erwirbt in diesem Fall die Papiere auf einen Schlag und verkauft sie dann an ihre Kunden weiter. Über die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis des Geldhauses muss der Kunde nicht informiert werden, nicht einmal darüber, dass es sich um ein Festpreisgeschäft handelt.

In den jetzt verhandelten Fällen ging es um ein Kommissionsgeschäft. Die Bank erwarb von Lehman nur so viele Zertifikate, wie der einzelne Kunde wollte. Dafür gab es eine Provision von 3,5 Prozent. Auch das muss der Kunde nicht erfahren, wenn er die Papiere wie in diesem Fall ohne einen Aufschlag zum Nominal- oder Kurswert erwirbt, urteilten die Richter jetzt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz machen die Richter lediglich, wenn der Kunde selbst eine Provision im Form eines Ausgabeaufschlags zahlt, der dann ohne Wissen des Kunden an die Bank fließt. Nur das sei aufklärungspflichtig.

"Das ist eine sehr feinsinnige Rechtsprechung, die die Kunden nicht nachvollziehen können, da sie die unterschiedlichen Arten der Geschäftsabwicklung gar nicht kennen", sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg. "Für den Kunden ist entscheidend, welche wirtschaftlichen Interessen die Bank beim Verkauf von Produkten hat", sagt Castelló. Das müsse für ihn immer ersichtlich ein. "Auf welchem Wege die Bank dabei ihre Vergütungen erhält, ist völlig unerheblich."