Zwei Hamburgerinnen wollen sich mit dem BGH-Urteil gegen sie nicht abfinden

Hamburg. Die vom Bundesgerichtshof (BGH) abgewiesenen Lehman-Anleger haben jetzt als letzten Ausweg, das Bundesverfassungsgericht, angerufen. "Für meine beiden Mandantinnen aus Hamburg habe ich Verfassungsbeschwerde eingelegt", sagte der Anwalt Richard Lindner dem Abendblatt. Nach seiner Einschätzung hätten die Richter vor einer Entscheidung den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegen müssen, weil bei der Urteilsfindung EU-Richtlinien eine entscheidende Rolle spielen und ihre Auslegung umstritten ist. "Diese Pflicht haben die Richter in grundlegender Weise verkannt", sagte Lindner. In Deutschland sind 50 000 geschädigte Anleger betroffen, deren Chancen auf Schadenersatz nach dem BGH-Urteil deutlich gesunken waren.

"Eine Verfassungsbeschwerde ist die letzte Möglichkeit, um gegen ein Urteil des BGH vorzugehen", sagte der Hamburger Anwalt Ulrich Husack, der die Verfahren in den Vorinstanzen geführt hatte. Beide Klägerinnen hatten auf Anraten der Hamburger Sparkasse (Haspa) jeweils 10 000 Euro in ein Lehman-Zertifikat investiert. Nach der Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers wurden die Papiere wertlos. Während das Landgericht Hamburg die Haspa zu Schadenersatz verurteilte, weil die Bank über ihre Gewinnmarge beim Verkauf der Zertifikate nicht aufgeklärte hatte, hob das Oberlandesgericht Hamburg die Entscheidung auf. Auch mit der Revision vor dem BGH scheiterten die Klägerinnen im September 2011. Der BGH verneinte klar eine Aufklärungspflicht über die Gewinnmarge. "Ich werde alles unternehmen, damit dieses Urteil so nicht stehen bleibt", sagte Brigitte Kuchs-Krupsky, eine der Klägerinnen dem Abendblatt. Das neue Verfahren soll mit Spenden finanziert werden.

Nach zwei EU-Richtlinien müssen die Kunden über alle Zahlungen informiert werden, die Banken durch Wertpapiergeschäfte mit ihren Kunden erhalten. Lindner zählt dazu auch Gewinnmargen. Die Haspa hatte von Lehman einen Einkaufsrabatt erhalten. Die erste Richtlinie stammt schon aus dem Jahr 2004, also lange bevor die Lehman-Papiere von den Klägerinnen 2006 und 2007 gekauft wurden.

Nimmt das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde an, müsste der BGH in der Sache erneut verhandeln und zuvor wahrscheinlich auch den EuGH anrufen. Aber auch ein Abweisen der Beschwerde ist möglich. "Es werden keine Verfahren wegen der Verfassungsbeschwerde ausgesetzt", sagte eine Sprecherin des BGH auf Abendblatt-Anfrage. Schon am 14. Februar soll in einem weiteren Lehman-Fall verhandelt werden. Auch die Haspa bleibt gelassen: "Das ist eine Auseinandersetzung der Kläger mit dem BGH, in die wir nicht unmittelbar involviert sind", sagte Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg dem Abendblatt.