In Stuttgart kommt die Polizei, in Hamburg gibt es Boni trotz roter Zahlen, in Dresden stürzt der Präsident - die lange Liste der Fehlleistungen.

Hamburg. Wüsste man es nicht besser, hätte man in diesem Jahr den Eindruck gewinnen können, etliche der Landesbanken arbeiteten mit Hochdruck auf ihre eigene Abschaffung hin. Denn sie legte keineswegs nur - fast schon wie gewohnt - neue Belastungen durch sogenannte "toxische Wertpapiere" offen.

So musste die BayernLB ihre erst im Jahr 2007 im Zuge eines ehrgeizigen Expansionskurses für 1,7 Milliarden Euro gekaufte österreichische Tochter Hypo Group Alpe Adria nun für einen symbolischen Euro wieder abgeben, nachdem das marode Kärntner Institut unter dem Druck fauler Kredite, offenbar leichtfertig vergeben für Hotelprojekte teils zwielichtiger Investoren in diversen Balkanländern, zusammenzubrechen drohte und verstaatlicht wurde. Die bayerischen Steuerzahler kostet das Adria-Debakel weitere 3,7 Milliarden Euro. Anfang dieser Woche musste BayernLB-Chef Michael Kemmer gehen. Schon im Oktober 2008 hatte Erwin Huber (CSU) als bayerischer Finanzminister wegen eines Milliardenlochs in der Bilanz der von ihm beaufsichtigten Bank das Handtuch geworfen.

Szenen wie im Kinothriller

Nur wenige Tage vor der neuesten Krisennachricht aus München ereigneten sich vor der Zentrale der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) in Stuttgart Szenen, die an einen Kinothriller über organisierte Kriminalität denken ließ: Nach einer Großrazzia schleppen rund 240 Ermittler kistenweise Akten aus dem Gebäude. Der Anlass: Die Staatsanwaltschaft verdächtigt den ehemaligen Bankchef Siegfried Jaschinski, der bereits wenige Monate zuvor abgelöst worden war, und sechs noch amtierende Vorstandsmitglieder der schweren Untreue im Zusammenhang mit Investments in die verlustträchtigen US-Hypothekenpapiere. Offenbar gehen die Staatsanwälte davon aus, dass die Bankmanager nicht nur grob fahrlässig handelten.

Auch die HSH Nordbank geriet nicht nur wegen der hohen Verluste aus faulen Krediten - im Jahr 2008 fiel ein Fehlbetrag von 2,7 Milliarden Euro an - in die Schlagzeilen. Obwohl sich die von Hamburg und Schleswig-Holstein mit einer Kapitalspritze von drei Milliarden Euro über Wasser gehaltene Bank zu einer Begrenzung der Vorstandsgehälter auf 500 000 Euro verpflichtet hatte, erhält HSH-Chef Dirk Jens Nonnenmacher über Bonuszahlungen insgesamt 2,9 Millionen Euro. Nonnenmachers Vorgänger Hans Berger musste im November 2008 gehen, nachdem er die Bedrohung durch die "toxischen Papiere" bis zuletzt heruntergespielt hatte. Ende März trat Werner Marnette (CDU) als Wirtschaftsminister des Landes Schleswig-Holstein zurück, weil er das Sanierungskonzept für die HSH nicht mittragen wollte.

Der Berliner Immobilienskandal

Doch die Kette von Fehlleistungen und Skandalen bei Landesbanken reicht sehr viel weiter zurück. Und auch nicht erst seit Beginn der jüngsten Finanzkrise 2007/2008 haben Politiker bis hin zu Ministerpräsidenten deshalb ihre Ämter verloren.

Ein Beispiel dafür liefert die frühere Bankgesellschaft Berlin, einst die stadteigene Muttergesellschaft der Landesbank Berlin: Nach dem Mauerfall beginnen die Banker Mitte der 90er-Jahre, in großem Stil ostdeutsche Plattenbauten aufzukaufen. Davon verspricht man sich hohe Gewinne in der Zukunft. Zwar müssen die Vorstände schon im Jahr 1996 Abschreibungen in Milliardenhöhe vornehmen, aber man lässt sich nicht entmutigen. Im Gegenteil: Um das vermeintlich so aussichtsreiche Geschäft noch erheblich ausweiten zu können, legen die einfallsreichen Berliner zusätzlich Immobilienfonds auf, die als sichere Anlage an Privatanleger verkauft werden.

Tatsächlich sind die Konditionen - steigende Mieteinnahmen über 25 Jahre werden garantiert - äußerst vorteilhaft für die Bankkunden. Einer der Werbeslogans für die Fonds lautet: "Das gibt's nur einmal - das kommt nie wieder!" Doch die Leerstände sind hoch, die Immobiliengeschäfte der Bankengruppe geraten ins Wanken. Um das zu kaschieren, greift man auf Bilanztricks zurück. Am Ende treiben es die Banker dann doch zu toll: Mit dem verzweifelten Versuch, die Immobilientochter an eine mit Krediten der Bank finanzierte Scheinfirma auf den Cayman Islands zu verkaufen, scheitern sie. Im Jahr 2001 bringt der Bankenskandal, der Berlin bis heute mehr als 4,3 Milliarden Euro gekostet hat, den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) zu Fall.

Das WestLB-Fiasko

Ebenfalls schon vor der Finanzkrise versenkte die Düsseldorfer WestLB Milliarden. Immer wieder machte sie mit Flops von sich reden. Der wohl spektakulärste war die sogenannte Boxclever-Affäre. Eine der Schlüsselfiguren ist die einst als junge Starbankerin gefeierte Robin Saunders, die für eine britische WestLB-Tochter arbeitete und als "Antwort der Londoner City auf Claudia Schiffer" galt. Ihre Abteilung fädelt 1999 einen Kredit über umgerechnet 1,35 Milliarden Euro an die Firma Boxclever ein, deren Geschäftsidee darin besteht, große Mengen von Fernsehern an Kunden zu vermieten. Doch die Hoffnungen erfüllten sich nicht, die WestLB musste einen großen Teil des Kredits abschreiben und der damalige Vorstandsvorsitzende Jürgen Sengera musste im Jahr 2003 wegen dieser und weiterer Verluste gehen.

Sengeras Nachfolger Thomas Fischer, mit seiner Vorliebe für breite Hosenträger wie die des Börsengurus Gordon Gekko aus dem Film "Wall Street" eine auffällige Erscheinung unter deutschen Landesbankchefs, sollte aufräumen, doch auch er blieb glücklos. Diesmal waren es ausgerechnet Fehlspekulationen mit Aktien, die die WestLB mehr als 600 Millionen Euro kosteten und Fischer im Juli 2007 den Job.

Die Gründe für das Debakel

Kurz darauf brach die Finanzkrise offen aus und wieder gehörte die WestLB zu den besonders stark betroffenen Landesbanken. Doch am härtesten traf es wegen immenser Spekulationsgeschäfte mit hochriskanten Papieren die kleine SachsenLB - so hart, dass Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) zurücktrat.

Das Beispiel SachsenLB zeige besonders deutlich, warum etliche Landesbanken so stark auf undurchsichtige Investments setzten, meint Bankenprofessor Martin Faust von der Frankfurt School of Finance and Management: "Das Problem liegt schon in der Eigentümerstruktur der Landesbanken. Ihre Mitanteilseigner sind die Sparkassen, und die wollen nicht, dass die Landesbanken ihnen im normalen Firmenkredit- und Privatkundengeschäft Konkurrenz machen." Um aber die geforderten Renditen verdienen zu können, bleibe den Landesbankchefs kaum etwas anderes übrig, als sich im Ausland und am Kapitalmarkt zu versuchen.

Zudem hätten die weitgehend politisch besetzten Aufsichtsgremien "eindeutig nicht funktioniert", sagt der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel von der Universität Bremen dem Abendblatt. Was ihn aber besonders besorgt: "Die Krise der Landesbanken wird nun weitergegeben an die reale Wirtschaft." Denn wegen deren Finanznöten drohe die Kreditversorgung vor allem der großen mittelständischen Firmen zu leiden.