Preisabsprachen vor allem unter Lebensmittelherstellern. Einnahmen von rund 300 Millionen Euro allein im laufenden Jahr. Kronzeugen helfen der Behörde.

Hamburg. Wütende Konkurrenten, die bei der Wettbewerbsbehörde Anzeige erstatten, Manager, die aus Furcht vor den Folgen ihres illegalen Handelns sich selbst anzeigen, oder einfach nur Beteiligte, die sich erwischen lassen: Seit 2007 sind die Einnahmen des Kartellamts, die an den Bund weitergereicht werden, aus Bußgeldern stark gestiegen. Sie werden verhängt, wenn die Wettbewerbshüter aufdecken, dass Firmen zum Beispiel Preise zum Nachteil von Kunden absprechen oder Verkaufsgebiete untereinander aufteilen. So ist es auch beim Kaffeekartell geschehen. Wie berichtet will die Wettbewerbsbehörde gegen die drei Firmen Tchibo, Melitta und Dallmayr ein Bußgeld von insgesamt 160 Millionen Euro verhängen. Melitta will in die nächste Instanz gehen, Tchibo hat noch keine Entscheidung getroffen, wie ein Sprecher gestern dem Abendblatt sagte.

Allein im laufenden Jahr wird das Bundskartellamt infolge von erfolgreichen Missbrauchsverfahren rund 300 Millionen Euro einnehmen, die Strafen für das Kaffeekartell sind dabei noch nicht berücksichtigt. 2007 waren es laut Behördensprecher Kay Weidner erst rund 114 Millionen Euro. Danach sprang die Summe auf mehr als 300 Millionen Euro. Vor 2007 dümpelte der Betrag meist in einstelliger oder niedriger zweistelliger Millionenhöhe.

Mehr Kronzeugen, die sich bei der Behörde melden und auf Strafnachlass hoffen, aber auch eine gestiegene Sensibilität innerhalb der betroffenen Unternehmen sind nach Weidners Erfahrung die Gründe, warum immer mehr Kartelle auffliegen. Missbräuche, die direkt den Verbraucher treffen, nehmen dabei zu. So ermittelt die Behörde derzeit nicht nur in der Kaffeebranche, sondern auch bei Herstellern von Wurstwaren wegen erhöhter Preise. Im Visier sind zudem einige Mühlenbetreiber geraten - hier geht es um die Manipulation von Weizen- und Roggenmehlpreisen. Außerdem untersuchen die Wettbewerbshüter auffällige Preiserhöhungen für Schokolade und andere Süßwaren. In allen Fällen laufen die Ermittlungen noch. Im Schnitt dauert ein solches Verfahren eineinhalb bis zwei Jahre.

In der Regel müssen die ertappten Unternehmen oder Personen mit einer Kartellstrafe rechnen, die rund zehn Prozent ihres Jahresumsatzes beträgt. Betroffen war jüngst auch die Gasbranche. Wegen unerlaubter Preisabsprachen hat die Behörde im Frühjahr gegen elf Gashändler, darunter auch Töchter von E.on und RWE, ein Bußgeld in Höhe von 250 Millionen Euro verhängt, das aber noch nicht überwiesen wurde.

Das höchste Bußgeld, dass das Bundeskartellamt jemals einforderte, lag im Jahr 2003 bei 649 Millionen Euro. Zementfirmen, darunter auch der Hamburger Konzern Holcim, wurden beschuldigt, über Jahre von ihren Kunden überhöhte Preise gefordert zu haben. Die Unternehmen zahlten allerdings nicht, sondern zogen vor Gericht. Das Ergebnis ist noch offen. Der Vorgang liegt jetzt beim Bundesgerichtshof - obwohl das Oberlandesgericht Düsseldorf die Strafen im Juli dieses Jahres auf 330 Millionen Euro fast halbiert hat. Doch auch diese Summe erscheint den beschuldigten Zementherstellern noch zu hoch.