Hamburg. Rekordhohe Kakaonotierungen an den Rohstoffbörsen lassen voraussichtlich die Schokoladenpreise im nächsten Jahr steigen. "Wenn sich die Rohstoffpreise nicht wieder entspannen, ist das die zwangsläufige Folge", sagte Rüdiger Funke vom Infozentrum Schokolade, einer Einrichtung des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI), dem Abendblatt.

Mit umgerechnet fast 2200 Euro je Tonne kostet Kakao an den Warenterminbörsen in New York und London aktuell so viel wie zuletzt im Jahr 1977. Zwar habe dies auch mit Ernteschwankungen in den vergangenen Jahren zu tun, meint Torben Erbrath, Geschäftsführer der BDSI-Fachsparte Schokolade. Einen deutlich größeren Anteil am besonders steilen Preisanstieg in diesem Jahr hätten aber spekulative Käufe, so Erbrath. Banken und Fonds glaubten derzeit auf den Rohstoffmärkten deutlich höhere Gewinne erzielen zu können als mit anderen Investments. Dabei trage das niedrige Zinsniveau dazu bei, dass auch deutsche Banken an dem "Spekulationskarussell" teilnehmen.

"Die Verbraucher profitieren derzeit noch vom Preiskampf im deutschen Einzelhandel und dem dadurch weiterhin günstigen Preis für Schokolade", sagte Erbrath. Es sei aber wegen des zunehmenden spekulativen Elements zu befürchten, dass der Schokolade das gleiche Schicksal droht wie dem Benzin, und sich die Kunden auf deutlich größere Preisschwankungen einstellen müssen. "Hier wird Monopoly mit Lebensmittelrohstoffen gespielt", so Erbrath. "Den Verbrauchern wird dafür jedes Verständnis fehlen."

Eine wachsende Beteiligung von Fonds am Markt beobachtet auch Sven Grünewald vom Hamburger Kakaohandelshaus Albrecht & Dill. "Die Spekulation macht inzwischen einen erheblichen Teil des Börsenhandels aus. Es gibt aber durchaus auch fundamentale Gründe für den Preisanstieg", sagte Grünewald dem Abendblatt. "Schon seit Jahren ist die Nachfrage größer als das Angebot."

So sei der Anbau im Haupterzeugerland Elfenbeinküste angesichts der dortigen politischen Wirren zurückgegangen. Wegen der Finanzmarktkrise investierten die Bauern in dem westafrikanischen Land, das mehr als ein Drittel der Weltproduktion stellt, nach Ansicht von Marktbeobachtern aber auch zu wenig in neue Kakaobäume.

Auf der anderen Seite lege die Süßwarennachfrage in Osteuropa stark zu, erklärte der Hamburger Händler. Und für Indien sowie China, wo der Schokoladenverbrauch derzeit noch vergleichsweise gering sei, würden mittelfristig mit steigendem Wohlstand ebenfalls deutliche Zuwächse erwartet. "Vor diesem Hintergrund glauben wir an weiter steigende Kakaopreise", sagte Grünewald.

Wenn es dazu kommt, dürften Schokoladenprodukte in den Supermärkten bald teurer werden. "Das Weihnachtsgeschäft ist davon natürlich nicht mehr betroffen", sagte Branchenexperte Funke. "Die Ware dafür ist längst produziert und außerdem kaufen die Hersteller den Rohstoff Kakao zu günstigen Zeitpunkten gleich für neun oder zwölf Monate im Voraus ein." Doch bereits vor einem Jahr setzte ein steiler Anstieg der Kakaonotierungen an den Börsen ein. "Einige Schokoladeproduzenten müssen jetzt zum Tagespreis einkaufen, weil ihre Vorräte weitgehend abgebaut sind", so Funke.

Wie der weltgrößte Hersteller Barry Callebaut (Stollwerck) aus der Schweiz mitteilte, ist der Verbrauch in Westeuropa und in den USA im ersten Halbjahr gesunken, selbst in China hätten die Menschen wegen der Wirtschaftslage weniger Schokolade gekauft. In aufstrebenden Märkten wie Polen, der Türkei und Brasilien habe sich das Volumenwachstum jedoch fortgesetzt.

Branchenkenner Grünewald erwartet noch eine weitere Veränderung am Markt: "Die Schokoladensorten mit besonders hohem Kakaoanteil waren wohl eher eine Mode als ein Trend."