Gewerkschaft befürchtet weiteren Jobabbau. Unternehmen streitet dies ab. Experte nennt neue Strategie “unklug“.

Hamburg. Wieder verschwindet ein traditionsreicher Name aus der Hamburger Versicherungslandschaft: Der Ergo-Konzern nimmt die Marken seiner Töchter Hamburg-Mannheimer und Victoria vom Markt. Beginnend mit der zweiten Jahreshälfte 2010 werden Lebens- und Sachversicherungen unter dem Namen Ergo angeboten. Rechtsschutzversicherungen des Konzerns werde es nur noch unter der Marke D.A.S geben und Krankenversicherungen nur noch unter dem Namen DKV, teilte Ergo mit.

Mit der Strategieänderung wolle man das Geschäft ausweiten, sagte Ergo-Chef Torsten Oletzky: "Wir erhoffen uns mehr Verträge pro Kunde, weil nun besser klar wird, welche Gesellschaften zu Ergo gehören und dass das Rundum-Angebot aus einer Hand stammt."

Einsparungen seien nicht das Hauptziel, sagte Oletzky: "Für die Beschäftigten sind die Auswirkungen sehr gering." Kündigungen werde es nicht geben. "Uns kommt zugute, dass wir viele Integrationsschritte schon in den vergangenen Jahren getan haben." So werden etwa die Lebensversicherungssparten von Hamburg-Mannheimer und Victoria bereits seit Jahren wie ein einziges Unternehmen geführt. Gemäß einem im November 2008 beschlossenen Sparplan will Ergo bis Ende 2010 ohne betriebsbedingte Kündigungen rund 1800 Arbeitsplätze abbauen. In Hamburg solle sich die Zahl der Vollzeitstellen von 2400 auf 2220 reduzieren, hieß es im Sommer.

Die jüngsten Beschlüsse dienten hingegen auch der Sicherung von Arbeitsplätzen, so Oletzky. Bei der Gewerkschaft Ver.di in Hamburg hat man daran jedoch Zweifel. Es sei keineswegs auszuschließen, dass nun eine "zweite Welle" der Streichungen folge, sagte Ver.di-Versicherungsexpertin Ira Gloe-Semler dem Abendblatt. "Im Sinne der Beschäftigten ist die Entscheidung schon deshalb problematisch, weil es einen hohen Grad der Identifikation mit den vertrauten Marken gibt." Daher sei durchaus vorstellbar, dass die Vertriebskraft leide.

Ohnehin sehe man bei Ver.di in Hamburg die Tendenz der auswärtigen Konzernzentralen, immer mehr Versicherungskompetenz aus der Stadt abzuziehen, mit Sorge. So hätten sich zuletzt im Zuge des Zusammenschlusses der Volksfürsorge mit der Generali die Gewichte in Richtung München verschoben, ebenso bei der Umstrukturierung der Allianz. Die Sach- und Lebensversicherungssparten des Deutschen Rings würden nun enger an die Basler Versicherungen in Bad Homburg angebunden und mit dem jüngsten Beschluss der Ergo verringere sich die Bedeutung des Hamburger Standorts abermals - zu Gunsten der Konzernzentrale in Düsseldorf.

Der Assekuranzexperte Manfred Poweleit, Herausgeber des Branchendienstes Map-Report, findet dafür deutliche Worte: "Das ist der Ausverkauf des Versicherungsstandorts Hamburg", sagte er dem Abendblatt. Er hält die neue Ergo-Strategie für unklug: "Man bekommt doch keine neuen Kunden dadurch, dass man ein anderes Schild vor die Tür hängt." Zudem vermittele ein Kunstname wie Ergo eher Kälte als Emotionen. "Dabei spielen gerade bei Versicherungen der Bekanntheitsgrad und das Vertrauen in eine Marke eine große Rolle", so Poweleit. "Es wird Jahre dauern und sehr viel Geld kosten, um den Namen Ergo bekannt zu machen."

Selbst Konzernchef Oletzky räumt das ein: "Es ist mit Sicherheit so, dass wir die Marke Ergo bei den Kunden erst aufbauen müssen." Den Werbeaufwand veranschlage man auf einen "mittleren zweistelligen Millionenbetrag."

Poweleit betrachtet dies als Wertevernichtung: "Ergo hätte besser daran getan, die Überschussbeteiligungen seiner Lebensversicherungen um einen halben Prozentpunkt anzuheben, um am Markt voranzukommen." Schließlich sei die Wettbewerbsposition des Konzerns "grauenvoll": Die Hamburg-Mannheimer habe allein im vergangenen Jahr mehr als 300 000 Verträge mit einem Jahresbeitrag von mehr als 80 Millionen Euro verloren. Nun unternehme man einen "verzweifelten Versuch", wieder Anschluss an den Markt zu finden.

Anlass für die Veränderungen war laut Oletzky die drängende Umbenennung der KarstadtQuelle Versicherungen, die bereits seit dem Jahr 2002 zu Ergo gehören - was für die Kunden anhand des Namens aber nicht erkennbar war. Die Tochter heißt künftig Ergo Direkt Versicherungen, damit ihr Geschäft nicht durch die Pleiten von Karstadt und Quelle beeinträchtigt wird. Diese Änderung wird im ersten Quartal 2010 wirksam.

Teil der neuen Strategie ist auch, dass die Sachversicherer von Victoria, Hamburg-Mannheimer und D.A.S. zu einer Gesellschaft unter dem Namen Ergo fusioniert werden. Für die Lebensversicherer ist dies zunächst nicht vorgesehen, die Hamburg-Mannheimer Leben wird aber in Ergo umbenannt. Die Vertriebe der einzelnen Gesellschaften sollen auch unter dem neuen Namen selbstständig bleiben.