164 kreative Unternehmen tummeln sich in Hamburg. Die Szene hat sich stark verändert - und ihre Bedeutung für die Wirtschaft wächst.

Hamburg. Hamburgs Modedesigner stemmen sich mit Einfallsreichtum gegen die Wirtschaftsflaute. Inzwischen arbeiten 164 dieser Kreativen in der Hansestadt - und "ihre Bedeutung für die Wirtschaft und das Image der Stadt wächst", sagt Heiner Schote von der Handelskammer dem Abendblatt. Die Designer haben große Vorbilder - wie Wolfgang Joop, Jil Sander und Karl Lagerfeld, alles Stars der Branche, die das kreative Potenzial der Stadt, ihre Lebensqualität und den Wohlstand ihrer Bewohner schon vor Jahrzehnten nutzten, um sich an die Weltspitze des Modebusiness zu arbeiten. Die alte Garde arbeitete in Harvestehuder Villen, kreierte Pelzkollektionen und stattete die High Society Hamburgs aus.

Heute zeigt die Branche ein völlig anderes Gesicht. Die Designer arbeiten in Ateliers im Karoviertel und anderen Kreativquartieren. Ihre Mode ist nicht Alsteranwohnern vorbehalten, sondern auch für Schanzengänger erschwinglich. Zwar haben nur wenige den Sprung auf die Schauen nach Paris oder Tokio geschafft, sind international bekannt wie Anna Fuchs, Iris von Arnim oder John Ribbe. Aber viele, auch kleinere Labels, sind selbst in der Krise erfolgreich.

Die Eppendorfer Designer Stefan Harms und Tobias Jopp verkaufen ihr Label FKK neuerdings auch im Internet erfolgreich. Sium aus dem Karoviertel leistet sich einen zweiten Shop in Berlin. "Hello" stattet in einem neuen Brautatelier in Eimsbüttel heiratswillige Hamburgerinnen aus. Und Nicola Eibich tourt mit ihren Blessed & Cursed-Jeans nach L.A. und New York und begeistert immer mehr Promis für eine Newcomer-Marke, die unter Kennern bereits für ähnliche Emotionen sorgt wie die "Queen Mary" bei Hafentouristen.

"Die Branche ist in der Vergangenheit absolut gewachsen und beschert Hamburg inzwischen einen Status als begehrte Shoppingmetropole", sagt Babette Peters, Direktorin der Initiative hamburgunddesign, die bei der Kulturbehörde angesiedelt ist. Allein ein Blick ins Karoviertel zeige, dass sich der Kreativstandort längst bei den Touristen herumgesprochen habe. "Die drängen sich hier am Wochenende in den Läden", sagt Peters.

Der Trend zum Individualismus beschert den Geschäften Zulauf. Sie besetzen Nischen und bieten vom bestickten T-Shirt über Taschen aus recyceltem Müll bis zur Abendrobe alles an, was Großstadtmenschen und ihre Besucher haben zu müssen glauben.

Für guten Nachwuchs sorgen renommierte Modeschulen wie die Akademie Mode & Design (AMD) und die Akademie JAK.

Einer der Stars der Branche, der Designer John Ribbe, hat sein Atelier nach Lehr- und Erfolgsjahren in New York und Paris wieder zurück nach Hamburg verlegt. "Allerdings nur wegen der Lebensqualität, nicht wegen des Modestandorts Hamburg", sagt er beim Ferngespräch mit dem Abendblatt in Tokio, wo er gerade seine neue Kollektion präsentiert. Hamburg engagiere sich noch zu wenig, um als Kreativmetropole mithalten zu können.

Die Kritik kommt nicht nur von Ribbe. "Ich wünsche mir mehr Austausch in der Branche, ein gemeinsamer Messestand von Hamburger Designern wäre ein Traum", sagt Blessed & Cursed-Macherin Nicola Eibich. Kleinen Firmen fehle das Geld für Werbung, eine Modenschau würde die nötige Öffentlichkeit bringen, wünscht sich Susanne Gröhnke von "Hello" aus Eimsbüttel. Die Designbeauftragte der Stadt macht den Unternehmern Hoffnung: In der HafenCity entstehe das neue Designzentrum. Dann bekomme die Modestadt Hamburg endlich das, was sich die Kreativen wünschen: Einen Ort des Austauschs und der Präsentationen. Die Eröffnung ist allerdings erst Ende 2011.