Hamburg. Kaum haben die Opelaner und die deutsche Politik die überraschende Kehrtwende bei General Motors (GM) verdaut, kommen neue, beunruhigende Nachrichten über den Atlantik: General Motors Europe verliert seinen Chef. GM bestätigte am Freitagabend, dass Carl-Peter Forster (55) das Unternehmen verlässt. Und GM wird seine Tochtergesellschaft künftig an die kurze Leine nehmen. Im Gespräch für die Ablösung Forsters ist nach ähnlichen Gerüchten um den Chefunterhändler des US-Konzerns, John Smith, nun GM-Urgestein Nick Reilly.

Mit dem 59 Jahre alten Reilly dürften die Amerikaner künftig zu verhindern wissen, dass in good old Europe ganz offen und nicht gerade schmeichelhaft über ihren Führungsstil geredet wird. Immerhin hatte sich Forster am Mittwoch erlaubt zu sagen, der plötzliche Schwenk im GM-Verwaltungsrat, Opel doch nicht an Magna zu verkaufen, sei "kaum nachzuvollziehen". Und die "wichtigen Herren, die das entschieden haben", wüssten wohl selber nicht, wie es jetzt weitergeht mit dem Autobauer.

Reilly, der derzeit als Asienchef für GM in Shanghai sitzt, wird für die Konzernspitze in Detroit anders als der ehemalige BMW-Manager Forster als durch und durch loyaler Partner gelten. Er steht immerhin seit 30 Jahren bei GM in Lohn und Brot. Reilly ist ein Rugby- und Bierfan, der sich als Manager für das internationale Geschäft, mit Sanierungsaufgaben bei der Tochter Vauxhall und bei der Billigmarke Chevrolet einen Namen gemacht hat. Der Automann gilt intern als intelligenter, faktenorientierter Vorgesetzter, der den Mitarbeitern ihre Freiheiten lässt. Der jedoch auch recht direkt werden kann, wenn Dinge aus dem Ruder laufen.

Angesichts dieser Vita befürchtet Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, dass Reilly bei Opel als Erstes die Entwicklungskosten für eigene Modelle kappen könnte und stattdessen auf Chevrolet setzt: "Er nimmt Chevrolets und schreibt Opel drauf, das spart", sagte Dudenhöffer. Darüber hinaus dürfte der GM-Manager in den nächsten Monaten erst einmal "das Geld der Ministerpräsidenten einsammeln", unkte der Brancheninsider, der Staatshilfen an Opel angesichts der neuen Lage für Geldverschwendung hält: "Es wird für Opel unmöglich sein, gegen VW und Toyota zu bestehen", sagte Dudenhöffer dem Abendblatt.

Die Politik sieht das nach wie vor anders. "Wir werden uns weiter mit den Ländern um Hilfe und Lösungen für die Betroffenen bemühen", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach einem Gespräch zwischen Bundesregierung und Bundesländern mit Opel-Standorten. Der nordrhein-westfälische Regierungschef Jürgen Rüttgers (CDU) ergänzte in Berlin, für die Bundesländer sei klar, "dass die vier Standorte nicht zur Disposition stehen". Im Wirtschaftsministerium wies man jedoch darauf hin, dass etwaige Hilfszusagen, die an den Erhalt von Standorten geknüpft sind, nach EU-Recht nicht zulässig sind. Die Bundesregierung wartet jetzt zunächst auf das Sanierungskonzept der alten und neuen Konzernmutter, bevor sie über das weitere Vorgehen entscheidet.

Über das Ausmaß des Stellenabbaus bei Opel macht GM-Chef Fritz Henderson bisher aber noch keine Angaben. "Alle Geschäftspläne der jüngsten Zeit, sei es unserer oder von Magna, sahen eine substanzielle Reduzierung der Kapazitäten sowie der Belegschaft vor", sagte der US-Manager nur. Er deutete aber an, dass es kommende Woche Details zur Sanierung gebe. Die vier Bundesländer mit Opel-Standorten entschlossen sich am Freitag nach dpa-Informationen unterdessen zu einem demonstrativen Paukenschlag.

Der Ländervertreter in der Opel-Treuhand, Dirk Pfeil, muss demnach das Gremium verlassen. Grund sei ein Vertrauensverlust. Pfeil habe sich abfällig über das Verhalten von Politikern in den Verhandlungen zum Opel-Verkauf geäußert. Sein Nachfolger solle der nordrhein-westfälische Wirtschaftsstaatssekretär Jens Baganz (CDU) werden. Allerdings hat sich mit dem Sinneswandel bei GM die vorrangige Aufgabe des Gremiums erledigt, nämlich die Gespräche mit möglichen Investoren zu überwachen.

Die IG Metall kündigte gestern eine massive Ausweitung der Proteste der Opel-Belegschaft gegen GM an. "Wir planen europaweit eine wirkungsvolle Gegenwehr und einen Konflikt mit GM", sagte der Frankfurter IG-Metall-Bezirksleiter Armin Schild der "Berliner Zeitung". Die Proteste an den Opel-Standorten vom Donnerstag seien nur der Anfang gewesen, ein "zarter Beginn".

Die Wut der Opelaner über die Konzernmutter in Detroit und das in ihren Augen erhebliche Missmanagement der Amerikaner dürfte übrigens auch nach den neuesten Personalmeldungen aus Übersee anhalten. Denn die Zeit für eine nachhaltige Strategie für Opel scheint noch immer nicht gekommen: Auch Reilly gilt nach Angaben aus informierten Kreisen nur als Übergangslösung. Und als Aufsichtsratschef von Opel ist Bob Lutz im Gespräch. Der 77 Jahre alte Ex-GM-Chef wird dafür mitverantwortlich gemacht, dass sich die Marke mit dem Blitz in den vergangenen Jahren nicht weiterentwickeln konnte.