Ein Anleger erhält von der Haspa 10.000 Euro Schadenersatz zurück - ein richtungsweisendes Urteil. Doch die Bank hat Berufung eingelegt.

Hamburg. Vor dem Hamburger Landgericht hat die Hamburger Sparkasse (Haspa) wegen des Verkaufs von Lehman-Zertifikaten eine weitere, vorläufige Niederlage einstecken müssen. Einem Anleger, der bereits Ende 2006 auf Anraten der Haspa 10.000 Euro in ein solches Garantiezertifikat investierte, wurde der volle Schadenersatz zugesprochen. Zusätzlich muss die Haspa entgangene Zinsen in Höhe von 1000 Euro ersetzen. Die Zertifikate, die eine nicht abgesicherte Inhaberschuldverschreibung darstellen, wurden durch den Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 wertlos.

"Es handelt sich um ein richtungsweisendes Urteil, weil hier erstmals andere Aspekte zugunsten der Bankkunden angeführt werden als bei bisherigen Entscheidungen", sagte Fachanwalt Stephan Michaelis von der Hamburger Kanzlei Michaelis dem Abendblatt. Bisher ging es vorrangig um gegenüber dem Kunden verschwiegene Provisionen, die die Haspa von Lehman Brothers erhalten hatte. "Erstmals hat das Gericht in einem Leitsatz festgestellt, dass einem Anleger, der eine sichere Kapitalanlage wünscht, keine Inhaberschuldverschreibung einer ausländischen Investmentbank verkauft werden darf", sagte Michaelis.

Die Verluste sind "Folge einer Falschberatung durch die Mitarbeiter", heißt es in dem Urteil (Az.: 322 O 134/09). "Die Anlage war nie wirklich sicher, es war nie sicher, dass Lehman Inc. zum Rückzahlungszeitpunkt spätestens 2012 dieses Geld haben würde, selbst wenn es 2006 noch so aussah", heißt es in dem Urteil. Die Richter gehen davon aus, dass die Insolvenz einer Bank auch in dieser Größenordnung nicht nur als theoretisches Risiko gesehen werden darf. So etwas dem Kunden zu vermitteln "ist fahrlässig". Diese Einschätzung ist besonders bemerkenswert, weil bisher selbst Rechtsexperten folgende Auffassung vertraten: Je früher die Zertifikate erworben wurden, desto geringer sind die Chancen, eine Falschberatung zu beweisen, wie die Probleme von Lehman Brothers in den Jahren 2006 und 2007 noch nicht offenkundig waren. Dazu stellt das Gericht fest: "Die Geschäftspolitik von Lehman, US-Immobilienkredite aufzukaufen und sich das Geld dafür von Anlegern wie dem Kläger zu leihen, war nie risikolos." Damit dürfte das Urteil auch vielen anderen Anlegern helfen.

"Insgesamt haben wir bisher in drei Verfahren verloren, in allen Fällen aber Berufung eingelegt, weil das Landgericht Hamburg im Ausnahmefall Lehman das Anlagerisiko jetzt nachläufig vollständig auf die Kreditinstitute verlagert hat", sagte Haspa-Sprecher Andre Grunert.

Auch der Dresdner Bank droht neuer Ärger wegen des Verkaufs von Lehman-Zertifikaten. In einem Verfahren vor dem Landgericht Mönchengladbach (Az.: 3 O 112/09) wurde bekannt, dass die Dresdner Bank den Verkauf des Global Champion Zertifikats über die Börse in den Abrechnungen vorgab. Das gilt als sogenanntes Kommissionsgeschäft. Das war zu diesem Zeitpunkt aber gar nicht möglich, weil die Papiere erst viel später an der Börse eingeführt wurden. "Bei einem solchen Kommissionsgeschäft darf die Bank keine Provision kassieren, wie sie das dennoch getan hat", sagte Uta Deuber von MZS Rechtsanwälte. Im konkreten Fall regte das Gericht, das eine Schadenersatzforderung als aussichtsreich einschätzte, einen Vergleich an. "Wir vertreten etwa 50 Anleger gegen die Dresdner Bank und gehen davon aus, dass bei etwa 50 Prozent der Erwerb falsch abgerechnet wurde", sagte Deuber.

Der Schaden durch wertlose Lehman-Zertifikate wird in Deutschland auf mehr als eine Milliarde Euro geschätzt. Betroffen sind rund 50 000 Anleger. "Es gibt bundesweit 17 Urteile in erster Instanz zu Lehman-Zertifikaten", sagte der Frankfurter Anwalt Matthias Schröder. "Davon sind zwei Drittel zugunsten der Anleger ausgegangen."