2000 Mitarbeiter protestieren in Hamburg. Keine Entscheidung über den Einstieg der Mittelständler in Kiel und Emden.

Hamburg. Der Unternehmensführung der größten deutschen Werftenholding ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) schlägt bei der Neustrukturierung der Werften in Emden und Kiel massiver Widerstand entgegen. Mehr als 2000 der gut 5000 deutschen Beschäftigten der TKMS demonstrierten am Freitag vor dem Tor der Blohm + Voss-Werft in Hamburg, die ebenfalls zur Holding zählt. Sie fürchten einen Abbau ihrer Arbeitsplätze. "In Emden sollen sowohl der zivile als auch der Militärschiffbau geschlossen werden, in Kiel steht ebenfalls der zivile Bereich vor dem Aus und in Hamburg besteht weiter die Option, den zivilen Bereich zu verkaufen", sagte der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der TKMS, Heino Bade, vor den Demonstranten. Mitarbeiter von HDW in Kiel und den Nordseewerken in Emden waren zuvor durch den alten Elbtunnel vor das Werftgelände gezogen und hatten sich dort mit der Belegschaft von Blohm + Voss getroffen.

Anlass für die Proteste war eine TKMS-Aufsichtsratssitzung auf der Werft. Den in einer Pause ans Rednerpult getretenen Vorstandschef Hans Christoph Atzpodien begrüßte die Belegschaft mit Buhrufen und Pfiffen. "Ihre Sorgen um die Arbeitsplätze teilen wir", sagte der Manager. In den Betrieben sei die Auslastung in der Fertigung um die Hälfte eingebrochen, weil "Kunden und Banken nicht mehr bezahlen". Deshalb soll nun in Emden der Windanlagenbauer Siag einsteigen und in Kiel die Bremerhavener Rönner-Gruppe 180 der noch 470 Beschäftigten des Überwasserschiffbaus von HDW-Gaarden übernehmen. "Dies sichert die Beschäftigung an allen drei Standorten - ohne betriebsbedingte Kündigungen", versicherte Atzpodien und erntete höhnisches Gelächter. In Emden soll der Schiffbau 2012 weitgehend auslaufen und bei HDW-Gaarden gehen Anfang des Jahres noch einmal 200 Mitarbeiter in Altersteilzeit.

Die TKMS will die Neustrukturierung zwar finanziell unterstützen, dafür aber eine rasche Entscheidung im Aufsichtsrat. Denn bis zum Ende des Geschäftsjahres Ende September sollen die notwendigen Rückstellungen verbucht sein. Doch auch dagegen wehren sich IG Metall und Betriebsräte. "Wir haben von dem neuen Konzept erst am 9. September erfahren und brauchen Zeit, um eine so weit reichende Entscheidung zu prüfen", sagte Bade, der auch Schiffbau-Experte der IG Metall Küste ist.

Im Aufsichtsrat, der nach der Demonstration bis nachmittags tagte, verhinderten am Freitag die Arbeitnehmer eine Entscheidung über den Einstieg der Mittelständler in Kiel und Emden. In der nächsten Sitzung am 28. September soll nun in jedem Fall entschieden werden - notfalls auch mit der Doppelstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden.

Betriebsräte und IG Metall wehren sich aber auch gegen eine nur auf Marineaufträge ausgerichtete TKMS. "Ein deutscher Rüstungskonzern mit nur jeweils einem Produkt an jedem Standort, dem U-Boot-Bau in Kiel und den Überwasserschiffen in Hamburg, ist nicht tragbar", sagte Bade. Hintergrund: Die Arbeitnehmer gehen davon aus, dass sich die Auslastung nicht sichern lässt. Deshalb soll am zivilen Schiffbau festgehalten werden. Zu den willkommenen Aktivitäten zählt der Emdener Betriebsratsvorsitzende Fritz Niemeier die Windkraftanlagen von Siag. Er versicherte: "Wir werden die Dinger schon bauen." Um das "Sterben auf Raten" des Schiffbaus zu verhindern, müsse die Werft aber weitere Aktivitäten entwickeln. Ernst-August Kiel, Betriebsratsvorsitzender von HDW, fürchtet beim Einsteig der Rönner-Gruppe sinkende Löhne und den Verlust der Tarifbindung.

Kein Wort kam von TKMS-Chef Atzpodien zur weiteren Entwicklung von Blohm + Voss. "Doch unsere Jobs sind genauso gefährdet wie alle anderen", sagte der Betriebsratsvorsitzende Herbert Oetting. Der Fregattenauftrag gehe erst Ende 2011 in die Fertigung, Offshore sei für Hamburg nicht vorgesehen und ein notwendiger Yachtauftrag stehe nicht in den Büchern. "Ein Zukunftskonzept ab 2011 hilft uns in diesem Moment nicht", so Oetting. Auch er befürchtet einen Verkauf des zivilen Schiffbaus von Blohm + Voss. "Die Interessenten werden uns aber nicht genannt."

Sprachlosigkeit herrscht auch zwischen dem Management und der IG Metall. Seit Mai hat Jutta Blankau, die Vorsitzende der IG Metall Küste, nicht mehr mit TKMS-Chef Atzpodien gesprochen. Sie kritisierte am Freitag, dass ThyssenKrupp nicht rechtzeitig auf Zukunftsbranchen wie Meerestechnik oder Offshore umgeschwenkt habe. Das Management habe in die gleiche Richtung argumentiert. "Umgesetzt haben sie aber nichts."