Eine umweltgerechte Modernisierung bietet großes Potenzial für neue Aufträge. Betriebe profitieren von Konjunkturprogrammen.

Hamburg. Nach 100 Tagen im Amt ist der Hamburger Handwerkskammer-Präsident zufrieden: "Ich bin immer wieder beeindruckt, wie vielfältig und kreativ sich das Hamburger Handwerk darstellt", sagt Josef Katzer nach knapp 200 Besuchen bei Betrieben, Obermeistern, Innungen und Gesellenfreisprechungen. "Die Stimmung im Handwerk ist trotz Krise gut", sagt Katzer.

Das klingt fast zu optimistisch mitten in der Wirtschaftskrise. Zwar weiß Katzer von wegbrechenden Aufträgen. Bei 42 Prozent der Betriebe sind die Auftragsbücher deutlich dünner geworden. "Aber die Unternehmen haben oft schnell neue Perspektiven parat." Und das meist ohne Kurzarbeit. "Handwerk und Kurzarbeit passt nicht zusammen", sagt Katzer. "Unsere Unternehmen haben einen Auftragsvorlauf von sechs Wochen statt vielen Monaten wie in der Industrie", sagt Katzer. Vielen Handwerksmeistern sei Kurzarbeit deshalb zu unflexibel und sie scheuten auch den bürokratischen Aufwand.

"Jetzt sind die Konjunkturpakete der Bundesregierung und des Hamburger Senats für unsere Betriebe sehr wichtig. Die ersten Ausschreibungen kommen allmählich bei den Betrieben an, sodass noch vor dem Winter mit den Arbeiten begonnen werden kann", erwartet Katzer. Da es um Infrastrukturprojekte mit den Schwerpunkten Bildung, Energieeffizienz und Instandsetzung geht, "profitieren vor allem der Hoch- und Tiefbau und die Ausbaugewerke", sagt Katzer. Dem Handwerk nutzt aber auch die steuerliche Förderung von Handwerksarbeiten im Haushalt. "Die Absetzbarkeit der Lohnkosten von 20 Prozent direkt von der Steuerschuld hat sich bewährt, weil so alle gleich, unabhängig von ihrem Steuersatz, profitieren", sagt Katzer.

Der Handwerks-Präsident sorgt sich weniger um die aktuelle Lage, als mehr um das, was noch kommt. "Viele Unternehmen unterschätzen die Lage", sagt er. "Wenn die Fördergelder ausgegeben und die Abwrackprämie aufgebraucht ist, stehen viele Firmen vor einem Loch. Wir raten den Unternehmen gerade bei guter Lage, sich jetzt winterfest zu machen und mit ihren Kunden und Banken langfristige Verträge zu vereinbaren", rät Katzer. "Denn einen spürbaren Aufschwung erwarte ich erst für 2011." In der Kammer steht ein Noteinsatzteam bereit, um bedrohten Unternehmen zu helfen. "Bisher gibt es im Handwerk keine Insolvenz aufgrund der Wirtschaftskrise", sagt Katzer.

Die Firmen spüren aber, dass die Banken die Konditionen und Bedingungen für Kredite verschärfen. "Das ist für die Firmen schmerzhaft und nicht nachvollziehbar angesichts der niedrigen Leitzinsen der Europäischen Zentralbank", sagt Katzer.

Für die Zukunft will Katzer die Position des Handwerks in der Umwelttechnik stärken. "Hamburg soll zum Kompetenzzentrum für Umwelttechnik im Norden werden. Mit dem Elbcampus, unserem Kompetenzzentrum in Harburg, verfügen wir über eine Bildungs- und Informationsstätte, die den Firmen neueste Technologien vermitteln und auch Bauherren firmenneutrale Beratung bieten kann. Die Hamburger Firmen sind mit ihrem Wissen über Umwelttechnik bereits sehr gut aufgestellt und sollen jetzt in die Breite gehen." Katzer denkt an Solartechnik, moderne Heiztechnik und Dämmung, Miniblockheizkraftwerke und Energiespeichertechnik für das Haus.

84 Prozent der Wohnungen in Hamburg wurden vor 1978 errichtet. Ende 1977 trat erstmals eine Wärmeschutzverordnung inkraft, die auf energieeffizientes Bauen orientierte. In Hamburg sind zwölf Prozent der Ölheizungen und sechs Prozent der Gasheizungen älter als 25 Jahre. "Daraus ergibt sich ein riesiges Potenzial für Modernisierungen", sagt Katzer. "Ein großes Problem ist, dass die staatliche Förderung moderner Heiztechnik sehr unübersichtlich für Verbraucher ist. Es gibt viele verschiedene Bausteine vom Bund und von Hamburg. Das schreckt viele ab. Wir plädieren für eine einheitliche Förderung, die sich danach richtet, wie viel Heizenergie noch aufgewendet werden muss, unabhängig, welche Heizungsanlage eingebaut wird. Eine solche Regelung würde viele Hamburger motivieren, in ihre Immobilie zu investieren."

Im Handwerk wurden bisher 1451 Ausbildungsverträge in diesem Jahr abgeschlossen. "Das ist gegenüber dem Vorjahr, das ein Rekordjahr war, ein Rückgang von 2,7 Prozent", sagt Katzer. "Die Hamburger Betriebe müssen sich allerdings darauf einstellen, dass sie künftig kaum noch auf Bewerber aus Mecklenburg-Vorpommern hoffen können." Das macht durchaus einen Unterschied, denn bei vielen Hamburger Schulabgängern beklagt der Kammerpräsident Defizite bei den "Primärkenntnissen wie zum Beispiel Grundrechenarten und Prozentrechnung". Es sei schwierig in einem Handwerksbetrieb zu arbeiten, wenn man nicht einmal Räume richtig ausmessen kann.

"Wir sind uns aber bewusst, dass wir Sonderwege gehen müssen, weil wir künftig nicht auf ein Viertel der Hamburger Bewerber verzichten können", sagt Katzer. Für sein eigenes Gewerk der Gebäudereiniger kann er sich zusätzliche Lehrgänge über drei Monate mit der Agentur für Arbeit vorstellen, um eine bessere Vorbereitung auf die Ausbildung zu ermöglichen. "Im Gegenzug würden wir jedem erfolgreichen Absolventen einen Ausbildungsplatz versprechen", sagt Katzer. Auch im Elektrohandwerk denke man über eine solche Qualifizierung nach.