Die Haspa kündigte nach dem verlorenen Prozess Berufung vor dem Oberlandesgericht an. Unterdessen droht eine Klagewelle auch bei anderen Finanzprodukten.

Hamburg. Die Klägerin fürchtete den Medienrummel und blieb der Urteilsverkündung lieber fern. Auch die Beklagte, die Hamburger Sparkasse (Haspa), ließ ihre Anwälte zur Urteilsverkündung gar nicht erst kommen. Vielleicht ahnte sie, dass es für die Bank nicht gut ausgehen würde. Zum zweiten Mal gab das Landgericht Hamburg gestern einem Lehman-Geschädigten recht und verurteilte die Haspa zum Schadenersatz plus Zinsen.

Die 61-jährige Ernährungsberaterin Brigitte J. wollte ihr Geld in einer Haspa-Filiale als Festgeld anlegen. Der Berater riet aber zu einer Bull Express Garant Anleihe, einem Zertifikat der US-Investmentbank Lehman Brothers, das die Haspa im großen Stil eingekauft hatte. Durch die Insolvenz der US-Bank im September 2008 verlor die Anlegerin ihr investiertes Geld, insgesamt 10.100 Euro.

Wie in einem vorangegangenen Fall begründete das Gericht seine Entscheidung mit der verschwiegenen Provision bei diesem Geschäft. Die Haspa hat die Papiere günstig bei Lehman erworben und zu einem höheren Kurs an die Anleger verkauft. In diesem Fall lag die Provision bei 3,8 Prozent.

Fehlende Aufklärung kritisiert

"Der vom Bundesgerichtshof (BGH) für den Fall der Rückvergütung entwickelte Grundsatz, dass der Anleger auch darüber aufzuklären ist, ob und in welchem Umfang die Bank an einer bestimmten Anlage verdient, ist auf den vorliegenden Fall einer von der Bank erwarteten Handelsspanne übertragbar", heißt es in dem gestrigen Urteil (Az.: 325 O 22/09). Die Bank müsse berücksichtigen, dass der Kunde sich im Vertrauen auf eine an seinen Interessen orientierte Beratung an die Bank wendet.

Daher müsse die Bank bei einem Beratungsgespräch von sich aus auf Interessenkonflikte wie Handelsspannen oder andere Anreize hinweisen, begründet der Richter seine Entscheidung. In der vergangenen Woche hatte bereits eine andere Kammer des Hamburger Landgerichts dem Haspa-Kunden Bernd Krupsky 10.000 Euro für ein Lehman-Zertifikat zugesprochen. Auch bei diesem Urteil hatte der Richter die fehlende Aufklärung über die Provisionen kritisiert. Eine weitere Pflichtverletzung der Haspa hatte er darin gesehen, dass der Anleger nicht darauf hingewiesen wurde, dass er von einer einlagengeschützten Anlage in ein ungeschütztes Produkt gewechselt war. Im aktuellen Fall hatte der Richter diesen Punkt nicht mehr als Pflichtverletzung der Bank erkannt.

Damit zeigt sich immer deutlicher, dass verschwiegene Provisionen der Schlüssel für Schadenersatzforderungen gegenüber Banken sind. "Zwei Urteile zugunsten meiner Mandanten stimmen mich sehr zuversichtlich", sagte der Hamburger Anwalt Ulrich Husack. "Die verschwiegene Marge trifft auf alle Lehman-Geschädigten der Haspa zu." Dennoch warnt er die Anleger vor voreiligen Klagen. Die jetzt klagenden Mandanten seien alle rechtsschutzversichert. Da die Haspa die Verjährungsfrist von sich aus auf fünf Jahre verlängert habe, bestehe auch kein Grund zur Eile.

"Wir sind nicht überrascht"

Die Haspa kündigte umgehend Berufung vor dem Oberlandesgericht an. "Wir sind vom Ausgang des Verfahrens nicht überrascht, da wir schon im ersten Urteil die Tendenz der Gerichte beobachten konnten, im Ausnahmefall Lehman das Anlagerisiko jetzt nachläufig vollständig auf die Kreditinstitute zu verlagern", sagte Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg. Die Haspa verweist auf ein Urteil des Landgerichts Frankfurt (Az.: 2-19 O 62/08), das die Klage eines Lehman-Geschädigten im November 2008 abgewiesen hatte.

Dem Richter hatte ein vager Hinweis auf mögliche Provisionen genügt. "Wir haben eine gleichlautende Formulierung in unserem Produktflyer", sagte von Carlsburg. Der Hamburger Richter befand das aber nicht als ausreichend, weil die Formulierungen zu vage waren und nicht ersichtlich war, ob tatsächlich eine Marge gezahlt wurde.

Experten erwarten, dass mit der Margenproblematik auch andere Anlagegeschäfte bei den Banken auf den Prüfstand kommen. "So fließen beim Verkauf von Versicherungen am Bankschalter hohe Provisionen, die dem Kunden verschwiegen wurden", sagt Achim Tiffe vom Institut für Finanzdienstleistungen in Hamburg. Auch andere Zertifikate können betroffen sein, wenn die nächsten Instanzen der Auffassung des Landgerichtes folgen.

Da die Anleger mit Zertifikaten und Fonds hohe Verluste gemacht haben, droht den Banken eine Klagewelle, wenn sie nicht über Provisionen oder Margen aufgeklärt haben. "Der BGH stellt die Pflicht zur Offenlegung ganz klar auf die Beratungssituation ab", sagt Tiffe. "Welche Produkte dabei verkauft wurden, ist zweitrangig."