Es geht um 10 000 Euro. Sparkasse kündigt aber Berufung an. Für die Anleger steigen nun die Chancen.

Hamburg. Auf den schlanken Mann sind alle Fernsehkameras vor dem Saal des Hamburger Landgerichts gerichtet: Bernd Krupsky, pensionierter Lehrer aus Hamburg. Er kennt das bereits, denn er ist einer der ersten Lehman-Anleger in Deutschland, der erfolgreich Schadenersatz von seiner Bank gefordert hat, bei der er 40 Jahre Kunde war, der Hamburger Sparkasse (Haspa). Sie hatte ihm die Zertifikate im Dezember 2006 als sichere Anlage verkauft. Durch die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 wurden die Papiere aber wertlos.

Jetzt freut er sich, dass er sein Geld zurückbekommt. 10 000 Euro plus Ausgabeaufschlag plus Zinsen. Eben hat das Landgericht Hamburg der ersten Schadenersatzklage gegen die Haspa stattgegeben (Az.: 310 O 4/09). Die Haspa "hat ihre Pflicht zur anlagegerechten Beratung aus dem mit dem Kläger geschlossenen Beratungsvertrag schuldhaft verletzt und dadurch einen Schaden des Klägers in Höhe von gut 10 000 Euro verursacht", sagte der Vorsitzende Richter in der mündlichen Urteilsbegründung.

Krupsky hat Glück. Er hat einen guten Anwalt gefunden und er besitzt eine Rechtsschutzversicherung, die für die Kosten aufkommt. Doch 95 Prozent der bis zu 50 000 Lehman-Anleger in Deutschland, die alle ihr Geld verloren haben, besitzen keine Rechtsschutzversicherung und können die Kosten für einen Prozess häufig nicht aufbringen, schätzen Experten.

"Ich bin glücklich und auch ein bisschen überrascht", sagt Krupsky nach dem Urteil. Nach der ersten Verhandlung im April zeigte er sich etwas verunsichert, nachdem der Richter hatte erkennen lassen, dass das Zertifikat eine sichere Anlage gewesen sei. Gleichzeitig hatte er damals aber schon mögliche Pflichtverletzungen bei der Aufklärung über Gewinnmargen erkennen lassen. "Ich fühle mich etwas als Vorkämpfer für die vielen Lehman-Prozesse und hoffe, dass das Urteil auch anderen Mut macht, ihre Ansprüche durchzusetzen", sagt Krupsky jetzt. Allein am Landgericht Hamburg sind über 25 Verfahren in Sachen Lehman anhängig.

Da weiß er noch nicht, dass die Haspa bereits kurze Zeit später Berufung vor dem Oberlandesgericht ankündigen wird, aber er ahnt es wohl, dass er nicht so schnell an seine 10 000 Euro kommen wird. "Ich kann der Haspa nur raten, das Urteil anzuerkennen, denn ihr wurden zwei Pflichtverletzungen nachgewiesen", sagt Krupsky. Was sei das für eine Werbung für die Bank, wenn jetzt wieder Anlegerinteressen ignoriert werden. Seine Pläne muss er deshalb erst einmal aufschieben. Denn von dem zurückgezahlten Geld sollte seine Frau eine neue Küche bekommen. Nur ein Glas Champagner wird er sich auf den Erfolg mit seinem Anwalt Ulrich Husack gönnen. Dann ist wieder Geduld und Zuversicht gefragt. "Ich glaube nicht, dass in diesem Jahr noch eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes fallen wird", sagt Husack. Nicht ausgeschlossen ist, dass der Fall bis zum Bundesgerichtshof gehen wird.

Die Haspa sieht in dem Urteil eine Einzelfallentscheidung und ist zuversichtlich, "dass die Situation in der nächsten Instanz neu bewertet wird", wie Haspa-Privatkundenvorstand Reinhard Klein sagt. Die Sparkasse stützt sich darauf, dass das Gericht festgestellt habe, "dass die Haspa das Produkt dem Anleger empfehlen durfte". Gleichzeitig stellte das Gericht aber zwei Pflichtverletzungen der Haspa fest: die verschwiegene Gewinnmarge und der unterbliebene Hinweis auf die nicht vorhandene Einlagensicherung der Zertifikate. Schon eine Pflichtverletzung reicht aus, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen. "Ich sehe in dem Urteil das Gerüst für weitere Entscheidungen gegen die Haspa", sagt Husack.

Nach der Analyse des Urteils sagt Achim Tiffe vom Institut für Finanzdienstleistungen in Hamburg dem Abendblatt: "Von der Argumentation her hat das Urteil große Chancen, auch vor anderen Instanzen zu bestehen." Insofern sei es auch für viele andere Anleger richtungsweisend und könne ihnen Mut machen.