Es war plötzlich, als liege Amerika an der Alster. Ein Kaufland der unbegrenzten Möglichkeiten. Eine neue Welt der Waren, in der sich künftig Tausende ihre Wünsche erfüllen sollten.

Sehnsüchtig warteten am 24. April 1912 Hunderte Hamburger darauf, dass sich die Pforten zum Paradies des Konsums, die Türen des "Waarenhaus Hermann Tietz" (Hertie), endlich öffneten. Mit großen Augen bestaunten die Besucher feinste Stoffe, glänzende Pfannen und meterhohe Konserventürme. "Bis auf Elefanten und Kriegsschiffe bekommt man alles", soll einer der ersten Gäste gesagt haben.

Die Stockwerke waren mit Säulen aus Pavonozza-Marmor, Glasmosaiken, Messinggeländern und sechzehnarmigen Lichtkronen architektonisch aufgehübscht worden. Auch äußerlich war dieses Kaufhauses, das Oskar Tietz - ein Neffe des jüdischen Firmengründers - in der merkantilen Mitte der Hansestadt für 4,5 Millionen Goldmark erbaut hatte, prächtig geraten. An der umsatzstärksten Promeniermeile der Stadt, wo man sah und gesehen wurde, sollte der Konsumtempel, der zeitweise Europas größte Stoff- und Tuchabteilung beherbergte, thronen. Am Prachtboulevard Jungfernstieg, den die "Neue Illustrierte Zeitung" damals die "zweite große Börse Hamburgs" und den Treffpunkt, an dem sich "die feine Welt in den Nachmittagsstunden dem Austausch gegenseitiger Komplimente hingibt", nannte.

Diese Atmosphäre muss 75 Jahre später auch auf den britischen Thronfolger Prinz Charles gewirkt haben, als er am 6. November 1987 mit der 26-jährigen Prinzessin Diana über den roten Teppich in das bereits leicht angestaubte Alsterhaus schritt. "For you, Di", soll er gehaucht und der Prinzessin ein Stück süße Schokolade gereicht haben - zu einer Zeit, in der diese royale Verbindung schon einen zartbitteren Beigeschmack hatte.

"Ein Königreich im Alsterhaus", so der damalige Werbespruch, war für viele Hamburger die Feinkostabteilung des Alsterhauses. Generationen waren jahrelang über eine jener schmalen, ersten deutschen Rolltreppen in das vierte Obergeschoss gepilgert, um Spezialitäten aus aller Welt für die nächste hauseigene Tafelrunde zu kaufen. Am 15. September 2001 wurde diese Tradition nach fast 100 Jahren beendet, die Abteilung geschlossen. Eine Entscheidung, die vielen Hanseaten, ganz anders als ein Hummer aus dem Alsterhaus, so gar nicht schmecken wollte.

Die Umsätze, so wurde begründet, seien im Keller. Dorthin, ins Untergeschoss, wurde die verbleibende Weinabteilung verlegt. Längst war Hamburgs berühmtestes Kaufhaus, das Bindeglied zwischen den Einkaufsarealen der Innenstadt, mitten hineingezogen worden in den heftigen Krisenstrudel des Karstadt-Konzerns, der das Warenhaus 1994 übernommen hatte. Vorbei schienen die Zeiten, in denen das Alsterhaus die Besucher anzog - geografisch wie stofflich. Immer wieder wurde auch über eine Schließung des Hauses, das zeitweise eher als "Kommerzkaserne" verspottet denn als "Konsumtempel" geadelt wurde, gemunkelt. Doch dann wurde die 22 000 Quadratmeter große Kleinstadt in der Stadt zwei Jahre lang für mehr als 35 Millionen Euro modernisiert, im September 2005 eröffnet - als "Premium-Kaufhaus". Im Erdgeschoss waren auch die alten Marmorsäulen wieder sichtbar gemacht. In Erinnerung an eine Zeit, in der es so aussah, als liege Amerika an der Alster.