Wie eine Währungsreform in Griechenland umgesetzt werden könnte. IWF-Chefin Christine Lagarde gibt Euro-Rettung noch drei Monate.

Hamburg. Zumindest auf den Bildschirmen des Finanzinformationsdienstes Bloomberg hatte Griechenland kurzzeitig schon wieder die Drachme: Unter dem Kürzel XGD konnten Kunden vor einigen Tagen die Währung "Greek Drachma (post Euro)" aufgelistet sehen. Es habe sich lediglich um einen Funktionstest gehandelt, hieß es von dem Unternehmen. Doch offensichtlich spielt nicht nur Bloomberg einen Austritt Griechenlands aus dem Euro schon durch - die britische Bank HSBC testete an ihren Geldautomaten in Athen, ob sie auch mit Geldscheinen anderer Größe funktionieren würden.

Zwar versichern europäische Spitzenpolitiker, das Ziel aller Bemühungen zur Stabilisierung des dramatisch hoch verschuldeten Landes sei dessen Verbleib in der Währungsunion. Doch nach dem 17. Juni könnte es ganz schnell gehen: Wenn aus den Parlamentswahlen eine Regierung hervorgeht, die sich nicht mehr an die strengen Sparauflagen der Staatengemeinschaft halten will, könnte ein Euro-Austritt unvermeidbar werden.

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Allerdings wären dazu rechtliche Hürden zu überwinden. Denn ein Ausscheiden aus der Euro-Zone ist in den Verträgen überhaupt nicht vorgesehen. Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union allerdings lässt sich kündigen - und damit müsste de facto ein Abschied vom Euro verbunden sein.

Zudem gibt es keine Bestimmungen für einen Ausschluss, Griechenland müsste also freiwillig gehen. Experten meinen jedoch, dass sich Wege finden ließen, die juristischen Hindernisse zu umgehen. "Man könnte argumentieren, das Land habe fortgesetzt die Kriterien für die Zugehörigkeit zur Währungsunion nicht erfüllt und dies bereits beim Eintritt nicht getan", sagt Dirk Meyer, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg. Auch könne die Regierung in Athen ohne den Euro in der EU bleiben, sagt Stefan Homburg, Direktor des Instituts für Öffentliche Finanzen der Leibniz-Universität Hannover: "Griechenland würde aus der EU austreten und nach einer 'rechtlichen Sekunde' wieder eintreten, nicht aber in die Währungsunion."

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Eines aber steht für Homburg fest: "Man kann eine Währungsreform nicht mit Ansage umsetzen. Das Ganze muss über Nacht kommen." Denn sobald ein Termin für die Umstellung feststünde, würden griechische Bürger und Unternehmen ihre Euro-Bankkonten plündern und das Geld entweder in bar abheben oder ins Ausland transferieren, weil die neue Währung absehbar schwächer wäre als der Euro. "Dieser Prozess läuft aber seit Monaten - übrigens nicht nur in Griechenland, sondern auch in Spanien", so Homburg. Statistiken zufolge haben die Griechen seit Beginn der Schuldenkrise schon mehr als 60 Milliarden Euro von den Konten abgezogen. "Es müssten wirklich Unwissende sein, die das noch nicht getan haben", pflichtet Meyer bei.

Auch aus praktischen Gründen würde die Währungsreform wohl an einem Wochenende über die Bühne gehen, schon weil die Banken dann geschlossen sind. So könnte die Regierung am Sonnabend den Umtauschkurs zur neuen Währung, die wahrscheinlich wieder Drachme hieße, festsetzen. Am Sonntag würden alle Konten umgestellt. Die Geldautomaten müssten zunächst abgeschaltet werden. "Gleichzeitig würde das Parlament die Währungsumstellung beschließen. Für alle Verträge unter Griechen wäre die Drachme maßgeblich, und nur Verträge mit Ausländern würden noch auf Euro-Basis gelten", sagt Meyer.

Sinnvoll wäre eine Umstellung von Euro auf Drachme im Verhältnis eins zu eins, damit anfangs alle Beträge unverändert blieben. Ein Problem wäre aber, dass nicht so schnell neues Bargeld in der nötigen Menge zur Verfügung stände. Daher werde die Regierung für eine Übergangszeit provisorische Kupons ausgeben oder die in den Banken vorhandenen Euro-Noten mit einem Stempel, der sie zu Drachmen macht, versehen lassen, erwarten Experten.

"De La Rue in London steht aber schon bereit, neues Geld für Griechenland zu drucken", sagt Meyer. "Man müsste dafür mit einem halben Jahr rechnen." Das britische Unternehmen produziert Banknoten für mehr als 150 Länder. Vor mehr als 20 Jahren war auch einmal die Drachme dabei.

Schon sehr bald nach der Umstellung könnte in Griechenland allerdings eine Entwicklung einsetzen, die nach Überzeugung des früheren sozialistischen Wirtschafts- und Finanzministers Giannos Papantoniou direkt in die "ökonomische Hölle" führt: um eine verheerende Pleitewelle unter Banken und Firmen - die ja Schulden gegenüber dem Ausland weiter in Euro zurückzuzahlen hätten - einzudämmen, müsste der Staat die Wirtschaft mit der neuen Währung überreichlich versorgen. Damit würde aber die Drachme rapide an Wert verlieren. Weil sich die importierten Rohstoffe als Folge davon deutlich verteuern würden, käme es zu hohen Inflationsraten.

Keineswegs zwangsläufig wäre nach Einschätzung von Homburg der von vielen Experten für den Fall einer Währungsreform vorhergesagte Zusammenbruch des griechischen Bankensystems. Ein Problem hätten aber die Banken im übrigen Europa. Denn mit der Abwertung der Drachme wäre es der griechischen Regierung praktisch unmöglich, die in Euro fälligen Staatsanleihen weiter zu bedienen. "Ob eine Währungsreform kommt oder nicht, ein zweiter Schuldenschnitt wird in jedem Fall unvermeidbar sein", ist Meyer überzeugt. Im März hatten sich die privaten Gläubiger darauf verständigt, auf 53,5 Prozent ihrer Ansprüche gegen den griechischen Staat zu verzichten.

Ein Austritt aus dem Euro ist nach Ansicht von Homburg aber keineswegs so wahrscheinlich, wie manche dies darstellen: "Ich glaube, das ist deutsches Wunschdenken. Aus der Perspektive Griechenlands wäre es irrational, die Währungsunion zu verlassen." Der US-Starökonom Nouriel Roubini warnte vor einem Ausschluss Athens. "Wer den Griechen den Stecker zieht, provoziert den totalen Zusammenbruch der Euro-Zone", sagte Roubini der "Bild"-Zeitung. Wie bei der deutschen Wiedervereinigung müsse Griechenland 20 Jahre lang finanziert werden.

Zu entschlossenem Handeln mahnt die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde. Für die Rettung des Euro bleiben nach ihrer Auffassung weniger als drei Monate. "Der Aufbau der Euro-Zone hat Zeit gebraucht", sagte Lagarde dem Fernsehsender CNN. "Im Moment dauert die Aufbauarbeit noch immer an."

Auf längere Sicht allerdings sind Homburg wie auch Meyer skeptisch, was die Erfolgsaussichten des Projekts "Euro" angeht. So stellt Meyer in seinem neuen Buch "Euro-Krise - Austritt als Lösung?" einen Plan für eine geordnete Auflösung der Euro-Zone vor. Und Homburg weist darauf hin, dass noch nie eine zwischenstaatliche Währungsunion Bestand gehabt hat. So existierten noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts die skandinavische und die lateinische Münzunion. Letzterer gehörte neben Frankreich, Belgien und der Schweiz auch Griechenland an.