Hamburger Senatsdelegation mit Frank Horch nach Japan gereist. Wirtschaftsministerium will mit Hansestadt künftig enger zusammenarbeiten.

Tokio. Die junge Frau lächelt. An ihrem Revers steckt ein kleines grünes Blatt aus Metall. Sie hat ein hellblaues Kostüm an. Auf der Leinwand flimmern Bilder von grünen Wäldern und klaren Flüssen. Lachende Kinder baden ihre Füße in dem sauberen Wasser, Insekten schwirren in Großaufnahme umher. Willkommen im Panasonic Center Tokio. "So stellen wir uns die Zukunft unserer Erde vor", sagt die lächelnde Frau und erzählt von energiesparenden Lampen, Autos ohne Abgase und modernen Elektrotankstellen. Die Besuchergruppe schaut sich die schöne heile Welt durch zu große 3-D-Brillen an. Willkommen im Japan der Zukunft.

Nur wenige Stunden zuvor saß die Hamburger Delegation angeführt von Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) noch in einer ganz anderen Welt. Der deutsche Botschafter in Japan, Volker Stanzel, hatte die rund 40 Gäste aus Wirtschaft, Wissenschaft und Medien zum Briefing in sein Gästehaus eingeladen. Wie steht es um Japan? Wirtschaftlich, politisch, mental?

Stanzels Fazit fiel nachdenklich aus. Bereits nach wenigen Minuten kam er auf die nach seinen Worten "Dreifach-Katastrophe" zu sprechen. Erdbeben, Tsunami und die Explosion des Atomkraftwerks von Fukushima hatten im März 2011 die Welt erschüttert. Grüne Wiesen, saubere Luft und glückliche Kinder suchte man damals vergeblich in der betroffenen Region. 20 000 Menschen starben, 560 Quadratkilometer Küstenflächen wurden zerstört. Eine Nation stand unter Schock, der weiter nachwirkt. Noch immer leben 75 000 Japaner in Auffanglagern.

Und ein technikverliebtes Volk verlor seinen Glauben in die angeblich so sichere Atomkraft. Waren vor Fukushima noch mehr als 80 Prozent der Japaner für Kernenergie, lehnen sie mittlerweile gut zwei Drittel ab. Nicht zuletzt wegen dieser Skepsis sind derzeit alle 54 Atommeiler vom Netz genommen. Eigentlich zu Wartungszwecken, aber so richtig traut sich offensichtlich kein Politiker, die Meiler gegen den Willen des Volkes wieder anzuschalten.

Botschafter Stanzel versucht trotz Fukushima positiv nach vorne zu blicken, spricht von einem "neuen Zusammenhalt der Japaner" und sieht "große Chancen" für regenerative, ungefährliche Energien. So wie die lächelnde Frau im Panasonic-Center.

Und ein großer Teil der Delegation von Hamburger Managern ist genau wegen dieser Chancen mit nach Asien gereist. Man möchte sich informieren, Kontakte knüpfen, vielleicht gemeinsam mit den Japanern für ein neues Energie-Zeitalter stehen - ohne die Gefahren der Atomkraft und ungelöste Entsorgungsprobleme. Deutschland genießt bei diesem Thema hohes Ansehen in Japan. Die Asiaten haben "voller Hochachtung" und mit "großem Respekt" auf die Entscheidung der Bundesregierung reagiert, aus der Atomkraft schneller als ohnehin geplant auszusteigen, sagte Stanzel. Und es hat sich bereits bis Tokio herumgesprochen, dass gerade Hamburg bei den erneuerbaren Energien Ernst macht, sich in der Hansestadt vor allem Windkraftkonzerne mit ihren Zentralen ansiedeln.

Deshalb hat Japans Wirtschaftsminister Yukio Edano Senator Horch auch persönlich empfangen. Eine Ehre, die eigentlich Bundespolitikern vorbehalten ist. Und es wurden nicht nur Gastgeschenke ausgetauscht - Edano bekam einen Montblanc-Füller aus Hamburger Produktion. Der japanische Minister, der noch vor mehr als einem Jahr in anderer Funktion den unzähligen internationalen Kamerateams die unfassbare Fukushima-Katastrophe erklären musste, will mit Hamburg künftig eng auf dem Energiesektor zusammenarbeiten.

Nach Informationen des Abendblatts gibt es bereits konkrete Gespräche über neue Ansiedlungen "grüner" Unternehmen aus Japan in der Hansestadt. Zudem bat Edano Senator Horch darum, sich auf europäischer Ebene für ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan einzusetzen. Zölle würden fallen und gerade für die Hansestadt könnten sich so neue Chancen im Handel ergeben.

Schon heute unterhalten 550 Hamburger Firmen Wirtschaftsbeziehungen zu Japan, und etwa 100 japanische Unternehmen mit rund 6000 Beschäftigten haben Niederlassungen an der Elbe. "Das waren hervorragende Gespräche mit Wirtschaftsminister Edano, die Mut machen. Ich habe ihn nun zu einem Gegenbesuch nach Hamburg eingeladen", sagte Horch im Anschluss an die halbstündige Unterredung.

Am Abend ging es dann noch zum Hafen-Dinner. Vertreter der drei großen japanischen Reedereien NYK-Line, K-Line und MOL baten zum Gedankenaustausch. Abseits der schönen neuen Energiewelt ging es um die Elbvertiefung, mögliche Fusionen in der Branche und Containerriesen. Eher Business as usual nach einem Tag, der von Fukushima und den Folgen geprägt war.