Gibt es ein Shopping-Gen? Ein Einkaufsbummel zu zweit enthüllt einiges über Frau und Mann. Was könnte man in der Zeit alles tun!

Wenn Carrie Bradshaw in der Kultserie "Sex and the City" mal wieder ein Freund weggelaufen war, musste sie sich etwas Gutes tun: ab ins nächste Schuhgeschäft, am besten zu Manolo Blahnik. Gemessen daran muss ich wohl in ein komplettes Wohlfühlprogramm geraten sein.

Es hatte sich schon angebahnt: Die Schranktüren standen weit offen. Die geschätzten vier Meter Klamotten bedeuten im Jargon einer Shopperin: "Eigentlich hab' ich nichts anzuziehen." Wenn dann noch die Lieblingshose zerschlissen ist, der Blazer einen Knopf verloren hat, die Schuhe einfach nicht zum Dress passen wollen und irgendwo auch noch eine versprengte Motte zugebissen hat, ist es höchste Zeit.

Also los. Einen Nachmittag zum Einkaufen in die City. Der Power-Kaufrausch eines "Shopaholic" beginnt mit dem klassischen Satz "Ich will mich nur mal umschauen".

Die Aufgabe des begleitenden Mannes ist eng umrissen: Tüten halten, Regenschirm halten, Mund halten.

Was man in der Zeit alles hätte tun können. Ein HSV-Spiel live oder wenigstens in der Konferenzschaltung verfolgen. Ein kleiner Ausflug an die Nordsee. Den packenden "Nachtzug nach Lissabon" zu Ende lesen. Oder mal gemütlich einen Cappuccino trinken. Klar, dass alle zehn Minuten ein verstohlener Blick zur Uhr wandert. Britische Männer, enthüllte eine Umfrage, verbringen 22 Wochen ihres Lebens beim Warten vor Umkleideräumen. Und nicht nur die.

Erster Stopp. Zufällig ein Schuhladen. Nein, nicht der erstbeste. "Das ist nur Ramsch." Schwarze Schuhe - vor einem Jahr waren es rote, braun nur in Ausnahmefällen. Spitz müssen sie sein. Und keine hohen Pfennigabsätze (siehe Seite 12) haben. Aber mit Riemchen? Ohne Schnalle? Mit Schleifchen? Ohne Bommel? Mit Löchern? Ohne Muster? Oder ganz schlicht? Wenn der Nachmittag noch jung ist, hilft man(n) noch engagiert mit bei der Suche. Und wenn der Schuh ganz hinten, in der äußersten Ecke, sogar noch der richtige ist, wäre der Tag eigentlich gerettet. Aber es dauert noch ein bisschen. Und die Prozedur wiederholt sich. "Lass uns hier nur mal kurz reinschauen."

Nächster Stopp. Ein Klamottengeschäft. Hosen, Blusen, Accessoires werden schnöde missachtet. Zielgerichtet geht's in die Abteilung für Blazer. Tailliert? Nadelstreifen? Uni statt bunt? "Das passt nicht zu meiner Tasche." "Das ist nur was für alte Leute." "Wer soll sich denn da reinquetschen?" "Viel zu kurz. Soll ich so rumlaufen wie die kleinen Mädels mit ihren Speckrollen?"

Teil um Teil wandert zurück auf den Kleiderständer. Ist mein Urteil wirklich gefragt? "Du siehst wieder umwerfend aus" kommt natürlich besser als "das wölbt sich ein bisschen an einigen Stellen".

"Ja, du", heißt es dann. "Ihr Männer findet immer alles. Es passt sofort und überhaupt habt ihr die schöneren Sachen. In meiner Größe gibt's keine Auswahl!" Eine Meinung, die ich angesichts der bunten Kleiderständer und Regale nicht teilen kann.

Übrigens bleibt es ein ungelöstes Phänomen, dass viele mit Leidenschaft erworbenen, ökologisch und gewaltfrei hergestellten Textilien dann doch in einer dunklen Schrankecke verschwinden und nie wieder gesehen werden. "Ach das", heißt es dann, "keine Ahnung, wo das herkommt."

Wenn manche Frauen überdeutlich auf ein bestimmtes Kleidungsstück hinweisen ("Ist diese Jacke nicht sensationell"), gilt das meist als Geschenketipp. Seien Sie aber sicher, dass Sie die Größe ihrer Gefährtin genau kennen. Zwischen "Findest du mich wirklich so dick?" und "Du meinst also, ich müsste abnehmen!" liegt nur wenig Spielraum.

Schließlich der letzte Stopp des Nachmittags: die Handtaschen-Abteilung. Irgendwo muss die Sammlerin ihre Utensilien ja unterbringen. Warum Frauen einen ganzen Satz dieser Behältnisse besitzen müssen - je nach Größe, passend zur Kleidung oder gar den Schuhen - ist rätselhaft. "Viel zu teuer", wandert die erste zurück ins Regal. "Miese Qualität", die nächste hat keine Chance. Und überhaupt: "Wer trägt bloß diese Taschen in der Hand?" Lange Riemen müssen es sein!

Die Bilanz: Ein paar Tüten sind schon zusammengekommen. Drin ist aber nicht das, was eigentlich geplant war. Keine Schuhe, kein Blazer, keine Handtasche. Dafür ein zugegeben schönes Tuch, eine neue Brieftasche, ein paar Strümpfe und Hausschuhe.

Natürlich muss man nicht so weit gehen wie der britische Autor J.G. Ballard, der sagt, jedes Mal, wenn ihn seine Freundin zum Einkaufen mitschleppe, "stirbt ein Teil von mir". Aus gutem Grund wollen 87 Prozent der Frauen lieber ohne Mann shoppen, ergab eine Umfrage der Zeitschrift "Petra".

Frauen bauen beim Einkaufen Stress ab, für Männer fängt er da erst an. Wissenschaftler verweisen auf die Entwicklungsgeschichte: Männer jagen, Frauen sammeln. Aha, es gibt also das Shopping-Gen. Gut, dass sie ihre eigene Kreditkarte hat.

Da fällt mir ein: Ich brauche auch noch eine Hose. Diese Auswahl! Blau oder doch anthrazit oder beige? Weit oder eng? Optimistische Weite oder lieber realistisch? Und welcher Stoff überhaupt? Furchtbar, immer diese Entscheidungen...