An diesem Wochenende öffnet die große Ausstellung die Erfindung der Romantik in der Hamburger Kunsthalle. Für seine grandiosen Bilder hat Friedrich verschiedene Motive zu neuen Kompositionen vereint. Eine Spurensuche in der Sächsischen Schweiz.

Der Maler war Patriot und ließ an seiner Abneigung, die er gegenüber Napoleon empfand, keinen Zweifel. Da sich die Situation in Dresden im Frühjahr 1813 verschärft hatte und Caspar David Friedrich durchaus damit rechnen musste, aufgrund seiner politischen Haltung Probleme mit den französischen Besatzern zu bekommen, zog er sich in die Sächsische Schweiz zurück, jenes elbaufwärts gelegene Gebirge, dessen steile Felsnadeln, einsame Schluchten und bizarr geformten Berge schon seit dem späten 18. Jahrhundert von Malern immer wieder neu entdeckt worden waren.

Doch Friedrich, der nun für einige Monate in dem Elbfischerdorf Krippen lebte, kam auch hier nicht recht zur Ruhe. In einem Brief an den Leipziger Kunsthistoriker Ludwig Puttrich schrieb er am 31. März 1813: "Ich habe schon seit länger als 14 Tagen Dresden verlassen und lebe hier in einer sehr angenehmen Gegend. Der hiesige Aufenthalt könnte für mich sehr nützlich sein, wenn nicht die Ereignisse der Zeit mein Gemüth so ganz verstimmt hätten und mich unfähig machten, etwas zu beginnen." Friedrich erwanderte die Umgebung, die ihm ungezählte Motive hätte bieten können, doch sein Skizzenbuch blieb leer. Erst am 1. Juni, nachdem er wochenlang nicht zu arbeiten vermocht hatte, zeichnete er eine Baumgruppe und vermerkte dazu: "Nach langer Zeit das erste gezeichnet."

Von nun an ging es besser, er zeichnete täglich, benutzte offenbar auch ein Fernrohr, um entferntere Motive besser erfassen zu können. Insgesamt 22 Zeichnungen aus dieser Zeit sind erhalten geblieben. Eines der Felsmotive, die Caspar David Friedrich damals skizzierte, sollte später eine besondere Bedeutung erlangen.

Anfang September 2006: Frank Richter, Bergsteiger, Autor und Friedrich-Experte, führt Hamburgs Kunsthallen-Direktor Hubertus Gaßner und eine Gruppe von Kunsthistorikern, Journalisten und Sponsoren zu einem großen Felsblock, der hinter den Häusern des Dörfchens Schöna am Aufstieg zur Kaiserkrone liegt. Die eigentümliche, nach links geneigte Form ist so markant, dass man sie trotz der von Friedrich veränderten Größenverhältnisse als jenen Felsen wiedererkennt, den Caspar David Friedrich 1818 auf seinem berühmten Gemälde "Wanderer über dem Nebelmeer" verwendet hat. Gaßner tut den Fotografen den Gefallen, klettert auf den Block und steht nun so da wie die Figur auf dem Bild, das heute zu den wichtigsten Werken in der Hamburger Kunsthalle gehört.

Aber abgesehen davon, dass es an diesem Spätsommertag an Nebel fehlt, weicht das "lebende Bild" auch sonst erheblich von dem Hamburger Friedrich-Gemälde ab. Und das hängt mit der Arbeitsweise des berühmtesten Malers der deutschen Romantik zusammen. Hubertus Gaßner erklärt: "Friedrich war kein Plainairist, er hat seine Staffelei nie im Freien aufgestellt und vor der Natur gemalt, sondern ausschließlich Skizzen gemacht. Diese dienten ihm dann - oft erst Jahre später - als Material für die Gemälde, die er stets in seinem Atelier ausführte."

Friedrich hat seine Landschaften an der Ostsee - in der Nähe seiner Geburtsstadt Greifswald oder auf Rügen - gesucht, im Harz, im Böhmischen Riesengebirge und in der Umgebung von Dresden. Für seine berühmten Gebirgslandschaften diente ihm jedoch vor allem die Sächsische Schweiz als Vorlage. Im Uttewalder Grund, einer ungemein romantischen, aber sehr unwirtlichen Gegend, verbrachte er einmal mehrere Tage. Dabei ging es ihm nicht nur um die Motive, sondern vor allem um das Erlebnis der Einsamkeit in einer großartigen Landschaft. Dazu schrieb er: "Ich muss allein bleiben und wissen, dass ich allein bin, um die Natur vollständig zu schauen und zu fühlen; ich muss mich dem hingeben, was mich umgibt, mich vereinigen mit meinen Wolken und Felsen, um das zu sein, was ich bin, die Einsamkeit brauche ich für das Gespräch mit der Natur."

So einsam wie in der Natur war Caspar David Friedrich später auch in seinem kargen Dresdner Atelier mit Blick auf die Elbe. Die Landschaften, die hier auf der Leinwand entstanden, wirken wie die Wiedergabe von Wirklichkeit, ohne es tatsächlich zu sein. "Er komponierte seine Landschaften aus Motiven, die er zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten gesehen und skizziert hatte", sagt Gaßner.

Dabei ging Friedrich sogar so weit, dass er zum Beispiel die Klosterruine von Eldena aus Greifswald in eine Riesengebirgslandschaft versetzt. Friedrichs Landschaften sind keine Abbilder, sondern Sinnbilder. "Nicht die treue Darstellung von Luft, Wasser Felsen und Bäumen ist die Aufgabe des Bildners, sondern seine Seele, seine Empfindung soll sich darin widerspiegeln. Den Geist der Natur erkennen und mit ganzem Herzen und Gemüth durchdringen und aufnehmen und wiedergeben ist die Aufgabe des Kunstwerks", schrieb Caspar David Friedrich.

Das ist ihm gelungen, denn wer die Bilder des Romantikers kennt, sieht auch reale Landschaften mit anderen Augen. Eine Abendstimmung, ein besonderes Motiv, einen bestimmten Lichteinfall in der Natur assoziieren wir oft mit dem Romantiker: "Sieh mal, wie auf einem Friedrich-Gemälde." Frank Richter meint: "Wenn man das Gebirge mit den Augen der Maler sieht, dann verändern sich die Blickwinkel, und man erfährt ein gänzlich neues Landschaftserlebnis."

Am Ende der Reise steht die Hamburger Gruppe auf der Bastei, dem touristischen Hauptanziehungspunkt des ganzen Elbsandsteingebirges. Von Einsamkeit und erhabener Ruhe ist hier nichts zu spüren, die Wanderer, Touristen und ganze Bus-Reisegruppen drängen sich an den Aussichtspunkten und blicken hinunter zur Elbe und auf die schroffen Felsen, die hier ein besonders grandioses Panorama bilden.

Mitten im Getümmel zeigt uns Frank Richter ein weiteres Friedrich-Motiv: Die Basteibrücke führt direkt auf das Felsentor zu, das der Maler 1823 in seinem Bild "Die Felsenschlucht" dargestellt hat. Das Wiener Gemälde, das jetzt auch in der Hamburger Ausstellung zu sehen ist, zeigt das Neurathener Felsentor. Obwohl Friedrich die Brücke, die es in einer hölzernen Ausführung schon damals gab, weggelassen und rechts noch einen Felsen hinzugefügt hat, ist das Vorbild leicht wiederzuerkennen. Vom Aussichtspunkt der Bastei sind elbaufwärts schemenhaft auch jene Berge zu sehen, die den Hintergrund des "Wanderers auf dem Nebelmeer" bilden. Jedes Bildelement hat ein Vorbild, aber das grandiose Gemälde ist dann doch sehr viel mehr als die Summe seiner Motive.